Zeigt sich bereits siegessicher: Donald Trump will wieder zur US-Präsidentschaftswahl antreten, doch dazu muss er die Vorwahlen der Republikaner gewinnen.Bild: AP / Stefan Jeremiah
Analyse
16.01.2024, 19:1816.01.2024, 19:41
Auf die USA rollt mit 2024 ein ereignisreiches Jahr zu. Das Land wählt einen neuen Präsidenten. Für die Demokraten wirft Joe Biden erneut den Hut in den Ring. Parteiinterne Herausforder:innen werden ihm bei den Vorwahlen kaum in die Quere kommen.
Bei Donald Trump sieht das spannender aus. Denn eine Republikanerin sorgt mit ihrer derzeitigen Aufholjagd für Aufregung: Nikki Haley. Sie arbeitet sich in den vergangenen Wochen unermüdlich in den Umfragen nach vorne.
Die Republikanerin Nikki Haley könnte Trump auf den letzten Metern noch ein Bein stellen.Bild: AP / Abbie Parr
Vor allem in New Hampshire sitzt sie Trump unbequem im Nacken. Aktuelle Umfragen zeigen: Haley legt kräftig zu. In diesem US-Bundesstaat finden am 23. Januar die Vorwahlen der Republikaner statt. Die ersten gab es bereits am Montag in dem tief konservativen, religiösen US-Bundesstaat Iowa – mit einem (nicht überraschenden) Sieg für Trump.
Der Ex-Präsident lag deutlich vorne und holte rund 50 Prozent der Stimmen. Um den zweiten Platz kämpften Ron DeSantis und Haley, wobei DeSantis knapp vorne lag. Ein Achtungserfolg, den DeSantis bitter nötig hat.
Denn laut Expert:innen verdankt Haley ihren jüngsten Höhenflug vor allem ihrem republikanischen Mitstreiter DeSantis.
Haley profitiert von der Schwäche von DeSantis
"Das Feld der Konkurrenten dünnt sich aus und der einstige Hoffnungsträger für einen Neuanfang nach Trump, Ron DeSantis, hat nicht überzeugt. Haley profitiert davon", sagt Thomas Greven auf watson-Anfrage. Er ist Privatdozent für Politikwissenschaft am Kennedy-Institut der FU Berlin.
Eine Annahme, die auch die USA-Experten Dominik Tolksdorf von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sowie der Direktor des Transatlantic Networks, Andrew Denison, teilen.
Ron DeSantis galt als besonders erfolgsversprechend, dann kam der tiefe Fall. Bild: AP / Charlie Neibergall
DeSantis, der "Trump mit Gehirn", galt lange als heißer Favorit, der eine neue Ära der republikanischen Partei einläuten sollte. Doch er hat offensichtlich seine Karten verspielt. Haley lasse DeSantis in den Umfragen hinter sich, nun scheidet Konkurrent Chris Christie aus dem Rennen aus, der ein ähnliches Profil wie die Republikanerin habe, meint Tolksdorf. "Davon kann sie vor allem in New Hampshire profitieren, während DeSantis besser in Iowa abschneidet."
Trump feiert seinen Erfolg in Iowa, aber das war nur eine Vorwahl von vielen. Kann Haley noch ein Momentum auslösen und Trump ins Aus schießen?
Haley braucht jetzt gute Ergebnisse in New Hampshire und South Carolina
Laut Tolksdorf hätte Haley dazu in Iowa zumindest einen Achtungserfolg einholen müssen, idealerweise sogar vor DeSantis. Nun bleibe abzuwarten, ob sie in New Hampshire die Vorwahlen gewinnt oder Trump sehr nahekommt, um dann möglicherweise Anfang Februar in ihrem Heimatstaat South Carolina ein sehr gutes Ergebnis zu erzielen.
"Spätestens am Super Tuesday Anfang März müsste Haley aber einige Bundestaaten gewinnen, um gegen Trump reelle Chancen zu haben", sagt Tolksdorf. Danach könnte sie eventuell auch von den laufenden Gerichtsverfahren gegen Trump profitieren, die in den nächsten Monaten weiter an Fahrt aufnehmen, führt er aus.
Zumindest wittert wohl auch Ex-Präsident Trump Gefahr von Haley und fährt seine Krallen aus.
Donald Trump im Gericht: Der Ex-Präsident hat einige Anklagen am Hals.Bild: Pool Reuters / Shannon Stapleton
Trump stellt etwa ihr Recht als Tochter indischer Einwanderer infrage, überhaupt bei den US-Wahlen antreten zu dürfen. "Trump kramt die gleiche 'birther'-Verschwörungserzählung aus, die er schon als Privatmann gegen Obama verwendet hat", sagt Greven. Ein Beweis dafür, dass er sie als Bedrohung ernst nehme.
