In zwei Wochen wird in Frankreich das Staatsoberhaupt gewählt. In den Umfragen liegt der amtierende Präsident Emmanuel Macron vorne.Bild: imago images / imago images
Analyse
Der französische Staatschef Emmanuel Macron versucht sich im Krieg zwischen Russland und der Ukraine als Vermittler. Anfang der vergangenen Woche hatte Macron sowohl mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin als auch mit dem ukrainischen Staatsoberhaupt Wolodomyr Selenskyj telefoniert. Mit Putin soll Macron unter anderem über Bedingungen für einen Waffenstillstand gesprochen haben.
Die Gespräche fallen in die Zeit der heißen Wahlkampf-Phase in Frankreich. In rund zwei Wochen steht dort die erste Runde der Präsidentschaftswahlen an.
Macron, seit 2017 französischer Präsident und Gründer der liberalen Partei "La République en Marche", bewirbt sich um eine zweite Amtszeit. Seine aussichtsreichste Gegenkandidatin ist laut Umfrage die stramm rechte Marine Le Pen, Chefin der Partei "Rassemblement National". Macron hatte sie 2017 in der Stichwahl deutlich hinter sich gelassen.
Was bedeutet Macrons diplomatische Initiative für den Wahlkampf? Kann sie ernsthaft dazu beitragen, den russischen Angriffskrieg zu beenden?
Macron in Umfragen vor Le Pen
Bereits 2017 traten Macron und Le Pen in einer Stichwahl gegeneinander an. Das Szenario könnte sich diesmal wiederholen. Auch wenn Macron aktuellen Umfragewerten zufolge recht wahrscheinlich als Sieger daraus hervorgehen würde: Jeder noch so kleine diplomatische Erfolg, der ein Ende des russischen Kriegs gegen die Ukraine näher bringt, könnte seinen momentanen Vorsprung ausbauen.
Marine Le Pen liegt in Umfragen aktuell auf Platz zwei.Bild: imago images / imago images
Die Kandidatinnen und Kandidaten anderer Parteien sind momentan zu weit abgeschlagen, um sich realistische Chancen auf die Präsidentschaft ausrechnen zu können: Auf Platz drei in den Umfragen liegt der Linken-Politiker Jean-Luc Mélenchon, hinter ihm die Konservative Valérie Pécresse und der Rechtsextreme Éric Zemmour.
Frankreich lässt militärisch die Muskeln spielen
Bereits Anfang März – wenige Tage nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine – hatten der französische und der russische Präsident lange telefoniert. Putin gab bei dem zweistündigen Gespräch der Ukraine die Schuld an der militärischen Eskalation – eine Behauptung, für die es keinerlei glaubwürdige Grundlage gibt. Fakt ist, dass das russische Regime die Invasion der Ukraine einseitig beschlossen und verkündet hat.
Die Telefonate Macrons mit Putin haben bisher zu keinem greifbaren Ergebnis geführt.
Frankreich, neben Großbritannien einer von zwei europäischen Nato-Staaten mit eigenen Atomwaffen, lässt indessen militärisch die Muskeln spielen. Am vergangenen Donnerstag wurde bekannt, dass Frankreich erfolgreich Tests mit atomar bestückbaren Mittelstreckenraketen durchgeführt hat. Dabei seien Luft-Boden-Mittelstreckenraketen getestet worden, teilte das französische Verteidigungsministerium mit.
Das Rüstungsprogramm entspreche dem Willen von Präsident Emmanuel Macron, "die operative Glaubwürdigkeit der Streitkräfte auf dem vom internationalen Umfeld geforderten Niveau aufrechtzuerhalten", meldet die Nachrichtenagentur dpa.
Nun soll den Angaben zufolge eine Serienproduktion der Waffe starten, mit der die nuklearen See- und Luftstreitkräfte, und die Marine bewaffnet werden sollen.
