Kandidat attackiert Erdogan im türkischen TV – aus der Gefängniszelle
Nach mehr als anderthalb Jahren Untersuchungshaft hat sich der pro-kurdische Präsidentenkandidat Selahattin Demirtas erstmals aus dem Gefängnis heraus direkt an die Öffentlichkeit gewandt.
- In einer zehnminütigen, aufgezeichneten Wahlkampfrede im Staatssender TRT warnte Demirtas am Sonntag vor einer "Ein-Mann-Herrschaft" des Präsidenten Erdogan.
- Diese Rede stand ihm im türkischen Wahlkampf per Gesetz zu.
- Der ehemalige HDP-Chef ist seit November 2016 im westtürkischen Edirne inhaftiert.
- Ihm werden unter anderem Mitgliedschaft in der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vorgeworfen.
- Am 24. Juni wird in der Türkei gewählt, seit dem 7. Juni können türkische Wahlberechtigte, die in Deutschland, Österreichoder Frankreich leben, ihre Stimme abgeben.
- Die Parlaments-und Präsidentenwahlen in der Türkei finden gleichzeitig statt.
Für seinen Auftritt besorgte sich Demirtas im Gefängnis offenbar noch einen dunklen Anzug:
Der staatliche Sender TRT hatte den Beitrag in der Zelle des Gefängnisses im nordwesttürkischen Edirne aufgezeichnet, weil die Behörden ihm eine Fahrt zum Studio des Senders in Ankara untersagt hatten.
Dem Sender TRT war vorgeworfen worden, in aller Breite über den Wahlkampf Erdogans zu informieren, andere Kandidaten, aber vor allem die HDP und Demirtas, zu ignorieren. Es war das erste Mal, dass sich ein Kandidat aus der Gefängniszelle heraus äußerte.
Gewinne Erdogan und seine islamisch-konservative Partei AKP die Wahlen am 24. Juni, hänge das Schicksal der Türken "vollständig an der Gnade einer Person", sagte Demirtas. Die Türkei werde sich in ein "autoritäres, tyrannisches und von der Demokratie abgerissenes Land" verwandeln. Seine Partei HDP dagegen stehe für Demokratie, sagte er.
Demirtas hatte bislang nur indirekt Wahlkampf geführt. Er gab etwa Interviews über seine Anwälte oder ließ durch seine Mitarbeiter Twitter-Nachrichten versenden.
(aj/dpa/afp)