Aber auch Haley geht aus der Deckung hervor und traut sich, Trump offen zu kritisieren. Dabei war die 51-Jährige einst eine enge Vertraute Trumps, arbeitete 2017 als UN-Botschafterin in seiner Regierung.
Einst Verbündete, heute politische Gegner: Nikki Haley und Donald Trump.Bild: imago stock&people / Mark Wilson
Haley übt offen Kritik an Trump
Haley versuche, sich gegenüber den republikanischen Wähler:innen als die seriöse Alternative zu Trump darzustellen, sagt Tolksdorf. Er führt aus:
"Sie kritisiert Trumps chaotische Regierungszeit und seinen erratischen Politikstil. Sie verspricht dagegen eine geordnete Regierungsführung und strategische Politik, um konservative Politikziele durchzusetzen, falls sie gewählt wird – etwas, nach dem sich viele vor allem moderatere republikanische Wähler sehnen."
Dennoch: So scharf wie Chris Christie habe Haley Trump bisher nicht kritisiert, betont Greven. Er führt aus: "Ihr nuancierter Abgrenzungskurs – vor allem im Vergleich zu DeSantis, der im Prinzip nur ein jüngerer Trump sein will, dem dafür aber das Charisma fehlt – scheint zu verfangen."
"Haley versucht, Trump zu kritisieren, ohne ihn zu 'kritisieren', lobt ihn für das, was er dem Land gebracht hat, bedauert aber, dass mit ihm unweigerlich, wenn auch nicht durch seine Schuld, Chaos folgen wird", sagt Denison.
"Nikki Haley könnte Joe Biden den Wahlsieg kosten."
US-Experte Andrew Denison
Tolksdorf zufolge punktet Haley mit dieser Taktik vor allem unter gemäßigteren Wähler:innen, insbesondere Republikanern mit höherem Bildungsabschluss und höherem Einkommen. "Diesen Wählern gegenüber argumentiert Haley, dass sie bessere Chancen als Trump hätte, im November gegen Biden zu gewinnen, da Trump viel zu polarisierend ist, um noch einmal gewählt zu werden", sagt er.
Haley hätte wohl die besseren Chancen gegen Joe Biden
Laut den Ergebnissen einer Umfrage des Wall Street Journal vom Dezember hätte Haley tatsächlich im Rennen gegen Biden einen Vorsprung, während es bei einem Rennen zwischen Biden und Trump eher ausgeglichen sei, führt Tolksdorf aus.
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Auch unter unabhängigen Wähler:innen, die sich also weder den Demokraten noch Republikanern zugehörig fühlen, könnte Haley bei den Wahlen im November ein stärkeres Ergebnis als Trump einholen. "Was in einigen Swing States relevant sein könnte", meint der USA-Experte.
Auch der US-Amerikaner Denison führt aus: "Nikki Haley könnte Joe Biden den Wahlsieg kosten." Allerdings müsse dazu Trump seine Unterstützung unter den Republikanern verlieren. Aktuell sei Haley jedoch höchstens für ein Drittel der Republikaner eine Alternative. Greven zufolge werde es wohl für mehr als Platz zwei für Haley nicht reichen.
Joe Biden tritt erneut an und will sein Amt als US-Präsident für die Demokraten behalten.Bild: imago images / Kyle Mazza
Tolksdorf hebt dabei hervor: "Haley hat zwar in den Umfragen zugelegt, liegt in vielen US-Bundesstaaten aber noch weiter hinter Trump – mit Ausnahme von eben New Hampshire." Sollte Trump auch dort einen Sieg einholen, sieht es für Haley schlecht aus.
Käme sie im Falle einer Niederlage dann noch als Trumps Running Mate, also als Vize-Präsidentin, in Frage?
Trump und Haley könnten auch als Duo ins Weiße Haus einziehen
Tolksdorf meint: prinzipiell schon. "Allerdings hat Haley auch Gelder von Großspendern angenommen, die sich gegen Trump ausgesprochen haben." Zudem gebe es ausreichend andere Kandidat:innen, die als Trumps Running Mate gut in Frage kämen.
Auch Greven rechnet Haley Chancen als Vize-Präsidentin an Trumps Seite zu, allerdings "nur, wenn sie bereit wäre, zu Kreuze zu kriechen und seinen Ring zu küssen."
Laut Denison ist die Sache klar: Haley wird nicht Trumps Running Mate. "Er vergisst nie seinen Gegner und sie ist ihm nicht radikal genug. Es heißt, Trump habe die Nase voll von den sogenannten 'Vernünftigen', die ihn im Zaum halten sollen."