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USA-Experte Josef Braml mit deutlicher Warnung an Ukraine

Biden Makes Surprise Visit To Ukraine Handout photo shows US President Joe Biden and Ukrainian President Volodymyr Zelensky meet at Mariinsky Palace in Kyiv on February 20, 2023. US President Joe Bide ...
Im Februar besuchte der US-Präsident Joe Biden die Ukraine persönlich und ging mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj spazieren. Bild: imago images/ABACAPRESS
Gastbeitrag

USA-Experte Josef Braml warnt: Unterstützung für Ukraine könnte schwinden

Mangels einer nachhaltigen Unterstützung der USA für die Ukraine im Krieg gegen Russland müssen sich die Europäer künftig selbst verteidigen können, meint USA-Experte Josef Braml in seinem Gastbeitrag.
17.08.2023, 11:5517.08.2023, 12:04
Josef Braml
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Viele Europäer stellen sich die Frage, wie sich der Krieg in der Ukraine und die US-Wahlen im November 2024 gegenseitig beeinflussen könnten. Die einfache Antwort lautet: Der Schwanz wedelt nicht mit dem Hund.

Da die USA selbst keine Kriegspartei sind und – wie US-Präsident Joe Biden von vorneherein seinen Landsleuten versicherte – kein amerikanischer Soldat für die Ukraine sterben wird, ist der Krieg im weit entfernten Europa auch jenseits der Wahrnehmung der meisten Amerikanerinnen und Amerikaner.

dpatopbilder - 02.07.2023, Ukraine, Bachmut: Ein ukrainischer Soldat der 3. Sturmbrigade feuert einen 122-mm-Haubitze auf russische Stellungen an der Frontlinie in der Nähe von Bachmut. Foto: Alex Bab ...
Seit über einem Jahr wehrt die ukrainische Armee den brutalen Angriffskrieg Russlands ab.Bild: AP / Alex Babenko

Das Kriegsgeschehen wird sich also nicht unmittelbar auf die Wahlen in den USA auswirken. Wahlentscheidender werden einmal mehr innenpolitische, vor allem wirtschaftliche Themen sein. Außenpolitisch spielt China eine viel wichtigere Rolle. Innenpolitische Prioritäten und die außenpolitische Umorientierung der Vereinigten Staaten nach Asien werden hingegen gravierende Auswirkungen für Europas Sicherheit haben.

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Streit um Schuldenobergrenze

Im Frühjahr dieses Jahres konnten sich der demokratische Präsident Biden und der republikanische Sprecher des Abgeordnetenhauses, Kevin McCarthy, erst in buchstäblich letzter Minute einigen, um die Krise der Schuldenobergrenze zu lösen, die die Finanzmärkte beunruhigte und dazu beitrug, dass die amerikanische Rating-Agentur Fitch die Kreditwürdigkeit der USA herabstufte.

Laut USA-Experte Josef Braml muss Europa militärisch aufrüsten.
Laut USA-Experte Josef Braml muss Europa militärisch aufrüsten. bild: privat

Der Vorsitzende der republikanischen Fraktion im Senat, Mitch McConnell, versuchte zuvor noch auf der Münchner Sicherheitskonferenz die Bedenken der Europäer durch Solidaritätsbekundungen auszuräumen.

Allerdings scheiterte dann sein Versuch, die fortgesetzte Hilfe für die Ukraine durch eine zusätzliche Mittelzuweisung außerhalb der in der Vereinbarung über die Schuldenobergrenze festgelegten Ausgabengrenzen für die Verteidigung zu regeln. Denn er erhielt Widerstand seiner Parteifreunde und deren Sprecher im Abgeordnetenhaus.

Josef Braml
Josef Braml ist USA-Experte und European Direktor der Trilateralen Kommission – einer einflussreichen globalen Plattform für den Dialog eines exklusiven Kreises politischer und wirtschaftlicher Entscheider:innen Amerikas, Europas und Asiens. Sein aktuelles Buch "Die transatlantische Illusion. Die neue Weltordnung und wie wir uns darin behaupten können" ist beim Verlag C.H.Beck erschienen.

