Generalsekretär Bijan-Djir Sarai fordert mehr Streitbereitschaft innerhalb der Koalition – und der Gesellschaft.Bild: dpa / Bernd Weißbrod
Deutschland
Die Streitereien innerhalb der Ampel-Koalition sind seit ihrem Bestehen nicht zu übersehen. Corona, Waffenlieferungen, Energie – es macht den Anschein, als habe jedes Thema das Potenzial, die drei Parteien gegeneinander aufzubringen.
Ebenso präsent ist die Verteidigung dieser Debatten. Immer wieder wird von führenden Köpfen der Parteien erklärt, wie fruchtbar Streit um die Sache sein kann. Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai verteidigt jetzt den Umgang innerhalb der Koalition öffentlich – und macht direkt eine neue Kampfansage an die Partnerinnen.
Djir-Sarai hat mit viel Streit in der Koalition gerechnet
In einem Interview mit der "Schwäbischen Zeitung" macht der FDP-General deutlich: Streit gehört zu einer funktionierenden Demokratie dazu. "Wir müssen zu einer gesunden Debatten- und Diskussionskultur zurückkehren – nicht nur in der Politik, sondern in der gesamten Gesellschaft", sagt er. Djir-Sarai stellt die These in den Raum, dass diese Fähigkeit verloren gegangen ist. Und zwar in den vielen Jahren der Großen Koalition.
Seit fast einem Jahr ist Djir-Sarai Generalsekretär seiner Partei.Bild: IMAGO/Stefan Zeitz
Der FDP-Politiker stellt klar:
"Für mich war von Anfang an klar, dass es in der Ampel-Koalition sehr viel Kommunikation und inhaltlicher Auseinandersetzungen bedarf, wenn drei Parteien, die nicht auf Anhieb die größten Schnittmengen haben, gemeinsam regieren."
Dass Deutschland das vergangene Jahr – nach Beginn des russischen Angriffskrieges – besser überstanden hat, als zu Beginn erwartet, ist für Djir-Sarai ein Erfolg der Regierung. Nun aber müsse es darum gehen, Deutschland wieder wirtschaftlich fit zu machen. Für den Liberalen sind daher "Bürokratieabbau, Planungsbeschleunigung, eine Verringerung der Steuerlast und solide Finanzen" das "Gebot der Stunde".
Der nächste Streit ist eine AKW-Debatte entfernt
Neben dem Wirtschaftsbooster steht aber das nächste Streitthema schon in den Startlöchern: Die Atomkraftdebatte. Schon wieder. Denn nach dem Machtwort des Kanzlers Olaf Scholz (SPD) im vergangenen Herbst, will die FDP es offensichtlich nicht darauf beruhen lassen. Der Deal war: Drei der deutschen Atomkraftwerke sollen bis zum Frühjahr 2023 im Reservebetrieb weiterlaufen, danach aber abgeschaltet werden.
Im Interview sagt Djir-Sarai dazu:
"Niemand (Anm. d. Red: von den europäischen Partnerländern) kann verstehen, dass ein Land wie Deutschland vom Instrument der Laufzeitverlängerung keinen Gebrauch macht und dafür die Kohleverstromung weiter erhöht. Abgesehen davon laufen wir Gefahr, unserer eigenen Industrien nachhaltig zu schaden."
Die Koalition verfolge das gemeinsame Ziel, den Ausbau der erneuerbaren Energien stark voranzutreiben. Dieser Ausbau reiche aktuell aber noch nicht aus, um den Bedarf der Industrie zu decken. Deshalb fordert der Generalsekretär ein realistisches und technologieoffenes Energiekonzept.
Das AKW-Brokdorf in Schleswig-Holstein könnte laut TÜV wieder in Betrieb gehen.Bild: IMAGO/Chris Emil Janßen / imago images
Die ablehnende Haltung sei besonders unglaubwürdig, wenn Deutschland zeitgleich Atomstrom aus dem Ausland einkaufe. "Genauso verhält es sich bei der Schiefergas-Förderung", sagt Djir-Sarai und stellt damit auch die Fracking-Debatte erneut in den Raum.
Seit über 1000 Tagen herrscht bereits Krieg in der Ukraine. Und das, obwohl der russische Präsident Wladimir Putin das kleinere Nachbarland binnen weniger Tage einnehmen wollte. Nach bald drei Jahren herrscht eine enorme Kriegsmüdigkeit – nicht nur in der Ukraine.