Beleidigungen, Demütigungen, Lügen und Hassreden – das ist "Der Abend mit Solowjow". Eine Talkshow, die auf dem Staatssender "Russiya1" läuft. Der Gastgeber ist einer der einflussreichsten Propagandisten Russlands: Wladimir Solowjow.
Gemeinsam mit seinen Studiogästen hetzt er leidenschaftlich gegen die Ukraine und ihre Verbündeten. Den russischen Angriffskrieg verherrlicht der Kreml-Propagandist.
Kürzlich diskutierte Solowjow mit seiner Kollegin Margarita Simonjan darüber, was passiert, wenn Russland den Angriffskrieg gegen sein Nachbarland verliere. Er sagte dazu:
Seit 2010 ist Solowjow in Russland ein bekannter Radio- und Fernsehmoderator, dabei galt er früher als ein unabhängiger angesehener Journalist. Heute hetzt er für den Kreml und schießt scharf gegen die Ukraine. Auch das war 2013 noch anders. Damals lehnte er die Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim strikt ab.
Für die russische Zeitung "Novaya Gazeta" analysiert die Journalistin Vera Chelisheva die Karriere von Solowjow. Die Zeitung ist eines der wenigen verbliebenen unabhängigen Medien in Russland. 2021 erhielt der Chefredakteur Dmitri Muratow den Friedensnobelpreis.
In einem Artikel stellt Chelisheva zwei Aussagen des Propagandisten gegenüber.
Die erste stammt aus einer offenen Gesprächsrunde 2013. Eine Zuschauerin fragte Solowjow, ob er die Eingliederung der Krim befürworten würde. Seine Antwort lautete:
Krimtatar:innen sind ein muslimisches Turkvolk, das unter anderem auch auf der Halbinsel Krim angesiedelt ist.
Solowjow argumentierte damals, dass Russland seine post-imperialen Schmerzen überwinden müsse. "Welchen Zeitpunkt der Geschichte werden wir nehmen, um zu bestimmen, was wir uns nehmen dürfen und was nicht?", fragte er die Frau, die sich die Krim zurück in russische Hände wünschte. Ein Jahr später sollte ihr Wunsch in Erfüllung gehen. Und Solowjows Position zur Krim veränderte sich dramatisch.
2014 äußerte sich Solowjow zur Annexion der Krim:
Der Journalistin Chelisheva zufolge sei Solowjow unbestreitbar talentiert, sich dermaßen zu verbiegen: von bissiger Kritik bis hin zur übertriebenen Anbetung.
Der Journalist bezweifelt, dass Solowjow eine tiefe Hingabe zu den Werten und Interessen des Kremls besitzt. Seiner Meinung nach buhlt er in erster Linie um die Gunst der russischen Regierung – mit Erfolg. 2014 verlieh ihm der Kreml eine Staatsmedaille für seine "objektive Berichterstattung über die Ereignisse auf der Krim".
Dabei wollte Solowjow ein Ingenieur werden. Er schloss sein Studium am "Moskauer Institut für Stahl und Legierungen" mit Auszeichnung ab. Dann folgten Diplom- und Doktorarbeit am "Institut für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen" sowie an der "Akademie der Wissenschaften der UdSSR". Anschließend reiste er in die Vereinigten Staaten, wo er angeblich Vorlesungen über Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Alabama hielt – das behauptet er zumindest selbst. Aber dann kehrte er zurück nach Moskau, um Geld zu verdienen. Die Zeitung "Nowaja Gazeta" zitiert Solowjow dazu:
Schließlich fand er seinen Weg in den Journalismus und wurde zum einflussreichsten Sprachrohr des Kremls. Heute überschwemmt er das russischsprachige Publikum täglich mit Hetzreden, anti-westlicher und anti-ukrainischer Desinformation, Hass und Gewaltfantasien. Auch in den sozialen Medien ist er aktiv, insbesondere bei Telegram, wo er Berichten zufolge ein angeschlossenes Netzwerk von 17 Telegram-Kanälen betreibt.
Im März 2022 blockierte Youtube Solowjows Kanäle, nachdem er zu weiteren Bombenanschlägen in Kiew – einschließlich ziviler Ziele – aufrief. Das Vereinigte Königreich und die Europäische Union haben ihn wegen Untergrabung sowie Bedrohung der territorialen Integrität, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine sanktioniert.
Solowjow habe im Laufe seiner langjährigen Arbeit beim russischen Staatsfernsehen ein "absolutes Gefühl der Straffreiheit" entwickelt, meint Chelisheva. "In jeder Sendung beleidigt er Ukrainer, Amerikaner, russische Oppositionelle und ehemalige Kollegen unabhängiger Medien", schreibt er. Auch die Mitarbeiter:innen der unabhängigen "Novaya Gazeta" habe er als "widerliche, dumme, vulgäre Menschen" und "Abschaum" beleidigt.
In seiner Fernsehsendung "Der Abend mit Solowjow", aber auch über das Radio und die sozialen Medien, verbreitet er unentwegt Desinformation und Propaganda. Dazu einige Beispiele:
Immer wieder droht Solowjow auch Deutschland. Ihm zufolge könnte Russland Berlin ohne Mitleid zerstören. Er sagt dazu:
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bleibt von Solowjow nicht verschont. Regelmäßig zieht er Vergleiche zwischen Scholz und Adolf Hitler. "Warum hast du deinen Schnurrbart abrasiert? Adolf, wir haben dich nicht erkannt!", kommentiert er ein Video von Scholz in seiner Abendsendung.
Polens Ministerpräsident Mateusz Jakub Morawiecki und die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin wären seiner Meinung nach heute russische Gouverneure im russischen Imperium – "hätten die Verräter die Monarchie nicht verraten".
Bei seinen Reden verwendet Solowjow oft eine provozierende Stille zwischen den Worten. Er hält inne, verschränkt die Arme vor der Brust, seufzt bedeutungsvoll. Auf seinem Gesicht malen sich Züge der Verachtung ab.
Laut Chelisheva ist Solowjows Selbstironie vollends verflogen. Dabei sei sie in jungen Jahren so charakteristisch für ihn gewesen. Auch verkümmere sein Sinn für Humor zunehmend wohl aufgrund der täglichen und anstrengenden Arbeit. Schließlich erwartet das russischsprachige Publikum immer mehr, erklärt Igor Yakovenko, ehemaliger Generalsekretär der Union der Journalisten Russlands. Gegenüber der Zeitung "Novaya Gazeta" sagt er:
Laut Yakovenko warten sie darauf, dass ihnen wieder gesagt wird, wie schrecklich es im Westen zugehe. "Aber wie bei echten Drogen werden auch hier immer stärkere benötigt", erklärt er. Solowjows Sendungen werden dadurch mit der Zeit also noch gehässiger und hasserfüllter.