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Nahostkonflikt: Warum Israel und Palästina nicht zur Ruhe kommen

Bethlehem liegt in dem von Israel besetzten Westjordanland und geh
Bethlehem liegt in dem von Israel besetzten Westjordanland und gehört zum palästinensischen Autonomiegebiet. Eine bis zu acht Meter hohe Mauer trennt die Stadt von Ost-Jerusalem.Bild: www.imago-images.de / Manngold
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Nahostkonflikt: Warum Israel und Palästina nicht zur Ruhe kommen

03.01.2023, 18:3705.01.2023, 12:50
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Seit sich die neue rechtsnationale Regierung in Israel gebildet hat, werden die Spannungen zwischen Israelis und Palästinenser:innen wieder deutlich spürbar. Hinzu kommt, dass sich nun Israels neuer Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, am Dienstag dazu entschied, den Tempelberg in Jerusalem zu besuchen. Gerade für die palästinensische Bevölkerung Jerusalems gilt das als absolute Provokation.

Der Nahostkonflikt schwelt wieder – und das nicht zu wenig.

Aber was ist das eigentlich? Warum kommen Israel und Palästina nicht zur Ruhe? Ein Überblick:

Das Gebiet – große historische und religiöse Bedeutung

Im Nahen Osten gibt es viele Konflikte. Der Hauptkonflikt, der weithin als Nahostkonflikt bekannt ist, spielt sich allerdings zwischen zwei Parteien ab: Israelis und Palästinenser:innen.

Dabei geht es um das Territorium. Das Gebiet Israels hat gerade für die jüdische Bevölkerung eine besondere Bedeutung – sowohl aus religiöser als auch historischer Sicht. Mehr als 1000 Jahre vor unserer Zeitrechnung siedelten Juden in dem Gebiet. Tatsächlich entwickelte sich dort auch die jüdische Religion. Selbst in der Bibel (im Alten Testament) wird das Gebiet als das "gelobte Land" bezeichnet, in dem Juden ihren eigenen Staat aufbauen sollen.

Doch bereits im 6. Jahrhundert vor Christus eroberten die Babylonier das Land – hier begann die Verfolgung und Vertreibung der Juden.

Juden, die damals noch als Israeliten bezeichnet wurden, flohen ins Exil und waren weltweit zerstreut.

Einwanderung – Vertriebene wollen zurück

Seit dem 16. Jahrhundert gab es allerdings immer wieder jüdische Gruppen, die in ihre historische Heimat zurückkehren wollten und sich in diesem Gebiet auch wieder ansiedelten.

Ende des 19. Jahrhunderts gründete sich die Zionistische Weltorganisation, die eine zentrale Forderung hatte: die Schaffung eines eigenen Staates für die Juden – natürlich auf dem historisch wichtigen Gebiet Israels.

Das Problem: Das Gebiet nannte sich zu dieser Zeit Palästina, gehörte zum osmanischen Reich und es lebten dort viele weitere – nicht-jüdische – Menschen: Araber, die vor allem muslimischen Glaubens waren. Doch auch Christen hatten sich dort angesiedelt.

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Die Gründer von Tel Aviv versammeln sich 1909, um auf den Sanddünen außerhalb von Jaffa Lose zu ziehen.Bild: www.imago-images.de / UIG

Hinzu kam: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts nahm die Ausgrenzung jüdischer Menschen weltweit zu. Das führte wiederum zu einer deutlich höheren Einwanderung nach Palästina, was die Spannungen zwischen der arabischen und der jüdischen Bevölkerung nur noch weiter anheizte.

Nach dem Ersten Weltkrieg ging das osmanische Reich unter und Großbritannien hatte die Macht über das Gebiet. Für die Juden war das ein Glück, denn man machte der Bevölkerung ein Versprechen:

"Wir betrachten mit Wohlwollen die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina. (Wir werden unser) Bestes tun, die Erreichung dieses Ziels zu erleichtern."

Das sagte 1917 der damalige britische Außenminister Arthur Balfour und versetzte damit das palästinensische Volk, das tatsächlich lange Zeit friedlich auf ihrem Land lebte, in einen Schockzustand.

Bis 1945 waren 30 Prozent der Menschen, die in Palästina lebten, Jüd:innen.

Holocaust und Teilung – UNO entscheidet über das Gebiet

Dass der Holocaust, während dem die Nationalsozialisten sechs Millionen Jüd:innen ermordeten, viel zu dem heutigen Konflikt zwischen Israel und Palästina beigetragen hat, ist einigen vielleicht gar nicht bewusst.

Tatsächlich entschieden die Vereinten Nationen nach dem Zweiten Weltkrieg, dass so etwas nie wieder passieren darf. Deren Lösung: die Teilung Palästinas in zwei Staaten. Denn man wollte Jüd:innen ein eigenes Land geben, einen Schutzraum sozusagen.

Diese Entscheidung wurde allerdings über die Köpfe der Palästinenser:innen hinweg getroffen. 1947 entschieden die Vereinten Nationen, das Land zu teilen. Der jüdischen Bevölkerung sprach man 56 Prozent, der palästinensischen 43 Prozent des Landes zu.

