Finnische Grenzschutzbeamten eskortieren Migranten mit Fahrrädern am internationalen Grenzübergang in Salla.Bild: Lehtikuva/AP / Jussi Nukari
EU
21.11.2023, 16:3321.11.2023, 16:41
Mit dem Fahrrad nach Finnland. Warm in der Winterjacke eingepackt radeln sie über die Schneelandschaft. Sie wollen aus Russland raus und Asyl in Finnland beantragen. Die Migrant:innen kommen aus Somalia, dem Jemen, Syrien und der Türkei – die erforderlichen Einreisepapiere haben sie nicht.
In den vergangenen Tagen nimmt die Anzahl dieser Fälle auffällig zu. Am Dienstag wurden in der nordrussischen Teilrepublik Karelien nach offiziellen Angaben mehr als 150 Migrant:innen auf dem Weg nach Finnland gestoppt. Eine Woche zuvor registrierte der finnische Grenzschutz allein in Südostfinnland 75 Asylsuchende.
Finnland schließt jetzt Grenzübergänge nach Russland – und sieht das als eine Art Notwehr. Die finnische Regierung macht dem Nachbarland schwere Vorwürfe.
Russland will wohl Chaos an der finnischen Grenze verursachen
Laut der finnischen Regierung lässt Russland – anders als früher üblich – Menschen trotz fehlender Dokumente nach Finnland reisen. Finnlands Ministerpräsident Petteri Orpo kritisiert, russische Grenzschützende hätten die Leute sogar bis an die Grenze gebracht.
Präsident Sauli Niinistö sagt, er habe schon früher darauf hingewiesen, dass Finnland wegen seines Nato-Beitritts mit sogenannten Bosheiten Russlands rechnen müsse. Davon geht nun auch das Institute for the Study of War (ISW) aus und warnt: Putin will der Nato schaden.
Finnischer Präsident Sauli Niinistö sieht Schuld bei Russland für die Zunahme an Migrant:innen an der Grenze.Bild: imago images / Markku Ulander
Experten warnen vor Russlands hybrider Kriegsführung
Nach Angaben des ISW wendet Russland wohl eine bekannte Taktik der hybriden Kriegsführung an, um künstlich eine Migrantenkrise an der finnischen Grenze herbeizuführen. "Der finnische Grenzschutz verzeichnete in einem Zeitraum von zwei Tagen zwischen dem 7. und 14. November 89 Grenzübertritte von Migranten – ein deutlicher Anstieg gegenüber den 91 Grenzübertritten von Mitte Juli bis zum 12. November", heißt es im Bericht.
Laut der finnischen Regierung gibt es Hinweise darauf, dass "ausländische Behörden oder andere Akteure" eine Rolle dabei gespielt haben, Menschen beim illegalen Grenzübertritt zu helfen. Für das ISW steht fest: Russlands offensichtliche Taktik der hybriden Kriegsführung an der russisch-finnischen Grenze ähnelt der Schaffung einer Migrantenkrise an der polnischen Grenze im Jahr 2021 durch Russland und Belarus. Ziel sei wohl auch hier die Destabilisierung der Nato.
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Zum Hintergrund: Der Kreml habe laut des ISW die künstliche Schaffung einer Migrantenkrise an der Grenze zu Polen im Jahr 2021 durch Weißrussland ermöglicht oder möglicherweise direkt gesteuert. Damals verhalf belarussisches Sicherheitspersonal Tausenden von Migrant:innen aus dem Nahen Osten, die belarussische Grenze nach Polen zu überqueren.
Der Kreml habe diese fabrizierte Krise ausgenutzt, um die Nato "fälschlicherweise der Aggression gegen Belarus" zu beschuldigen. Der Beitritt Finnlands in die Nato im April ist offensichtlich ein Dorn im Auge Russlands.
Finnlands Nato-Beitritt stößt Russland sauer auf
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow droht, dass Russland alle "Gegenmaßnahmen ergreifen [werde], die es für notwendig erachtet, um [Russlands] eigene Sicherheit zu gewährleisten." Das russische Außenministerium erklärte, dass Finnlands Nato-Beitritt "sich zwangsläufig negativ auf die bilateralen russisch-finnischen Beziehungen auswirken wird.
Laut Recherchen des ISW versucht der Kreml möglicherweise, die Nato-Staaten an den russischen Grenzen zu destabilisieren und vom Krieg in der Ukraine abzulenken. Mit der Invasion der Ukraine verfolge der russische Präsident Wladimir Putin zudem das Ziel, die Nato zu zerschlagen – bis heute.
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine gilt laut des ISW auch der Nato.Bild: AP / LIBKOS
Demnach geht das ISW und die finnische Regierung davon aus, die Vorgänge an der Grenze sind "kreml-gemacht". Doch Russland weist jede Schuld von sich.
Russland: Vorwürfe seien "russophob"
Russland weist die Vorwürfe Finnlands zurück, Migrant:innen ohne Papiere über die Grenze zu schleusen, um das seit April zur Nato gehörende Nachbarland zu destabilisieren. "Wir lassen derartige Anschuldigungen nicht gelten", sagt Peskow. "Grenzübergänge werden von denen genutzt, die das Recht dazu haben", fügte er hinzu. Die finnischen Vorwürfe bezeichnete als "an den Haaren herbeigezogen".
Das Außenministerium in Moskau hat die Vorwürfe als "russophob" dementiert und den finnischen Botschafter einbestellt. Die Beziehungen beider Länder haben sich wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und dem darauffolgenden Nato-Beitritt Finnlands deutlich verschlechtert.
(Mit Material der dpa, afp)
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