Bei begrenzten Mitteln werden die USA künftig nicht bei der Aufrüstung gegen die Hauptbedrohung China sparen, um der "Regionalmacht" Russland zu begegnen, die keine unmittelbare Gefahr für die USA darstellt.

Fokussierung auf China

Elbridge (Bridge) Colby ist einer der freimütigsten Vertreter der Ansicht, dass die Vereinigten Staaten vor allem China bekämpfen und besiegen müssen, wenn sie die Nummer eins bleiben wollen. Colby war von 2017 bis 2018 stellvertretender Verteidigungsminister für Strategie und Streitkräfteentwicklung und federführend bei der Neuausrichtung der Nationalen Verteidigungsstrategie, die den Fokus auf Chinas Herausforderungen verlagerte.

In den vergangenen Monaten hat Colby die Biden-Regierung dafür kritisiert, dass sie sich zu sehr auf die Ukraine konzentriert und Kriegsmaterial aus dem pazifischen Raum abzieht, das sie nach Europa verlagert.

Beide Faktoren, die wirtschaftlichen Engpässe und die außenpolitische Fokussierung auf die in der US-Wahrnehmung größere chinesische Bedrohung, sollten der Ukraine und den Europäern zu denken geben.

Angesichts des immer stärker abnehmenden innenpolitischen Rückhalts für das Engagement der Weltmacht auf dem Alten Kontinent bleibt den Europäern nicht mehr viel Zeit, um mehr Verantwortung für die Sicherheit ihres Kontinents zu übernehmen.

Der Zeitfaktor

Je länger der Krieg zwischen Russland und der Ukraine andauert, umso mehr sinkt auch der Rückhalt der amerikanischen Öffentlichkeit für die Hilfe für die Ukraine. Die US-Bevölkerung, vor allem die den Republikanern nahestehenden Wählerinnen und Wähler, sind bereits jetzt nicht mehr bereit, Amerikas Zuwendungen für die Ukraine aufrechtzuerhalten.

Eine Anfang August 2023 veröffentlichte Umfrage des Nachrichtensenders CNN verdeutlichte, dass die Mehrheit (55 Prozent) der amerikanischen Wähler der Meinung sind, dass der US-Kongress keine zusätzlichen Mittel zur Unterstützung der Ukraine genehmigen sollte.

Sieben von zehn Republikanern (71 Prozent) sprechen sich dafür aus, keine neuen Finanzmittel mehr zu geben, weil die USA genug getan haben, um der Ukraine zu helfen (sagen 59 Prozent der Republikaner).

Auch jüngere Wählerinnen und Wähler, um die beide Parteien wieder verstärkt werben werden, sind weniger geneigt, weitere Hilfen zu gewähren: Nur 37 Prozent der 35- bis 49-Jährigen und 39 Prozent der Wähler im Alter von 50 bis 64 Jahren befürworten mehr Finanzierung.

Es ist absehbar, dass bei Wirtschafts- und Wiederaufbauhilfen für die Ukraine die Europäer stärker in die Pflicht genommen werden. Mangels einer bis auf Weiteres nicht möglichen Nato-Mitgliedschaft der Ukraine werden trotz einiger Schwierigkeiten beim Nachschub von Militärausrüstung und Munition zwar US-amerikanische Waffenlieferungen weiterhin den besten Schutz vor künftigen russischen Aggressionen bieten.

Aber: Den Preis dafür müssen wohl die Ukrainer selbst und ihre finanziellen Unterstützer in Europa, allen voran Deutschland und Frankreich, bezahlen.

Zeit zum souveränen Handeln

Es ist höchste Zeit, dass sich die Europäer im Einvernehmen mit der Ukraine neben vertrauensbildenden Maßnahmen gegenüber Russland auch über eigene, von den USA unabhängige militärische Fähigkeiten Gedanken machen – im konventionellen wie im nuklearen Bereich –, auch um mögliche Erpressungsversuche oder gar Aggressionen der russischen Führung vorzubeugen.

