In den USA stehen die Midterms vor der Tür. Am 8. November wird die politische Landschaft Amerikas neu bestimmt. An der Zwischenwahl zeichnet sich ab, in welche Richtung sich das Land politisch bewegt. Derzeit gibt es zwei Hauptwege.
Demokratisch oder republikanisch.
Blau oder rot.
Innerhalb der roten republikanischen Partei gibt es mittlerweile eine Abzweigung. Den Pfad dazu hat der ehemalige Präsident Donald Trump eingetrampelt. Auf dem Wegweiser steht: MAGA. "Make Amerika Great again", Amerika wieder großartig machen. Trumps Anhänger:innen haben diesen Trampelpfad zu einem breiten Weg ausgebaut. Eine Marschroute – an deren Rand erzkonservatives, christlich nationalistisches, rassistisches sowie frauenfeindliches Gedankengut wuchert.
Eine Person nutzt ungebremst den MAGA-Highway als Sprungbrett für seine Karriere – vielleicht bis ins Weiße Haus.
Ronald Dion "Ron" DeSantis.
In Deutschland ist er bislang noch weitgehend unbekannt. Er versteht es, sich im Schatten seines Mentors Trump zu bewegen, bis sich die Scheinwerfer auf ihn richten.
"Umfragen zeigen, dass er bei der Basis der Republikaner inzwischen ähnlich beliebt ist wie Donald Trump", sagt Thomas Greven im Gespräch mit watson. Der Politikwissenschaftler ist Redakteur bei den "Blättern für deutsche und internationale Politik" und forscht an der Freien Universität Berlin. DeSantis, meint der USA-Experte, sei ein geschickter Kulturkämpfer, "der auf der Klaviatur der sozialkonservativen Reiz- und Mobilisierungsthemen" spielen könne.
Dazu nutze er die Migrationskrise populistisch aus – ähnlich wie Trump. "Zugleich ist er nicht nur jünger, sondern auch mit weniger Skandalen und anderen Vorgeschichten belastet", sagt Greven.
Nach seinem Lebenslauf zu urteilen, ist DeSantis ein wahrer Überflieger: erstklassiger Baseball-Spieler, Absolvent an den renommierten Universitäten Yale und Harvard, Offizier bei der US-Navy, ausgezeichneter Veteran mit dem Bronze-Star, Gouverneur von Florida. Kann er gar der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden?
Greven zufolge ist er in den Augen vieler ein potenzieller Nachfolger Trumps und ein geeigneter Präsidentschaftskandidat. Er sagt dazu:
DeSantis verdankt seinen politischen Aufstieg Trump.
2017 gehörte DeSantis zu den engsten und lautesten Unterstützer des damaligen Präsidenten. Dieser gab DeSantis Rückenwind, um 2018 für das Amt des Gouverneurs von Florida zu kandidieren.
Als Außenseiter überwand DeSantis den holprigen Start und gewann die Vorwahl der Republikaner mit Leichtigkeit. Darauf folgte ein harter Wahlkampf, den der Konservative DeSantis gegen den Demokraten Andrew Gillum schließlich gewann.
2019 trat DeSantis sein Amt als Gouverneur im "Sonnenscheinstaat" Florida an. Laut Greven verfolgt DeSantis eine extrem sozialkonservative und arbeitnehmerfeindliche Politik. Er sorgte daher auch schon bald mit umstrittenen Maßnahmen landesweit für Aufruhr.
Hier eine kleine Auswahl:
Nach Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 hielt er nicht viel von den Vorkehrungen zum Schutz gegen das Virus. Er hob die Beschränkungen viel früher als andere Gouverneure auf und sorgte immer wieder für Debatten mit seinen kontroversen Aussagen über die Pandemie.
