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Israel-Krieg und Fake-News: Zwei tote Kinder, beide Seiten leugnen es

Palestinians evacuate two wounded boys out of the destruction following Israeli airstrikes on Gaza City, Wednesday, Oct. 25, 2023. Hundreds of thousands of Palestinians have decided to stay in their h ...
Palästinenser evakuieren zwei verwundete Kinder im Gazastreifen.Bild: AP / Abed Khaled
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Israel-Krieg und Desinformation: Zwei Kinder sterben, beide Seiten leugnen ihren Tod

26.10.2023, 15:2526.10.2023, 15:28
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Triggerwarnung: Dieser Artikel thematisiert den gewaltvollen Tod von Kindern. Er kann negative Gefühle auslösen und Traumata triggern.

Ihre Namen klingen fast gleich: Omer and Omar. Vielleicht wären sie Freunde geworden? Vielleicht mochten es beide, mit Autos zu spielen und Türme aus Holzklötzen zu bauen. Viermal durften sie ihren Geburtstag feiern.

Vier Jahre durften sie leben: Einer starb unter den Trümmern bei einem israelischen Raketenangriff, der andere im Feuer seines Hauses durch die Terrorgruppe Hamas. Zwei Schicksale, vereint durch die endlose Tragödie in einer Region, wo viele wohl nicht mehr wissen, wie man Frieden überhaupt buchstabiert.

Omar starb im Gazastreifen, Omer in einem israelischen Kibbutz. Auf Social Media leugnet jeweils die andere Seite den Tod der Kinder. Ein Fall, der erneut zeigt, wie wahr der altbekannte Spruch ist: Das erste Opfer im Krieg ist die Wahrheit.

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Israel-Krieg: Desinformation flutet Social Media

In den vergangenen Wochen sieht man reichlich sensibles Material auf Social Media. Es sind vor allem die Bilder von Kindern: Eine kleine blutige Hand, die unter der Decke leblos baumelt, die mit Staub und Tränen verschmierten Gesichter, die verbrannten Körper und zerstörten, mit Blut befleckten Kinderzimmer.

Die Hamas-Terroristen machten nicht Halt vor Kindern, israelischen Raketen weichen Kindern nicht aus. Am Ende sind sie die größten Opfer, weil sie am wenigsten für diesen blutigen Kampf können. Es sind genau diese Bilder von Kindern, die auf Social Media den Menschen das Herz herausreißen – und damit perfektes "Material" für Propagandazwecke bieten.

Omar und Omer – wie ihr tragischer Tod Social Media belebt

Auch die Gesichter der kleinen Jungen, Omar Bilal al-Banna und Omer Siman-Tov tauchten wochenlang auf Social Media auf. Doch die Kommentare und Reaktionen dazu weckten die Aufmerksamkeit der BBC-Reporterin Marianna Spring. Sie ging der Sache auf den Grund und das Ergebnis ist erschreckend.

Laut ihrer Recherche lebten Omar und Omer etwa 23 km voneinander entfernt, auf beiden Seiten des israelisch-gazischen Grenzzauns. Sie wurden beide bei einem Gewaltakt getötet. Spring machte ihre Familie, Freunde und weitere Zeug:innen ausfindig.

Omer wurde getötet, als die Hamas am 7. Oktober sein Haus im Kibbuz Nir Oz angriff. Omar starb vier Tage später bei einem israelischen Luftangriff auf Zeitoun, östlich von Gaza-Stadt. "Die Art und Weise, wie der Tod der Jungen von Nutzern sozialer Medien geleugnet wurde, ist symbolisch für eine Informationsschlacht, die parallel zum Krieg vor Ort läuft", schreibt die Reporterin in ihrem Bericht für BBC.

Laut Springer gab es bei beiden Fällen den "dreisten Versuch", die Gewalt gegen Kinder herunterzuspielen oder zu leugnen. Diese falschen Behauptungen mussten die jeweiligen Angehörigen über sich ergehen lassen.

19.10.2023, Palästinensische Gebiete, Gaza-Stadt: Verwundete palästinensische Kinder kommen nach israelischen Luftangriffen auf Gaza-Stadt im zentralen Gazastreifen im Al-Shifa-Krankenhaus an. Foto: A ...
Die Krankenhäuser in Gaza sind voll mit schwer verletzten Kindern.Bild: AP / Abed Khaled

Der erste Online-Post, den Spring über Omars Tod sah, stammte von einem pro-israelischen Konto auf X, ehemals Twitter. "Er enthielt ein Video, auf dem ein Mann in einem grauen Polohemd zu sehen war, der den Körper eines kleinen Kindes hielt, das in eine weiße Decke oder ein Tuch eingewickelt war"; schreibt sie. In der dazugehörigen Bildunterschrift habe die Person, die den Clip geteilt hatte, hinzugefügt: "Die Hamas ist verzweifelt!"