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Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (m.) mit Wolodymyr Selenskyj und Joe Biden beim Nato-Gipfel.Bild: dpa / Kay Nietfeld

Dass die Europäer durchaus die Voraussetzungen dafür hätten, sich selbst zu verteidigen, belegt die Tatsache, dass die EU-Mitgliedstaaten zusammen fast dreimal so viel wie Russland für Verteidigung ausgeben. Allein Frankreich und Deutschland wenden zusammen rund zwei Drittel mehr für Rüstung auf als Russland.

Die russische Invasion in die Ukraine bewirkte zudem, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nunmehr bereit und auch politisch in der Lage ist, mehr für Rüstung auszugeben. Der aktuelle Verteidigungsetat in Höhe von etwa 50 Milliarden Euro wird um ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro erweitert, das über mehrere Jahre verwendet werden soll.

Es geht aber nicht nur darum, sehr viel höhere Verteidigungsausgaben vorzusehen, sondern effizienter zu investieren, um die nötigen Fähigkeiten zu entwickeln, indem man etwa im europäischen Rahmen Waffensysteme gemeinsam einkauft und weiterentwickelt, zum Beispiel das federführend von Deutschland und Frankreich geplante europäische Rüstungsprojekt "Future Combat Air System (FCAS)".

16.06.2023, Schleswig-Holstein, Jagel: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, vorne) steigt neben dem Piloten Steven R. in das Cockpit eines Kampfflugzeugs vom Typ Eurofighter der Luftwaffe bei seinem Besuch ...
Bundeskanzler Olaf Scholz im Cockpit eines Kampfflugzeugs vom Typ Eurofighter der Luftwaffe.Bild: dpa / Kay Nietfeld

Mit dem geplanten FCAS würden die Europäer nicht nur ihre militärische, sondern auch ihre technologische Abhängigkeit von den USA verringern und ihre eigene Souveränität behaupten. Denn bei FCAS geht es um weit mehr als einen Kampfjet: Zwar stünden Kampfjets im Zentrum einer zukünftigen Luftkriegsoperation, aber in einem äußeren Kreis spielen andere Elemente eine wichtige Rolle:

  • Weitere Systeme der Luftstreitkräfte
  • Transportmaschinen
  • Andere Jagdflugzeuge, etwa der Eurofighter, oder auch die Systeme anderer Streitkräfte

Unter anderem sind über Satelliten auch weltraumbasierte Systeme mit eingebunden in einer sicheren Datenumgebung, der sogenannten Air Combat Cloud. Für dieses integrierte System, das Drohnen, Kampf-, Kommando- und Kontrollflugzeuge unter anderem auch über Satelliten (Galileo, das EU-Satellitennavigationssystem) verbindet, wäre es unter anderem auch erforderlich, eine fortschrittliche europäische Drohnentechnik zu entwickeln.

Durch Verteidigungskooperation könnten die Europäer auch ihrer Diplomatie mehr Gewicht verleihen. Auch könnten sie sich auf die Möglichkeit vorbereiten, dass Donald Trump 2024 erneut ins Weiße einzieht. Bei diesem Szenario wäre auf den Schutz der USA kein Verlass mehr.

Washington und Moskau könnten dann sogar einen Deal aushandeln, bei dem die Europäer nicht am, sondern auf dem Verhandlungstisch sind und den Hauptpreis zahlen.

Schweigegeldprozess könnte zur Tortur für Trump werden – "verletzlich und hilflos im Gerichtssaal"

Donald Trump schreibt Geschichte. Noch nie zuvor wurde ein Strafprozess gegen einen ehemaligen Präsidenten geführt. Am Montag eröffnete das zuständige Gericht den Prozess gegen den 77-Jährigen in Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen von 130.000 Dollar an die frühere Pornodarstellerin Stormy Daniels.

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