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USA: Hat Biden nach dem Trump-Attentat die US-Wahl 2024 schon verloren?

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Nach dem Attentat auf Donald Trump sind sich einige Journalist:innen sicher, Joe Biden verliere damit die US-Wahl 2024.Bild: imago images / Beata Zawrzel
Analyse

US-Wahl 2024: Hat Biden nach Trump-Attentat schon verloren? Experte ordnet ein

15.07.2024, 19:31
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Es sind Bilder, die zukünftige Geschichtsbücher füllen werden. Ein versuchter Mordanschlag auf den Ex-Präsidenten Donald Trump, der zur US-Wahl 2024 antritt. Kurz nach dem Angriff erhebt sich der 78-Jährige blutverschmiert vom Boden, der Secret Service schirmt ihn ab und er hebt kämpferisch die Faust gen Himmel – im Hintergrund weht noch eine US-Flagge.

Damit ist ein ikonisches Foto entstanden, das um die Welt geht und von Trumps Anhängerschaft gefeiert wird. Der Republikaner ist sich der Macht der Aufnahme bewusst.

News Bilder des Tages 240714 -- PENNSYLVANIA , July 14, 2024 -- This video screenshot shows former U.S. President Donald Trump being helped off the stage at a rally in Butler, Pennsylvania of the Unit ...
Während der Secret Service Donald Trump in Sicherheit bringen wollte, entstand ein ikonisches Foto.Bild: imago images / Xinhua

"Viele Leute sagen, es sei das ikonischste Foto, das sie je gesehen haben", sagt Trump im Gespräch mit "New York Post". "Sie haben Recht, und ich bin nicht gestorben. Normalerweise muss man sterben, um ein ikonisches Bild zu haben."

Das Foto verbreitete sich wie ein Lauffeuer und Journalist:innen verkünden: Trump habe den Sieg der US-Wahl so gut wie in der Tasche. "Das Bild von Trumps Faust wird diese US-Wahl entscheiden", titelt etwa der "Stern". Das Attentat sei demnach ein traumhaftes politisches Geschenk für den "Medien-Meister" Trump.

Auch in anderen Medien oder bei der alltäglichen U-Bahn-Fahrt liest und hört man den Satz: "Damit ist die US-Wahl entschieden." Doch ist das wirklich so?

Trump-Attentat und die US-Wahl: Experte ordnet Folgen ein

"Überhaupt nicht", meint USA-Experte Thomas Greven auf watson-Anfrage. Denn: "In knapp vier Monaten kann noch sehr viel passieren", führt der Politikwissenschaftler vom Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin aus. In anderen Worten: Es ist noch gar nichts entschieden – auch nicht mit Trumps "ikonischstem Foto".

Laut Greven wird der versuchte Mordanschlag auf Trump keinen maßgebenden Einfluss auf das Wahlverhalten der US-Amerikaner:innen nehmen. "Sie haben sich ihre Meinung längst gebildet. Aber die Trump-Basis wird weiter mobilisiert, und zumindest kurzfristig genießt Trump einen Sympathiebonus bei Unentschlossenen und Wechselwählern – aber ob der bis November hält?"

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Allerdings bringe das Trump-Attentat Biden in eine "schwierige Lage".

USA: Trump-Anhänger schieben Biden Schuld zu

Die Kritik am Secret Service ist groß und die Frage steht im Raum: Wie konnte all das überhaupt geschehen. "Normal trägt Biden die Verantwortung für den Secret Service, auf den die Republikaner jetzt wütend sind", sagt Greven. Einige verbreiten Verschwörungserzählungen über einen aus dem Weißen Haus gesteuerten Plot, Trump angeblich aus dem Weg zu räumen.

"Trump braucht (Tod-)Feinde, nicht politische Gegner, mit denen man vernünftig diskutiert."
USA-Experte Thomas Greven

"Bidens Aufforderungen zur Mäßigung, zur Versöhnung, werden mutmaßlich verpuffen, weil sie von der Gegenseite überhaupt nicht gehört werden", führt der Experte aus. Ihm zufolge sind die US-Amerikaner:innen – auch medial – in den "Silos" gefangen, aus denen sie laut Biden heraustreten sollen.