Die Person fügte laut Spring fälschlicherweise hinzu, dass die Hamas "ein Video veröffentlicht hat, das ein totes palästinensisches Baby zeigt". Aber in Wirklichkeit sei das kein echtes Baby; sondern eine Puppe, lautet die Behauptung des X-Users. Er führte aus, dass dieses Foto "entlarvt, wie hart die lügnerische und verleumderische Propagandaabteilung der Hamas und der Palästinenser arbeitet".

Doch das Bildmaterial war echt: Es war der vierjährige Omar, das bestätigt auch Springs Recherche. Mittelwelle wurde der Beitrag mit dem Video und den falschen Behauptungen allerdings 3,8 Millionen Mal aufgerufen. Die darin aufgestellten Behauptungen wurden Springer zufolge vom offiziellen Konto des Staates Israel auf X weiterverbreitet. Die Behauptung, Omars toter Körper wäre eine Puppe, ging viral.

Der Post der israelischen Regierung zeigt hochsensible Inhalte, daher ihr ein Screenshot von Mohammed Zubair, der für die indische Fakten-Check Website "Alt News" arbeitet und den Fall aufklärt.

Ein Screenshot auf X zeigt hochsensible Inhalte.
Ein Screenshot auf X zeigt hochsensible Inhalte.bild: screenshot x / @zoo_bear

Springer konfrontierte damit auch die israelische Botschaft im Vereinigten Königreich. Eine Sprecherin äußerte sich nicht direkt zu diesen Posts au Social Media oder zu den Umständen von Omars Tod. Laut des Berichts sagte sie, dass "es sehr wichtig ist, Fälle von Desinformation zu überprüfen", beschuldigte aber auch die BBC, Fehlinformationen zu verbreiten.

Doch nun zum Fall Omer.

Omer und seine Familie seien Schauspieler

Laut Springers Recherche wurden Omers Eltern, Tamar und Yonatan, von der Hamas erschossen. Ihre drei Kinder – Omer und seine älteren Schwestern Shachar und Arbel – kamen um, als die Terroristen das Familienhaus in Brand steckten. Über ihren Tod wurde in den großen Nachrichtenmedien berichtet.

Auch die israelische Regierung teilte auf X ein Foto der Familie mit den Worten: "Eine ganze Familie, die von Hamas-Terroristen ausgelöscht wurde". Ebenfalls teilte der ehemalige israelische Premierminister Naftali Bennett den Post. Aber auch hier sorgten die Kommentare erneut für Schock.

"Mehrere Kommentare, die die Hamas unterstützten, behaupteten, Omer sei ein 'bezahlter Schauspieler' gewesen, weil die Hamas 'keine Kinder tötet'"; schreibt Springer. Andere meinten laut ihr, dies sei "jüdische Propaganda vom Feinsten" und erklärten, weder Omer noch seine Schwestern seien getötet worden.

The interior of a kitchen and dinning room area in a civilian house in the Jewish community of Kibbutz Be eri along the border with the Gaza Strip during a press tour on October 20, 2023. This communi ...
Die Hamas-Terroristen steckten zahlreiche Häuser in Brand – oft befanden sich noch Menschen in ihnen.Bild: imago images / Jim Hollander

Ein weiterer Nutzer meinte, es gebe "keine Beweise", dass sie tot seien, und forderte, "mit den Lügen aufzuhören". Andere führten aus, er und seine Schwestern seien "Krisendarsteller" gewesen – Leute, die dafür bezahlt werden, eine "Rolle" zu spielen. Diese Behauptungen sind haltlos.

Was Omer aber ganz sicher war: "Ein Engel. Er war so, so schön und süß und rein. Er stand seinen Schwestern sehr nahe. Sie spielten immer zusammen, und sie waren so lieb zu ihm", erzählt Mor Lacob, ein Freund der Familie Siman-Tov, der britischen Reporterin.

US-Wahl und die Spaltung der Gesellschaft: Was Deutschland daraus lernen sollte

Seit der US-Wahl steht fest: Donald Trump wird erneut ins Amt des US-Präsidenten zurückkehren. Spannend war das Rennen ums Weiße Haus allemal. Doch es war ein Wahlkampf, der von starker Polarisierung und emotionaler Abneigung zwischen den beiden politischen Lagern geprägt war. Er hat die gesellschaftlichen Gräben in den Vereinigten Staaten weiter vertieft.

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