Innenministerin Nancy Faeser überlegt wohl, den Abschiebestopp nach Afghanistan aufzuheben.Bild: IMAGO/Future Image/ F. Kern
Deutschland
Knapp eineinhalb Jahre ist es her, dass der Afghanistaneinsatz scheiterte. Im August 2021 kam es zum überstürzten Abzug der internationalen Truppen – auch der deutschen – aus dem Land am Hindukusch. Kurze Zeit später fiel das Land wieder an die Taliban.
Gerade für Mädchen und Frauen ist das Leben seither wieder extrem schwierig. Unter den Taliban verlieren sie viele ihrer Freiheiten und Rechte. Erst im Dezember 2022 schockte die militante Gruppe mit einem Uni-Verbot für Frauen und Mädchen. Sie dürfen außerdem weder öffentliche Parks noch Fitnessstudios oder ähnliches besuchen.
Immer wieder machen die Taliban auch mit menschenfeindlichen Bestrafungen auf sich aufmerksam: Beispielsweise mit öffentlichen Auspeitschungen. Und nicht nur das militant-islamische Regime sorgt für ein gefährliches Klima im Land, sondern auch die Auswirkungen der vergangenen 40 Jahre Krieg. Immer wieder explodieren zum Beispiel Blindgänger.
Als die Taliban 2021 innerhalb weniger Tage die Kontrolle über das Land übernommen hatten, hat die deutsche Bundesregierung einen Abschiebestopp für Afghan:innen verhängt. Bis jetzt. Wie die "Bild am Sonntag" aus Sicherheitskreisen erfahren haben will, möchte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) prüfen lassen, wie Abschiebungen von Gefährder:innen möglich werden können.
Die Bundesregierung erkennt die Taliban nicht als rechtmäßige Regierung Afghanistans an. Um Abschiebungen durchzuführen, müssten Modalitäten wie die Ausstellung von Dokumenten und die konkreten Rückführungsverfahren mit Afghanistan geklärt werden, hieß es weiter.
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Grünen-Politiker mit herbem Vorwurf
Für Erik Marquardt (Grüne) ist dieser Vorstoß ein No-Go. Auf Twitter führt der Europapolitiker aus:
"Es ist angesichts der aktuellen Situation in Afghanistan rechtlich und organisatorisch völlig unrealistisch, Rückführungen nach Afghanistan zu den Taliban durchzuführen."
Was zunächst pragmatisch klinge, bedeute in der Praxis, dass Deutschland Verträge mit den Taliban schließen müsste. Damit, meint Marquardt, würde indirekt die Legitimität der Herrschaft anerkannt. Und nicht nur das. Die Bundesregierung müsste außerdem den Taliban vertrauen können, dass diese die Menschenrechte achten. Dazu gehöre auch das Folterverbot. "Ansonsten sind die Rückführungen Verbrechen", schreibt Marquardt.
Grünen-Politiker Erik Marquardt will von Abschiebungen nach Afghanistan nichts hören.bild: Marquardt
Der Grünen-Politiker äußert zudem eine weitere Befürchtung: "Wer Straftäter abschieben darf, darf grundsätzlich alle ausreisepflichtigen Personen zurückführen."
Es sei nicht hilfreich, meint er, etwas vorzuschlagen, von dem die Innenministerin wissen müsse, dass es nicht funktioniert. Ein solches Vorpreschen treibe Menschen in die Hände von Demokratiefeinden.
Marquardt äußert einen pikanten Verdacht, was hinter den Plänen der Ministerin steckt: "Deswegen kann ich mir nicht vorstellen, dass so ein populistischer Vorschlag wirklich mehr ist, als ein merkwürdiger Beitrag zum hessischen Wahlkampf."
"Das Bundesinnenministerium betreibt mit dem Auswärtigen Amt die schnellstmögliche Klärung dieser Fragen", zitiert die "Welt" aus Sicherheitskreisen. Der Vorstoß soll bei SPD und FDP Unterstützung finden – nur die Grünen gehen bislang auf die Barrikaden. "Dass das Bundesinnenministerium und das Auswärtige Amt dazu im Austausch sind, ist richtig und wichtig", zitiert die Zeitung den SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese.
Faeser ist mit ihrem Vorschlag also nicht allein. Womöglich bahnt sich in der Debatte aber ein weiterer Ampel-Streit an.
So langsam füllt sich Donald Trumps Wunschkabinett. Für viele wichtige Posten plant der designierte US-Präsident dabei mit Hardlinern. So will er etwa den Fox-News-Moderator Pete Hegseth zum Verteidigungsminister machen.