Triggerwarnung: Im folgenden Text werden Gewalthandlungen geschildert, die belastend und retraumatisierend sein können.
Es sind Szenen, die nur schwer zu ertragen sind. Drei russische Soldaten rennen über ein Feld. Ein Drohne erwischt den Mann in der Mitte, er fällt zu Boden, windet sich, an seiner Hose bildet sich ein dunkler Fleck: Blut.
Sein Kamerad schreitet auf ihn zu. Man erwartet, dass er den Verwundeten über sein Schulter wirft und ihn in Sicherheit bringt, wo ihn Sanitäter verarzten können. Doch es kommt anders.
Der Soldat bleibt vor dem am Boden liegenden Kameraden stehen, richtet seine Waffe auf ihn und drückt ab – ohne mit der Wimper zu zucken. Das war offenbar nicht das erst Mal, dass dieser Soldat auf seine eigenen Leute schießt. Das Opfer deutet noch kurz zuvor mit der Hand auf seine Schläfe, als forderte er ihn zu dem drastischen Schritt auf.
Diese Aufnahme geht viral auf Social Media und schockiert sogar abgehärtete Militärblogger:innen. Die Echtheit des Videos lässt sich nicht überprüfen. Auch der genaue Zeitpunkt und Ort des Geschehens sind nicht bekannt. Zuerst tauchte es auf dem Telegram-Kanal "Russia No Context" auf und verbreitete sich dann auf russischen und ukrainischen Kanälen.
Laut des polnischen Fernsehsenders Belsat wurde das Video von einer ukrainischen Drohne aufgenommen. "Der Kanal, der das Video zuerst veröffentlichte, behauptet, die Russen hätten eine Vereinbarung getroffen – im Falle eines Drohnenangriffs sollten sie die Verwundeten erledigen", heißt es weiter. Der Vorfall soll sich in der Nähe der Front und ukrainischer Stellungen ereignet haben.
Der Brite Shaun Pinner, der selbst als Soldat in der Ukraine kämpfte, zeigt sich weniger überrascht von dem Vorgang. Er teilt das Video mit der zynischen Anmerkung: "Die Erste-Hilfe-Ausbildung ist in Russland ein wenig anders!"
Das brutale Vorgehen der Russen gegen ihre eigenen Soldaten ist bekannt – bisher standen jedoch vor allem Berichte über sogenannte "Sperrtruppen" oder "Blockadeeinheiten" des russischen Militärs im Fokus.
Diese Einheiten sollen hinter den eigenen Linien auf Kameraden schießen, die sich von der Front zurückziehen wollen. Im Sommer 2023 sorgte dazu eine Aufnahme für Empörung.
Nun erschießen russische Soldaten offenbar auch ihre verwundeten Kameraden. Expertenstimmen und Militärblogger:innen deuten das als Zeichen dafür, wie schlecht es um die Logistik des russischen Militärs steht.
Den Russen fehle der "Luxus" an militärischer medizinischer Ausbildung und Logistik, meint Ex-Soldat und Militärblogger "Mrgunsngear" aus den USA auf X. "Vielleicht war das die beste verfügbare Option", sagt er über den Russen, der seinen Kameraden "erlöste".
Es zirkulieren zudem zahlreiche Videos auf Social Media, die angeblich zeigen, wie verwundete Russland-Soldaten Suizid begehen.
"Ich sehe ja berufsbedingt viele Videos vom Schlachtfeld in der Ukraine. Was mir auffällt ist der sehr häufige Suizid verletzter russischer Soldaten", schreibt Stefan Thumann auf X dazu. Er ist Geschäftsführer des Start-up Donaustahl, das etwa geschützte Ampullenträger an die Ukraine liefert.
Laut Thumann beenden die russischen Soldaten lieber ihr Leben, als darauf zu hoffen von ihren Kameraden gerettet zu werden. "Denn die Kameraden werden nicht kommen. Für die Russen sind Menschenleben nichts wert. Auch nicht das Leben der eigenen Leute", lautet sein Fazit.
Die Zahl der getöteten oder verwundeten russischen Soldaten soll die Marke von 350.000 überschritten haben, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg im März. Das Land zahle einen sehr hohen Preis für marginale Geländegewinne.