Deutschland muss schneller und mehr abschieben. Das zumindest meint Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einem Interview. "Es kommen zu viele", meint er. In Zukunft müssten die deutschen Grenzen wieder stärker kontrolliert werden.
Für die Grüne Jugend sind diese Aussagen des Kanzlers – dem Kopf der Ampelregierung, von der auch die Grünen ein Teil sind – offensichtlich nur schwer zu ertragen. Der ehemalige Bundessprecher Timon Dzienus macht bereits in der Eröffnungsrede des am Wochenende stattfindenden Bundeskongress deutlich: Er bekommt von solchen Aussagen das Kotzen.
Ähnlich geht es offensichtlich auch Tareq Alaows. Der Grünenpolitiker ist Aktivist und Referent bei der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. Auf dem Bundeskongress richtet er deshalb konkrete Forderungen an die Grünen-nahe Jugendorganisation.
Grund für den Ärger ist das Interview von Scholz mit dem "Spiegel". Darin erklärt er unter anderem:
"Ich verstehe nicht, warum die Grüne Führung da nicht schnell und vehement widerspricht", sagt Dzienus dazu im Gespräch mit watson. Und das erwartet wohl auch Alaows. In seinem Grußwort fordert er die Grüne Jugend auf, Druck auf die Regierung zu machen. Er stellt klar: "Die Bundesregierung nimmt ihre Verantwortung nicht an, daher ist es eure Aufgabe, diese Verantwortung anzunehmen und den Kurs der Regierung zu korrigieren."
Dafür bekommt Alaows viel Applaus. Was es brauche, meint der Pro-Asyl-Aktivist, sei ein Sondervermögen für Soziales, nur so könnten all die Projekte finanziert werden. Denn: "Wir müssen nicht im großen Stil abschieben, sondern im großen Stil Wohnungen bauen, im großen Stil Bildung stärken und im großen Stil den ÖPNV ausbauen." Die Jugendorganisation brauche Mut und Energie, um dieser Herausforderung gerecht zu werden.
Werde dieser Kampf aber nicht geführt, dürfte es aus Sicht des Aktivisten wohl bald dunkel werden. Alaows bringt als Beispiel Italien an, wo nicht nur Geflüchtete entrechtet würden, sondern auch arme Menschen unter der Regierung von Giorgia Meloni litten. In Italien wurde im Sommer die Sozialhilfe per SMS gekürzt.
Scheindebatten über Pull-Faktoren, meint Alaows, bringen nichts. Denn die Menschen kämen nicht wegen medizinischer Versorgung oder dem Leben im Geflüchtetenheim, sondern weil sie nicht sicher sind, wegen Kriegen oder politischer Verfolgung. Es handele sich also um Push-Faktoren als Auslöser der Fluchtbewegung.
Die frischgebackene Bundessprecherin Katharina Stolla macht nach dem Grußwort Alaows deutlich: Pro Asyl kann sich auf die Grüne Jugend verlassen. "Wir stehen an eurer Seite", sagt sie. Im Gespräch mit watson stellt Stolla klar: "Solange die Ampel unsoziale Politik macht, werden wir lautstark soziale Politik einfordern."