Energiekrieg im Winter: Geheime Batterieparks sollen die Ukraine vor dem Blackout retten
Während Russland weiter auf die ukrainische Energieinfrastruktur zielt, bereitet sich das Land auf den nächsten Winter unter Beschuss vor. Drei Jahre lang haben Ingenieur:innen Stromnetze repariert, während über ihnen Raketen einschlugen – und Millionen Menschen zeitweise ohne Licht und Wärme auskommen mussten.
In diesem Winter soll das anders sein: Ein neues Netzwerk aus gigantischen Batteriesystemen soll die Energieversorgung stabilisieren. Sie sollen die Versorgung selbst dann sichern, wenn russische Drohnen und Raketen wieder gezielt Kraftwerke und Umspannwerke treffen. Wie ein aktueller Bericht zeigt, setzt die Ukraine dabei auf US-Technologie, Geheimhaltung und eine nie dagewesene Dezentralisierung ihrer Energieversorgung.
Russland greift Energieinfrastruktur an: Ukraine reagiert mit Batterieparks
Laut Recherchen des "Wall Street Journal" stehen mittlerweile sechs neue "Batterieparks" an geheimen Standorten im ganzen Land. Sie liefern zusammen eine Leistung von rund 200 Megawatt. Das ist genug, um etwa 600.000 Haushalte für zwei Stunden mit Strom zu versorgen. Das entspricht etwa allen Privathaushalten in Köln.
Die massiven weißen Batteriemodule sind Teil eines 140-Millionen-Dollar-Projekts, das im August abgeschlossen wurde. Es soll Ausfälle im Netz überbrücken und Ingenieur:innen Zeit verschaffen, zerstörte Leitungen zu reparieren. Wie "Kyiv Independent" berichtet, verbindet sich das System direkt mit dem nationalen Stromnetz und springt ein, wenn konventionelle Quellen wie Kohle- oder Gaskraftwerke ausfallen.
Das leise Surren der Batterieparks bezeichnet Vadym Utkin, Berater für Energiespeicherung beim größten privaten Energieversorger DTEK, gegenüber der Zeitung als "das beste Geräusch der Welt". Denn: "Es bedeutet, dass sie funktionieren."
Menschen in der Ukraine waren massiver Kälte ausgesetzt
Seit Beginn der russischen Invasion wurden alle ukrainischen Wärmekraftwerke mindestens einmal angegriffen. Viele davon sind zerstört, andere nur notdürftig wieder in Betrieb. "Wir haben mehr als die Hälfte unserer Stromerzeugung durch Raketen und Shahed-Drohnen verloren", sagte die frühere Energieministerin Olha Buslawez dem "Wall Street Journal".
Auch das größte Atomkraftwerk des Landes steht seit Beginn der Besatzung unter russischer Kontrolle und liefert keinen Strom mehr. Zwar stammt etwa die Hälfte der Energie weiterhin aus Atomkraft, doch Russland hat auch diese Infrastruktur gezielt ins Visier genommen. Das Ziel: die Bevölkerung zermürben, indem sie im Winter friert.
Russland produziert mittlerweile deutlich mehr Angriffsdrohnen als zu Beginn des Krieges. Immer häufiger fliegen Schwärme von Hunderten unbemannten Flugkörpern gleichzeitig auf ukrainische Städte. Das soll die Luftabwehr überlasten – und könnte diesen Winter besonders gefährlich machen.
Kiew fordert deshalb seit Monaten mehr westliche Luftabwehrsysteme. Besonders das US-Patriot-System gilt als entscheidend, um Raketen abzufangen. Nach Angaben des "Wall Street Journal" sollen noch in diesem Jahr zwei weitere Einheiten aus Deutschland geliefert werden. Doch die ukrainische Regierung betont: Das reicht nicht, um die gesamte Energieinfrastruktur zu schützen.
Batteriefabriken haben neue Brandschutzmechanismen
Die neuen Speicherblöcke sind nicht nur eine technische Innovation: Sie sind ein strategisches Element im Krieg. Denn sie machen das Netz dezentraler und damit schwerer angreifbar. Jedes Modul kann unabhängig betrieben oder ersetzt werden, ohne dass das gesamte System ausfällt. "Wenn ein Block getroffen wird, wäre das ärgerlich, aber kein Weltuntergang", sagt Utkin. "Ich würde fluchen, aber ihn einfach austauschen."
Die Batterien stammen vom US-Unternehmen Fluence, das laut CEO Julian Nebreda trotz der Kriegsgefahr keine Sekunde gezögert habe, sich am Projekt zu beteiligen. Finanziert wurde es von DTEK und einem Konsortium ukrainischer Banken. Alle Systeme seien mit Brandschutzmechanismen ausgestattet. "In der Ukraine ist das besonders wichtig", sagt Nebreda zum "WSJ".
Neben den Batterien setzt die Ukraine zunehmend auf Wind- und Solarenergie. Erneuerbare Quellen sind weniger anfällig für gezielte Zerstörung. Fällt eine Turbine aus, drehen sich die anderen weiter. So soll das Energiesystem widerstandsfähiger werden. Die Batterien helfen dabei, Stromschwankungen auszugleichen und Energie zwischenzuspeichern. "Es gibt immer Unregelmäßigkeiten im System, diese Maschinen räumen das sehr effektiv auf", sagt Utkin der Zeitung.