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Die israelische Unabhängigkeitserklärung wurde am 14. Mai 1948 abgegeben.Bild: www.imago-images.de / Photo12

Viele Ländereien, die über Generationen hinweg palästinensischen Familien gehörten, wurden quasi beschlagnahmt. Die Menschen vertrieben. Darauf, dass die arabische Bevölkerung zuvor 90 Prozent Palästinas bewohnt hatte, wurde keine Rücksicht genommen. Sowohl die Bevölkerung Palästinas als auch viele Nachbarländer wollten die Entscheidung der UN nicht anerkennen.

1948 rief die jüdische Bevölkerung dennoch den Staat Israel aus. Damit begannen die Ausschreitungen – und Kriege.

Der Krisenherd – seit 1948 immer wieder Konflikte

Im Jahr der Staatsgründung kam es bereits zum ersten von mehreren israelisch-arabischen Kriegen. Israelis nennen diesen Krieg "Unabhängigkeitskrieg". Er wurde 1949 mit einem Waffenstillstandsabkommen beendet, das das Staatsgebiet der Israelis noch einmal vergrößerte.

Immer weitere Ausschreitungen und Kriege folgten. Ein weiterer – gerade für die Palästinenser:innen wichtiger – Krieg ist der Sechstagekrieg im Jahr 1967. Denn: Auch danach vergrößerte sich das Staatsgebiet Israels. Für die Palästinenser:innen ist Israel nun Besatzungsmacht, denn es haben sich vor allem im Westjordanland zahlreiche israelische Siedlungen gegründet. Auch in der geteilten Stadt Jerusalem haben Israelis die Grenze überschritten.

Drei Jahre zuvor gründete sich die Palestine Liberation Organisation. Ihr Ziel: ein freier, unabhängiger Staat Palästina und der bewaffnete Kampf gegen Israel. Allerdings gibt es heute innerhalb dieser Gruppe Streit: Will man ein friedliches Nebeneinander oder erkennt man den Staat Israel nicht an und will das ganze Land für sich? Diese Frage und die Frage nach der Art, wie das Ziel erreicht werden soll, spalten die Organisation.

Streit gibt es seitens der größten extremistischen Fraktion der PLO, der Fatah, mit der ebenfalls extremistischen Hamas.

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Anhänger der palästinensischen Hamas-Bewegung nehmen am 35. Jahrestag ihrer Gründung teil.Bild: www.imago-images.de / APAimages

Die Hamas gilt als Terrororganisation, sie kontrolliert den Gazastreifen. Die Fatah gilt als eher gemäßigt und kontrolliert das Westjordanland.

Seit 1987 gibt es immer wieder Ausschreitungen, die häufig vom israelischen Militär blutig niedergeschlagen werden.

Unterdrückung oder Reaktion auf gewaltvolle Aufstände?

Von palästinensischer Seite gibt es viele Vorwürfe – sowohl an die Weltbevölkerung als auch an den Staat Israel. Der Welt wirft man vor, die Augen vor den Taten Israels – vor allem eben der Unterdrückung der Palästinenser:innen – zu verschließen. Israel wird vorgeworfen, wichtige Güterlieferungen zu verhindern, die Bevölkerungen zu unterdrücken. Sogar von Völkermord ist die Rede.

Israel selbst sagt, man reagiere nur auf die gewaltvollen Aufstände. Palästinenser:innen sagen, man reagiere auf die Unterdrückung.

Und die Lösung?

Eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht. Generationen von Politiker:innen sind an der Aufgabe kläglich gescheitert. Immer wieder gab es Versuche, die Spannungen zu mindern. Verhandlungen wurden geführt, Verträge und Abkommen wurden geschlossen, aber bis heute konnte kein Frieden erzielt werden.

Sowohl in Israel wie in der palästinensischen Bevölkerung gab es gegen solche Vereinbarungen starken Widerstand. Von Palästinenser:innen wurden immer wieder gewaltsame Anschläge verübt, die israelische Armee reagierte mit Militärschlägen. Opfer gab es auf beiden Seiten.

Auch, dass sich die Konfliktparteien internationale Unterstützer gesucht haben, könnte dazu geführt haben, dass die Fronten verhärtet bleiben.

Sowohl die USA als auch Russland spielen dabei eine Rolle – und auch die gesamte Region um Israel/Palästina ist instabil. Stellvertreterkriege wurden geführt, der Arabische Frühling tat sein Übriges.

Hinzu kommt: Offiziell besitzt Israel keine Atomwaffen – inoffiziell schon. Man müsse sich verteidigen, heißt es. Und tatsächlich: Es gibt im Umland noch immer zahlreiche Staaten, die Israel nicht anerkennen. Das gilt als Bedrohung.

Information zur Transparenz​
In einer vorherigen Version dieses Textes hieß es, die PLO habe sich 1967 gegründet. Richtig ist, dass sie bereits 1964 gegründet wurde. Auch hieß es, die Hamas sei Teil der Organisation.
Beide Fehler haben wir korrigiert.​
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