Die Welt blickt in den Nahen Osten. Der direkte Angriff der Islamischen Republik auf Israel könnte laut Expertenstimmen eine Eskalationsspirale in Gang setzen und damit einen Flächenbrand in der Region entfachen.
Damit könnte der Nahostkrieg einen großen Schatten über den Ukraine-Krieg werfen. Schon jetzt versuchen die USA an beiden Fronten auszuhelfen: Das führte bereits zu innenpolitischen Machtkämpfen. So bremsen etwa die rechten sowie Trump-treuen Hardliner das milliardenschwere Hilfspaket für die Ukraine im US-Repräsentantenhaus aus.
Dabei braucht die von Russland angegriffene Ukraine händeringend weitere Unterstützung.
Eine weitere Eskalation zwischen Israel und dem Mullah-Regime könnte aber auch Auswirkung auf den Aggressor Russland nehmen. Schließlich nutzt das russische Militär etwa iranische Shahed-Drohnen, die Teheran am Samstag auch in Israel einsetzte.
Doch würde Russland auch der Islamischen Republik zur Hilfe eilen, sollte die Lage weiter eskalieren?
Laut dem Osteuropa-Experten Andreas Umland ist das in der Tat eine knifflige Frage. "Traditionell war das Verhältnis zwischen dem postsowjetischen Russland und Israel relativ gut", sagt er auf watson-Anfrage.
Moskau laufe Gefahr, die bislang eher neutrale Stellung Tel Avivs zum russischen Angriffskrieg zu verschieben. "Gegebenenfalls könnte Israel beginnen, die Ukraine stärker als bislang zu unterstützen", meint der Analyst des Stockholm Centre for Eastern European Studies.
Politikwissenschaftler Stefan Meister betont hier: "Iran ist kein Freund Russlands, es ist ein Verbündeter auf Zeit, um Russland im Krieg gegen die Ukraine zu stärken." Laut ihm wird sich der Kreml hüten, sich in diesen Krieg einzumischen und Teheran kaum helfen.
"Beide Länder wollen die USA weltweit schwächen, aber sie konkurrieren auch in vielen Bereichen und trauen sich gegenseitig nicht", sagt der Russland-Experte von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) auf watson-Anfrage.
Eine weitere Eskalation in Nahost könnte laut Meister zu zwei Szenarien für die Ukraine führen:
Umland hält sich mit einer Prognose hingegen zurück. Über konkrete Auswirkungen lasse sich nur spekulieren, da die genaue Positionierung von Drittländern zu solch einer Eskalation noch offen sei, meint er. "Aber was sich heute bereits abzeichnet, ist ein neuer Kalter Krieg mit heißen Regionalkonflikten zwischen Demokratien und Autokratien im 21. Jahrhundert."
Was ein Flächenbrand in Nahost für die Ukraine bedeute sei schwer eindeutig zu beantworten, "da es eine endlose Zahl möglicher Interaktionen außen- und innenpolitischer Kräfte und Faktoren gibt", führt Umland aus. Oberflächlich betrachtet, wäre ein großer Krieg im Nahen Osten eine Ablenkung des Westens von der Unterstützung für die Ukraine und damit von Vorteil für Russland.
Doch am Ende schaffe die Kooperation etwa des Irans, Syriens, der Hamas mit Russland eine Verbindung des Angriffskrieges gegen die Ukraine mit nahöstlicher Eskalation. "Eine daraus erwachsende neue Frontstellung zwischen Ost und West erweitert die Dimension des Krieges in Osteuropa zum Teilaspekt einer transkontinentalen Konfrontation", sagt Umland.
Eine solche Internationalisierung der bislang als national verstandenen ukrainischen Selbstverteidigung könne für Kiews Verhältnis zum Westen und damit für die ukrainische Kriegsführung von Vorteil sein. "Hält Russland im Falle eines Flächenbrandes an seinen informellen Allianzen in Nahost fest, erzeugt es damit Gegenkräfte – ob nun in Asien, Europa oder Amerika – die der Ukraine in ihrem Verteidigungskampf nützen können", meint der politische Analyst.