In diesem Fall käme es auf Trump an, aber Greven bezweifle, dass er zur Versöhnung und zur Mäßigung überhaupt in der Lage sei. Zumindest ruft Trump zur Einheit auf und verkündet, er habe seine Rede für den am Montag begonnen Parteitag der Republikaner umgeschrieben. Zunächst wollte er auf Biden einhämmern, jetzt sollen seine Worte dem gerecht werden, was die Geschichte verlange.

Trump setzt sich als Versöhner in Szene – ein ungewohntes Bild. US-Expert:innen sehen darin durchaus eine Taktik, den Mordanschlag auf ihn bestmöglich für sich zu nutzen.

Auch Greven führt aus: Sein Instinkt sei am Ende die kämpferische Pose ("fight", "fight" und die Faust) und "dafür braucht Trump (Tod-)Feinde, nicht politische Gegner, mit denen man vernünftig diskutiert und Kompromisse aushandelt".

13.07.2024, USA, Butler: Der ehemalige US-Präsident Donald Trump reagiert nach einem Attentat auf einer Wahlkampfveranstaltung. Foto: Gene J. Puskar/AP +++ dpa-Bildfunk +++
Donald Trump hält die Faust in die Luft kurz nach dem Attentat auf ihn. Bild: AP / Gene J. Puskar

Grevens Einschätzung nach wird die politische Gewalt in den USA nicht so bald abbrechen.

Politische Gewalt schaukelt sich in den USA weiter hoch

Umfragen zeigen seit längerem, dass die Bereitschaft zur politischen Gewalt angestiegen sei und weiter steige; insbesondere auf Seiten der Republikaner, meint Greven. "Das ist auch kein Wunder, wenn das politische Spitzenpersonal um Trump ständig apokalyptische Bilder bemüht, wenn es um die Demokraten geht."

Die Dämonisierung der Demokraten sei seit Jahrzehnten Teil des politischen Repertoires. Gleichzeitig überrascht es den Experten nicht, dass die Bereitschaft zur politischen Gewalt bei den Linken im Land ebenfalls ansteige – "allerdings auf niedrigerem Niveau und mit deutlich weniger Waffen".

Schließlich versprechen Trump und seine "Spießgesellen" für eine zweite Präsidentschaft einen Rachefeldzug gegen politische Gegner und formulieren eine "autokratische Vision".

Jüngst stand dazu das "Project 2025" im Fokus. Es wird von der rechtsgerichteten, konservativen "Heritage Foundation" organisiert und dient als Anleitung eines rigorosen Staatsumbaus zur Autokratie unter Trump als US-Präsident.

Auf der anderen Seite wirft auch Trump seinem Kontrahenten Biden vor, er sei eine Gefahr für die Demokratie. Auf Trumps Wahlkampf-Website heißt es: Die Demokraten setzen das Justizsystem angeblich gegen ihre politischen Gegner ein und versuchen, Trump aus dem Wahlkampf zu drängen. Der Vorwurf wortwörtlich: "Biden ist eine Bedrohung für die Demokratie."

Dabei warnen US-Expert:innen, dass der verurteilte Straftäter und "Möchtegern-Autokrat" die Demokratie der USA weiter aushöhlen werde.

USA: Prominenter Trump-Fan wirbt versehentlich für Harris

Die politische Kultur in den Vereinigten Staaten ist traditionell in zwei Lager gespalten. Die Rivalität zwischen Demokraten und Republikanern ist seit fast 200 Jahren in Stein gemeißelt. Deshalb ist die Zugehörigkeit zu einem der politischen Lager fester Bestandteil der amerikanischen Gesellschaft. Auch Prominente ordnen sich der binären politischen Ordnung vielfach unter.

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