Französische Kampfjets auf dem Flugzeugträger "Charles de Gaulle".Bild: ap / Petros Karadjias
Zudem ist der französische Flugzeugträger "Charles de Gaulle" in einer Bucht in der Nähe des griechischen Hafens von Piräus angekommen. Dort blieb er anlässlich des griechischen Nationalfeiertags für einige Tage.
Schon seit Beginn des Krieges zwischen Russland und der Ukraine 2014 zeigt Frankreich Präsenz im Osten des Nato-Bündnisgebietes.
Unterdessen hat die Nato angekündigt, ihre militärische Präsenz in den Mitgliedsländern im Osten weiter aufstocken. Bei einem Sondergipfel am vergangenen Donnerstag beschlossen die Staats- und Regierungschefs, acht "Battlegroups" in die Mitgliedsländer Rumänien, Bulgarien, Ungarn und in die Slowakei zu entsenden. Damit verdoppelt sich das Kontingent.
Nach der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland 2014 hatte die Nato die ersten vier Verbände zum Schutz von in Polen, Litauen, Lettland und Estland geschickt. Deren Aufstockung solle verdeutlichen, dass ein Angriff auf einen Verbündeten "als Angriff auf die gesamte Allianz eingeschätzt würde", wie es in einer aktuellen Erklärung heißt.
Aus Sicht der ukrainischen Regierung reichen die französischen Bemühungen aber nicht, um das Land im Verteidigungskampf zu stärken. Präsident Selenskyj forderte Frankreich auf, mehr Druck auf Russland auszuüben. In einer per Video übertragenen Rede vor dem französischen Parlament forderte er französische Firmen zum Verlassen Russlands auf.
Wolodomyr Selenskyj bei seiner Video-Rede vor dem französischen Parlament.Bild: imago images / IMAGO/Bernard Albrecht
Mehrere französische Firmen haben das bereits getan. Aber es gibt weiterhin Unternehmen aus dem Land, die in Russland aktiv bleiben: Zu ihnen gehört die Baumarktkette Leroy Merlin, die in den vergangenen Wochen mehrfach betont hat, im Land bleiben zu wollen. Das sorgt gerade in Frankreich für viel Kritik sorgt, weil die russischen 143 Filialen der Kette mit den auf ihren Umsatz gezahlten Steuern weiter den russischen Staatshaushalt mitfinanzieren.
Anfang letzter Woche traf ein russischer Bombenangriff die Leroy-Merlin-Filiale in Kiew und tötete dort einen Angestellten. Das ukrainische Verteidigungsministerium schrieb daraufhin auf Twitter, Leroy Merlin sei das erste Unternehmen auf der Welt, das Bomben auf die eigenen Filialen und die Tötung der eigenen Angestellten finanziere.
Der ukrainische Präsident Selenskyj forderte von Frankreich außerdem mehr Rückendeckung für einen Beitritt seines Landes zur Europäischen Union. Frankreich, das noch bis Ende Juni die EU-Ratspräsidentschaft innehat, solle den Beitritt unterstützen. Dies sei eine historische Entscheidung in einem historischen Moment.
Eine Eskalation wäre für den Präsidenten ein Problem
Die doppelte Rolle – zum einen Vermittler zwischen Moskau und Kiew, zum anderen Kopf einer Militärmacht, die zum Nato-Bündnis gehört – ist für Emmanuel Macron bei allen guten Aussichten nicht ohne Risiko. Der Krieg ist in vollem Gange, eine weitere Eskalation könnte Frankreich unter Zugzwang bringen.
So populär Friedensbemühungen und Bündnissolidarität in der Bevölkerung sein mögen – ein aktives militärisches Eingreifen in den Konflikt dürfte es so kurz vor der Wahl nicht sein. Auch, weil rasche Erfolge gegen einen unberechenbaren Kreml keineswegs gesichert sind.
Die erste Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahl findet am 10. April statt, die Stichwahl fiele auf den 24. April.
Sollte es zu einer Stichwahl kommen, sieht das Meinungsforschungsinstitut IFOP Frankreich momentan als knappen Sieger gegen seine wahrscheinlichste Rivalin Le Pen – mit 54 zu 46 Prozent.
(mit dpa)
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