Regierungschef Babis musste eine Niederlage einräumenBild: www.imago-images.de / Tomas Tkacik
International
Beobachter sprechen von einem politischen
Erdbeben: Bei der Parlamentswahl in Tschechien haben zwei
liberal-konservative Oppositionsbündnisse überraschend die Mehrheit
errungen. Der populistische Regierungschef Andrej Babis musste am
Samstag eine Niederlage einräumen. Der Multimilliardär gratulierte
seinem Kontrahenten Petr Fiala am Ende eines spannenden Wahlabends zu
einem "tollen Endspurt".
Die ANO von Babis kam nach dem vorläufigen Endergebnis nur auf
27.1 Prozent und voraussichtlich 72 Mandate. Die Oppositionsbündnisse
kamen gemeinsam auf 108 der 200 Sitze im Abgeordnetenhaus in Prag.
Das konservative Wahlbündnis Spolu (Gemeinsam) lag bei 27.8 Prozent
der Stimmen und allein bei 71 Mandaten, die Allianz von Piraten- und
Bürgermeisterpartei bei 15.6 Prozent und 37 Mandaten.
Enthüllungen auf den letzten Metern
Babis war zum Ende des Wahlkampfs mit Enthüllungen aus den
"Pandora Papers" konfrontiert worden. Nach Recherchen eines
internationalen Journalistennetzwerks soll Babis 2009 über
ausländische Briefkastenfirmen Immobilien in Frankreich gekauft
haben. Er bestritt Vorwürfe der Geldwäsche und der
Steuerhinterziehung.
Babis sagte: "So ist das Leben, wir verstehen und akzeptieren
das." Zugleich warf der 67-Jährige der Opposition eine
"Schmutzkampagne" vor und ließ sich eine Hintertür offen. Sollte ihn
Präsident Milos Zeman dennoch mit der Regierungsbildung beauftragen,
werde er verhandeln, gab Babis bekannt.
"Der Wechsel ist da, wir sind der Wechsel", sagte
Spolu-Spitzenkandidat Fiala, der Anspruch auf die Bildung einer
Mehrheitsregierung erhob. Der frühere Rektor der Masaryk-Universität
in Brünn (Brno) gilt als angesehener Akademiker.
Pattsituation droht
Nach der Wahl droht jedoch eine Pattsituation. Präsident Zeman
hatte in der Vergangenheit mehrmals betont, er werde keiner
Koalition, sondern der stärksten Einzelpartei den Regierungsauftrag
geben. Das wäre in jedem Fall die populistische ANO von Babis, da
Spolu aus den drei Parteien ODS, TOP09 und KDU-CSL besteht.
Ein Sprecher des Präsidenten kündigte an, dass dieser Babis
bereits am Sonntag zu einem Gespräch empfangen werde. Der 77-jährige
Zeman macht aus seiner Unterstützung für den Politiker keinen Hehl.
"Im Grunde respektiert er nicht die Mehrheit im Parlament", sagte der
Politologe Tomas Lebeda im Sender CT. Das widerspreche der
Verfassung, die darauf abziele, Mehrheiten zu finden.
Debakel für Sozialdemokraten
Einen Präzedenzfall gibt es bereits: Im Jahr 2013 überging Zeman
die Konservative Miroslava Nemcova, obwohl sie die Mehrheit der
Abgeordneten hinter sich versammeln konnten. Stattdessen machte er
seinen Vertrauten und heutigen Nationalbankchef Jiri Rusnok zum
Premier. Derzeit wachsen die Sorgen über den Gesundheitszustand des
Präsidenten, der erst kürzlich das Krankenhaus verlassen konnte.
Zeman wählte von zu Hause aus.
Die Beteiligung lag diesmal bei rund 65 Prozent - deutlich mehr
als beim letzten Urnengang vor vier Jahren. In Prag wählten besonders
viele jungen Menschen. Ein Debakel erlebten die bisherigen Partner
der Babis-Partei: Die Sozialdemokraten (CSSD), die mit ihr koaliert,
und die Kommunisten, die sie toleriert hatten, scheiterten an der
Fünfprozenthürde. Innenminister Jan Hamacek gab seinen Rücktritt als
CSSD-Parteivorsitzender bekannt.
Vier Parteien im Parlament
Die Regierung war unter anderem wegen ihres
Corona-Krisenmanagements in die Kritik geraten. In Tschechien mit
seinen 10.7 Millionen Einwohnern starben mehr als 30 500 Menschen im
Zusammenhang mit Covid-19.
Im Parlament werden nur noch vier Parteien vertreten sein. Die
rechte Freiheit und direkte Demokratie, die gegen Migranten, Muslime,
die EU und die Nato wettert, kam auf knapp zehn Prozent der Stimmen.
Auch Babis hatte sich im Wahlkampf an der Seite seines ungarischen
Kollegen Viktor Orban als Kämpfer gegen Migration präsentiert. Nach
Einschätzung von Beobachtern könnten ihm moderatere Wähler die
nationalistischen Töne übelgenommen haben./hei/DP/nas
(fas/dpa)
Anfang des Jahres führte Günther Felßner noch als Vorsitzender des Bayerischen Bauernverbands die Proteste der Landwirte gegen die Ampel-Regierung in Berlin an. Mit gelber Warnweste stand er an der Spitze von Traktor-Kolonnen und protestierte unter anderem gegen die Politik von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne).