Archivbild von 2016: Ein Mädchen arbeitet auf einer Tabakplantage in Sambia.Bild: Christian Herrmanny/Kindernothilfe/dpa
Familie & Freunde
Kinderarbeit steht auch im 21. Jahrhundert am Anfang vieler Wertschöpfungsketten, trotz internationaler Verbote. Kinder schürfen etwa Coltan oder Gold – und müssen auch für unsere Kippen schuften.
Der Konsum von Tabakerzeugnissen ist bekanntlich vor allem für junge Menschen gesundheitsschädlich – aber auch unter der Produktion können Kinder und Jugendliche enorm leiden.
Auf die gefährliche Kinderarbeit im globalen Süden machen das
Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und das Projekt Unfairtobacco
aufmerksam. "Die Tabakindustrie ist in der Pflicht für sichere und
faire Arbeitsbedingungen zu sorgen und Kinderarbeit zu verhindern",
sagt Ute Mons vom DKFZ in Heidelberg.
Die Kindernothilfe pflichtet bei:
"Zu oft steht Kinderarbeit am Anfang einer jeden Zigarette, die hier in Deutschland geraucht wird."
Kinderrechtsexpertin Anne Jacob
Davor verschließe die Branche die Augen.
Jacob verweist auf Schätzungen, dass weltweit 1,3 Millionen
Minderjährige für die Tabakindustrie schuften. Der Deutsche
Zigarettenverband (DZV) verweist auf Erfolge einer Stiftung gegen
Kinderarbeit.
Tabakindustrie verdient Milliarden
Am stärksten betroffen sind laut den Expertinnen Malawi, Sambia,
Tansania, Zimbabwe Argentinien, Brasilien, Indonesien, Vietnam,
Kambodscha, aber auch die USA. Der Tabak wird in kleinbäuerlichen
Betrieben angebaut. Diese erhalten etwa 1,30 bis 3 Dollar (1,2 bis 2,7
Euro) pro Kilo.
"Dieser lächerlich geringe Preis steht in krassem
Gegensatz zu den Gewinnen der von wenigen Großkonzernen dominierten
Tabakindustrie", sagt Sonja von Eichborn von Unfairtobacco, einem
Projekt der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt und
Entwicklung.
Oft kämen die Familien nur über die Runden, wenn sie
ihre Kinder mitarbeiten lassen, anstatt fremde Arbeiter zu bezahlen.
Das hat nicht nur Folgen für den Schulbesuch, sondern auch für die Gesundheit der Kinder. "Man muss wissen, dass Tabakanbau Handarbeit ist, weltweit sind 17 Millionen Menschen damit beschäftigt", sagt von Eichborn.
Das sind die Folgen
- Beim Anbau sind ihr zufolge Kinder Pestiziden ausgesetzt.
- Sie arbeiten mit scharfen Werkzeugen und nehmen Nikotin durch die Haut auf. "Das führt zu einer Tabakvergiftung mit den Folgen von Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen."
- Bei der Trocknung der Tabakblätter sind die Kinder Qualm und Rauch aus den Öfen ausgesetzt, bei der Sortierung den Tabakstäuben. Dies führt zu Atemwegserkrankungen.
Laut Unfairtobacco handelt es sich
damit nach den Standards der Internationalen Arbeitsorganisation um
eine der schlimmsten Formen der Kinderarbeit.
In Deutschland spielt der Tabakanbau nach dem Wegfall von
EU-Subventionen 2009 kaum noch eine Rolle. Das Land gehört aber mit
109,8 Milliarden ausgeführten Zigaretten (2018) zu den größten
Exporteuren der Welt und ist Standort einer der größten Anbieter von
Maschinen für die Zigarettenproduktion.
Wie die Industrie gegensteuern will
Der Zigarettenverband ist sich der Problematik durchaus bewusst.
Kinderarbeit sei im gesamten Landwirtschaftssektor in
Entwicklungsländern zu finden, nicht nur im Tabakanbau.
"Wir möchten
nicht, dass Tabak unter diesen Bedingungen angebaut wird", betont
Geschäftsführer Jan Mücke. Deshalb hätten global tätige
Verbandsmitglieder mit anderen Partnern die Stiftung "Eliminating
Child Labour in Tobacco Foundation (ECLT)" gegründet.
Diese Stiftung gegen Kinderarbeit im Tabakanbau hat laut Mücke seit
2011 über 650.000 Kinder und ihre Familien erreicht. In sechs Ländern
werde versucht, Kinder aus dem Tabakanbau in die Schule umzulenken.
Verbandsmann Mücke betont, es sei "internationaler Konsens", dass
Kinderarbeit nicht durch eine einseitige Fokussierung auf einzelne
Rohstoffe oder Lieferketten überwunden werden könne. Für nachhaltige
Verbesserungen in den betroffenen Regionen sei ein umfassender von
der Regierung über die Wirtschaft bis hin zu lokalen Gemeinschaften
unterstützter Ansatz notwendig.
Und was der Gesetzgeber tun könnte
Bei Unfairtobacco findet das wenig Beifall. Von Eichborn sagt dazu: "Das führt
nicht zu strukturellen Veränderungen im Tabakanbau und erfüllt nur
das Maß, das man braucht, um gute Presse zu bekommen."
Beide Expertinnen von DKFZ und Unfairtobacco sprechen sich für ein Lieferkettengesetz aus. Damit könnte die deutsche
Zigarettenindustrie haftbar gemacht werden für Verstöße gegen Kinder-
und Menschenrechte an jeder Station der Lieferkette, auch im Ausland.
Entsprechende gesetzliche Rahmen gebe es bereits in den Niederlanden
und Frankreich.
Von freiwilligen Selbstverpflichtungen halten sie
nichts. Die Firmen scheuten den Aufwand, für die einzelnen Teile
ihrer Produkten Kinderarbeit auszuschließen.
(pcl/dpa)
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