Seit drei Jahren sitzt der Kreml- und Putin-Kritiker Alexej Nawalny in Russland hinter Gittern. Bild: AP / Vladimir Kondrashov
Russland
Er hat sich mit Russlands politischer Elite angelegt: Seit drei Jahren sitzt der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hinter Gittern. Der inhaftierte russische Oppositionspolitiker ist damals in vollem Bewusstsein über eine mögliche Verhaftung nach Russland zurückgekehrt, wie er kürzlich verriet. Noch am Flughafen folgte die Festnahme, später wurde er in einem fragwürdigen Prozess zu 19 Jahren Haft wegen angeblichen Extremismus verurteilt. International gilt Nawalny als politischer Gefangener.
Inzwischen sitzt er in einem Gefängnis, etwa 60 Kilometer nördlich des Polarkreises. Die Bedingungen, unter denen er in der Haft lebt, sind allerdings bescheiden. So berichtet er von Gewalt, Schikane und nicht angemessener medizinischer Versorgung. Immer wieder weisen Menschenrechtler:innen auf den angeschlagenen Gesundheitszustand Nawalnys hin.
Weltweit demonstrierten Menschen für die Freilassung Nawalnys. Bild: imago images / Pacific Press Agency
Zu allem Überfluss muss der inhaftierte Oppositionspolitiker offenbar noch eine weitere Schikane über sich ergehen lassen. Seinen eigenen Angaben zufolge wird er jeden Morgen dazu gezwungen, Musik zu hören. Dabei soll es sich um Musik eines Pro-Putin-Popsängers handeln.
Kreml-Kritiker Nawalny berichtet von zusätzlicher Schikane im Gefängnis
Nawalny ist ein ehemaliger Anwalt, der vor mehr als einem Jahrzehnt bekannt wurde, indem er die russische Elite um Präsident Wladimir Putin lächerlich machte. Zudem erhob er Vorwürfe über enorme Korruption. Er wollte ins politische Geschehen eingreifen.
Für Putin ein Dorn im Auge.
Die Verhaftung Nawlanys hat international für Aufsehen gesorgt.Bild: AP / Alexander Zemlianichenko
Im Land des Kreml-Machthabers hat öffentliche Kritik oft schwere Folgen. Für Nawalny bedeutet das laut Urteil, sein Leben wohl mindestens bis zu seinem 74. Lebensjahr hinter Gittern zu verbringen. Der Kreml-Kritiker schafft es jedoch regelmäßig, über Anwälte oder Bekannte, Informationen an die Öffentlichkeit zu tragen.
In einer Nachricht, die sich auf Social Media verbreitete und die von seinen Verbündeten vermittelt wurde, beschrieb der 47-Jährige eine surreale Morgenroutine im Gefängnis.
Internationale Medien wie "Independent" oder "The Guardian" berichteten in Berufung auf die Nachrichtenagentur Reuters über die ungewöhnliche Musik-Stunde. Demnach schrieb er:
"Hier hören wir jeden Tag um 5 Uhr morgens den Befehl: 'Steh auf!', gefolgt von der russischen Nationalhymne, und gleich danach wird das zweitwichtigste Lied des Landes gespielt, 'Ich bin Russe' von Shaman."
Russland: Pro-Putin-Sänger hat volle Unterstützung der Politik-Elite
Der russische Sänger Shaman, der mit bürgerlichem Namen Jaroslaw Dronow heißt, hat sich auf einer Welle von kriegsbegeistertem Patriotismus zu einer festen Größe im Staatsfernsehen entwickelt. Er ist laut Reuters einer der Prominenten, die Putin offiziell für eine erneute Kandidatur für das Präsidentenamt im März vorschlagen.
Shaman hat sich zu einer festen Größe im Staatsfernsehen entwickelt – auch dank Putin. Bild: imago images / SNA
Sein bekanntestes Lied, das er manchmal in einem Lederoutfit mit einer Armbinde in den Farben der russischen Flagge vorträgt, strotzt nur so von Patriotismus. Der Song "Ich bin Russe" handelt davon, dass russische Menschen nicht "gebrochen werden können", "bis zum Ende gehen" und das Blut ihrer Väter in sich tragen.
Der 32-jährige Sänger hatte bereits im November für Kontroversen gesorgt, als er bei einem im Staatsfernsehen übertragenen Konzert die Zündung einer Atombombe simulierte. Er drückte einen roten Knopf in einem nachgebildeten Atomkoffer, bevor um ihn herum ein Feuerwerk ausbrach.
Nawalny bezeichnet Musik im Gefängnis als "Postironie"
"Der Sänger Shaman wurde bekannt, als ich bereits im Gefängnis saß, sodass ich ihn weder sehen noch seine Musik hören konnte", lässt Nawalny verlauten. Dennoch habe er sofort gewusst, dass der Sänger nun Putins Hauptsänger geworden war.
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Die Ironie, so Nawalny, bestehe darin, dass die staatliche Propaganda einst die Tatsache hervorgehoben habe, dass er mit russischen Nationalisten auf jährlichen Märschen marschiert sei. Nun, Jahre später, werde ihm bei seinen morgendlichen Gefängnisübungen zu Erziehungszwecken ein ultranationalistischer Popsong vorgespielt. "Um ehrlich zu sein, bin ich mir immer noch nicht sicher, ob ich richtig verstehe, was Postironie oder Meta-Ironie sind. Aber wenn es das nicht ist, was ist es dann?", witzelt Nawalny.
Mehr als zweieinhalb Jahre nach Wladimir Putins Ankündigung, Kiew innerhalb weniger Tage einzunehmen, setzt sich das Töten, Sterben und Verwunden an der ukrainischen Front ungebremst fort. Den gefährlichen Kampfeinsatz versüßt der russische Machthaber seinen Soldaten mit stetig steigenden Solden.