Nach der Wahlniederlage von Trump bei der Präsidentschaftswahl 2020 äußerte sich DeSantis besorgt über mutmaßlichen Wahlbetrug. Darauf richtete er 2022 in Florida das "Office of Election Crimes and Security" samt einer "Election Police Force" ein. Befürchtungen wurden laut, dass diese "Wahlpolizei" zur Unterdrückung von Minderheitenstimmen missbraucht werde. So kam es bereits zur Verhaftung von 20 Personen wegen vermeintlichen Wahlbetruges.
Diesen Amerikaner:innen drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis, weil sie sich angeblich illegal registriert und damit unerlaubt gewählt haben. In Florida gibt es ein Gesetz, das Personen, die wegen Mordes oder Sexualstraftaten verurteilt wurden, das Wählen untersagt – auch nachdem sie ihre Strafe verbüßt haben. 2018 gab es dazu eine Verfassungsänderung im Bundesstaat, die vielen Schwerverbrechern das Wahlrecht zurückgab, diese Gruppe allerdings ausschloss.
Die Aufnahmen der Polizeikamera zeigen, dass die festgenommenen Bürger:innen Floridas nicht wussten, dass sie von der Gesetzesänderung ausgenommen waren.
Einer davon ist Tony Patterson, der im August vor seinem Haus in Tampa verhaftet wurde. Er konnte den Grund nicht glauben. "Was ist los mit diesem Staat?", sagt Patterson, während ein Polizist ihn in Handschellen zum Polizeiauto eskortiert. "Wahlbetrug? Sie sagten alle, jeder mit einem Verbrechen könne wählen."
Laut der Tageszeitung "Tampa Bay Times" sind unter den festgenommenen Personen überwiegend Demokrat:innen, darunter viele Afroamerikaner:innen.
Seit Juli 2022 gilt an den Schulen Floridas das umstrittene "Don't Say Gay" Gesetz. Es untersagt, Diskussionen über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität zu führen. Mittlerweile ist es auch legal, Lehrer:innen zu kündigen, sobald sie die Vorschriften nicht einhalten. Damit verbannt DeSantis die Aufklärung sowie Beratungsstellen über LGBTQ-Themen aus den Schulen – angeblich zum Schutze der Kinder.
Mit dieser Maßnahme spricht er vor allem seine rechtskonservative, christliche Wählerschaft an. Das Narrativ "Schützt die Kinder" wird vor allem von den christlichen Nationalist:innen in den USA aufgenommen. Doch auch auf die Frauenrechte hat man es abgesehen.
Nachdem der Supreme Court das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche gekippt hatte, führte DeSantis das Abtreibungsverbot in Florida ein – selbst bei einer Schwangerschaft durch Vergewaltigung und Inzest. Highschool-Athletinnen in Florida sind zudem verpflichtet, Angaben über ihren Menstruationszyklus preiszugeben. Diese sensiblen Daten werden von einem Drittanbieter-Tracker gespeichert. Journalist:innen und Eltern äußerten sich besorgt um die Privatsphäre der Frauen.
Laut Greven nutzt DeSantis die Migrationskrise populistisch aus, indem er beispielsweise medienwirksam Migrant:innen nach Martha's Vinyard in Massachusetts ausfliegen ließ. Ziel war es, die dort lebenden wohlhabenden Menschen – mutmaßlich mehrheitlich Demokraten – bloßzustellen. In den eigenen Reihen wurde er für die PR-Aktion gefeiert.
Ob DeSantis bei der kommenden Präsidentschaftswahl kandidiert, hängt Greven zufolge davon ab, ob Trump selbst antritt. Auf eine innerparteiliche Auseinandersetzung werde es DeSantis möglicherweise nicht ankommen lassen. "Er ist jung genug, um später auf seine Chance zu setzen", sagt der USA-Experte.
Diese Chance schätzt Greven als vielversprechend ein:
Doch zunächst muss sich DeSantis erneut der Wahl zum Gouverneur stellen. Am 8. November im Zuge der Midterms tritt er gegen den Demokraten Charlie Crist an. Aktuelle Umfragen zufolge liegt DeSantis in Führung – ein nicht aufzuhaltender Überflieger, der bald in Trumps Fußstapfen treten könnte.