Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny galt als schärfster Kritiker von Wladimir Putin.Bild: dpa / Uncredited
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Er kämpfte bis zum Schluss. Alexej Nawalny, einer der prominentesten Kreml-Kritiker, ist nun in russischer Haft verstorben. Nach Angaben der russischen Behörden starb der 47-Jährige am Freitag in einer Strafkolonie in der russischen Polarregion. Nawalny war zu diversen Haftstrafen wegen Betrugsvorwürfen und "Extremismus" verurteilt worden, die er stets als politisch motiviert zurückwies.
2020 fiel er einer Vergiftung zum Opfer, darauf folgte ein Hungerstreik. Dieser und die wiederholten Aufenthalte in Einzelhaft hatten ihn körperlich gezeichnet – ließen ihn aber nicht verstummen.
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Für einen großen Teil der russischen Gesellschaft blieb Nawalny allerdings eine Randfigur. Ein Großteil der Russ:innen unterstützte die offizielle Darstellung des Kremls, bei Nawalny habe es sich um einen Handlanger des Westens und einen verurteilten Kriminellen gehandelt. Nawalnys Namen sprach der russische Präsident Wladimir Putin in der Öffentlichkeit nicht aus.
Umso lauter forderten immer wieder Demonstrierende im Westen die Freilassung des Russen. Er galt als das Gesicht für die Opposition in Russland. Auch die russische Journalistin Ekaterina Glikman bekam die Wucht des repressiven Putin-Regimes zu spüren.
Russische Journalistin berichtet: "Kollegen weinen" um Nawalny
20 Jahre lang arbeitete Glikman für die "Nowaja Gaseta" – Russlands wichtigste unabhängige Zeitung. Ihr Chefredakteur, Dmitri Muratow, wurde für seine Verdienste um die Meinungsfreiheit mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
2019 zog die russische Journalistin der Liebe wegen in die Schweiz, von dort aus arbeitete sie als Korrespondentin. Dann kam der Krieg in der Ukraine. Der Druck auf die Medien in Russland stieg an – so sehr, dass die Kreml-kritische "Nowaja Gaseta" im März 2022 ihren Betrieb einstellen musste.
Ekaterina Glikman gewöhnt sich erst noch an die Freiheiten, die sie nun in der Schweiz genießen darf.bild: Ekaterina Glikman
Im Ausland blieben die Journalist:innen in Kontakt und gründeten die "Nowaja Gaseta Europe". Bei den Gedanken an Nawalnys Tod spürt Glikman Schmerz und Wut. "Aber es gibt keine Verzweiflung. Die Redaktion hat sich mobilisiert, wir arbeiten im Breaking-News-Modus", sagt sie auf watson-Anfrage.
"Einige Kollegen weinen, sie können sich nicht zurückhalten, aber alle arbeiten", führt sie fort. Die Gedanken seien jetzt bei der Familie von Nawalny. Ihr zufolge wird Kreml-Chef Putin wohl keine Konsequenzen zu spüren bekommen.
Nawalnys Tod wird für Putin wohl keine großen Folgen haben
"Die Ergebnisse der zukünftigen 'Wahlen' stehen fest, es wird keine Konsequenzen für Putin innerhalb des Landes geben. Jeder, der sich ihm widersetzen könnte, wird getötet oder ins Gefängnis oder ins Ausland gebracht", sagt die Russin. Als Realistin sehe sie auch nicht die Möglichkeit, dass Putin von außerhalb Russlands irgendwelche Konsequenzen erhalten werde.
"Es waren drei Jahre ununterbrochener Folter, die dieser Mann ertragen musste."
Journalistin Ekaterina Glikman
Auch blickt sie pessimistisch darauf, ob Nawalnys Tod die Opposition im Land stärken könnte. Ihre Antwort: "In Russland gibt es keine Opposition gegen Putin." Höchstens die oppositionellen Kräfte im Exil könnten sich vereinen, sagt sie.
Für Glikman ist es "unglaublich", wie viel Nawalny aushalten konnte – ohne dabei seinen Humor zu verlieren. Der Kreml-Gegner kämpfte selbst in der Haft für seine Grundrechte und brachte Gefängnisbeamte vor Gericht. Während er in Einzelhaft Putin-Reden hören musste, verärgerte er sie, indem er Anträge auf einen Kimono und eine Balalaika, ein traditionelles Musikinstrument, stellte – oder um die Erlaubnis bat, ein Känguru halten zu dürfen.
"Es waren drei Jahre ununterbrochener Folter, die dieser Mann ertragen musste, der einen Mordversuch durch Vergiftung überlebt hatte. Ich nenne es nicht Tod, für mich ist es Mord", sagt Glikman. Sie führt aus: "Die Tatsache, dass er drei Jahre durchhielt und nicht den Mut verlor, uns sogar von dort aus unterstützte, spricht für seinen unglaublichen Geist."
Als Nawalny vor seiner Rückkehr nach Russland in der Dokumentation "Nawalny" gefragt wurde, was seine Botschaft an das russische Volk wäre, falls er getötet würde, antwortete er: "Gebt nicht auf. Ihr dürft nicht, ihr könnt nicht aufgeben. Alles, was das Böse braucht, um zu siegen, ist, dass gute Menschen nichts tun. Also tut nicht nichts."
Nach Angaben eines nahe gelegenen Krankenhauses versuchten die Rettungskräfte "mehr als 30 Minuten lang", Nawalny zu reanimieren. Russische Staatsmedien berichteten zudem, dass der Sträfling noch am Donnerstag per Videolink an einer Gerichtsanhörung teilgenommen habe. Dabei habe er gelacht und gescherzt.
Nawalny-Anwalt Leonid Solowjow sagt seinerseits der Zeitung "Nowaja Gaseta", dass ein Kollege den 47-Jährigen am Mittwoch gesehen habe. "Da war alles normal."
(Mit Material der afp)
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