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Nach Rückschlag in der Ukraine: Russische Propagandisten zelebrieren den Tod

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Sterben für Putins "Mission"? Russische Propagandisten verbreiten diese Denkweise zumindest.Bild: Pool Sputnik Kremlin / Mikhail Klimentyev
Analyse

Nach Rückschlag in der Ukraine: Russische Propagandisten zelebrieren den Tod

Bei einem ukrainischen Angriff an Neujahr starben dutzende – wenn nicht hunderte – russische Soldaten. Es ist einer der größten russischen Verluste in einem einzigen Kriegsereignis. Dies verleitet russische Propagandisten zu einer neuen Rhetorik: das Feiern des Todes.
06.01.2023, 13:23
Salome Woerlen / watson.ch
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In der Nacht vom 31. Dezember auf den 1. Januar forderte ein ukrainischer Angriff in Makijiwka möglicherweise hunderte von russischen Toten. Während die Ukraine von 400 toten russischen Soldaten sprach, bestätigte Russland zunächst nur deren 63. Am Dienstagabend wurde die Zahl dann nach oben, auf 89, korrigiert.

Laut dem russischen Generalleutnant Sergej Sewrjukow seien die Ukrainer nur auf das nun völlig zerstörte Gebäude aufmerksam geworden, weil die russischen Soldaten ihre Handys benutzt hätten. Die Opfer seien selbst schuld.

"Das Leben wird völlig überbewertet."
Kreml-Propagandist Wladimir Solowjow

Der Generalleutnant bedient sich hier der Rhetorik der Schuldabwälzung. Es ist ein Versuch, den schweren Schlag gegen Russland zu relativieren. Dasselbe versucht auch Kreml-Propagandist Wladimir Solowjow. Allerdings schlägt er dafür eine andere Route ein. Im russischen Staats-TV spielt er am Montag den Tod herunter und sagt schlicht: "Das Leben wird völlig überbewertet."

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Kreml-Propagandist Wladimir Solowjow spielt den Angriff der ukrainischen Armee herunter.Bild: www.imago-images.de / SNA

Er habe mit dem Kriegshelden, dem General Apti Alaudinov, gesprochen. Er habe ihn gefragt: "Fürchtest du dich vor dem Tod?" Daraufhin habe dieser geantwortet, dass er ein religiöser Mann sei und deswegen den Tod gar nicht fürchten könne. Und weiter: "Ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich habe Angst davor, Menschen zu enttäuschen."

Solowjow stimmt der Meinung des Kriegshelden zu und knüpft an:

"Warum sollte man sich vor dem Unvermeidlichen fürchten? Außerdem werden wir in den Himmel kommen. Der Tod ist das Ende eines irdischen Weges und der Anfang eines anderen."

An wen dieser ganze Monolog gerichtet war, kommt vor allem bei der folgenden Aussage zum Ausdruck:

"Davor Angst zu haben? Und das deine Entscheidung beeinflussen zu lassen?"

Solowjow sorgt sich – um nicht zu sagen, fürchtet sich – offensichtlich davor, dass sich kampffähige Russen von solchen Rückschlägen wie in Makijiwka verunsichern lassen. Schon die Teilmobilisierung war sehr harzig verlaufen und die vielen Todesmeldungen bestätigen die Befürchtung vieler Soldaten, dass sie bloß als Kanonenfutter in die Ukraine geschickt würden.

"Und wenn auch!", denkt sich wohl Solowjow. Mit seinen Aussagen möchte er den Russen den Märtyrertod schmackhaft machen: "Es lohnt sich nur für etwas zu leben, für das man sterben kann, so sollte es auch sein."

Witwen-Gruppe stolz auf tote Männer

Bereits gestorben sind die Männer der "Soldaten-Witwen Russlands". Die Frauen der bisher nicht bekannten Gruppe sind stolz auf den Einsatz ihrer verstorbenen Männer, fordern aber weitere Maßnahmen von Putin. Ihr Appell verbreitet sich derzeit in den sozialen Medien.

In ihrer Telegram-Gruppe – die erst seit einem Monat existiert – schreiben sie:

"Wir bitten unseren Präsidenten Wladimir Wladimirowitsch Putin, der russischen Armee eine groß angelegte Mobilisierung zu erlauben."

Zudem soll allen kriegsfähigen Männern das Verlassen des Landes verboten werden. Sie hätten das volle moralische Recht, dies vom Präsidenten einzufordern, so die Gruppe.

"Unsere Männer sind gestorben, um diese Männer zu schützen, aber wer wird uns schützen, wenn sie weglaufen?"

Weiter wünschen sie sich, dass sich Putin an Stalin ein Vorbild nimmt. Dieser habe sich nämlich bei seinem Streben nach dem Sieg nicht um irgendwelche Einschätzungen oder die Unzufriedenheit von Dissidenten gekümmert.

Gegenüber Reuters erklären sie, dass sie ihre Arbeit vor etwa zwei Monaten begonnen hätten, um die Frauen von gefallenen russischen Soldaten zu betreuen. Wer aber glaubt, dass der Tod der Männer bei den zurückgebliebenen Frauen Kritik und Wut geschürt habe, irrt sich. Im Gegenteil: Ganz in Solowjows Manier zelebriert die Gruppe den heldenhaften Tod der Soldaten. In ihrem ersten Telegram-Beitrag Anfang Dezember schrieben sie:

"Wir sind die Witwen der russischen Soldaten. Wir sind die Säule des Landes, die die Sache unserer gefallenen Ehemänner weiterführt. Wir sind diejenigen, die ihre Ehemänner nicht feige hinter Kindern und Röcken versteckt haben."

Die Botschaft von Putins Propagandisten Solowjow und der Witwengruppe ist klar: Der Tod einiger dutzend Soldaten ist noch lange kein Grund, den Krieg infrage zu stellen oder sich vor einem Einsatz zu drücken.

In anderen Worten: Ein Tod für Putins Mission ist eigentlich gar nicht so schlimm.

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