
U-Boote sind im Idealfall für normale Menschen nicht sichtbar.Bild: dpa
Analyse
Die Sichtung eines U-Boots an der Ostsee wirft Fragen auf. So steht es um die fortschreitende Militarisierung – und die damit einhergehende Eskalation – in der Ostsee.
10.08.2025, 12:4810.08.2025, 12:48
Eigentlich wollten die Urlauber:innen in Sassnitz nur den Blick aufs Meer genießen, die Sonne im Gesicht, einen Cocktail in der Hand. Bis am Horizont etwas auftaucht, das nicht in diesen friedlichen Postkartenmoment passte.
Zwischen den weißen Schaumkronen schob sich eine dunkle Silhouette ins Bild, groß, glatt, bedrohlich. Ein U-Boot, dicht begleitet von einem Schiff der Küstenwache.
Ein Urlauber hielt die Szene mit seinem Handy fest, zoomte heran. Das Metall glänzte, die Wellen brachen sich am Bug.
Später lud er das Video auf Facebook hoch – und wurde vorübergehend gesperrt. Zurück bleibt die Frage: Warum taucht ein U-Boot so offen und sichtbar vor der deutschen Ostseeküste auf?
Urlauber an der Ostsee haben U-Boot vor Sassnitz gesichtet
Nach eigenen Angaben des filmenden René Baier meldete sich wenig später ein Vertreter des Kieler Rüstungsunternehmens ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) bei ihm. Laut "Frankfurter Rundschau" äußerte dieser die dringende Bitte, sämtliche Aufnahmen zu löschen und keine weiteren Informationen zu verbreiten.
Der Rüstungskonzern selbst äußerte sich bisher nicht zur Identität des Boots und verwies auf militärische Geheimhaltung.
Die Szene vor Sassnitz ist jedoch kein isoliertes Kuriosum, sondern Symptom einer größeren Entwicklung. Die Ostsee, lange vor allem als Urlaubsregion und Handelsroute, "ist zum Brennpunkt militärischer Aktivitäten geworden", erklärte die Sicherheitsexpertin Katarzyna Zysk gegenüber "DW".
Urlaubsregion Ostsee als geopolitischer Brennpunkt
Denn Küstenstaaten der NATO und das benachbarte Russland erhöhen seit Jahren die militärische Präsenz. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine mehren sich besorgniserregende Zwischenfälle zu Wasser, unter der Oberfläche und in der Luft.
"Eine weitere Eskalationsstufe im Ostsee-Raum im Konflikt mit Russland steht unmittelbar bevor", warnt Helge Adrians von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik gegenüber "DW".
Ein zentraler Schauplatz der Auseinandersetzung ist der Kampf um den russischen Rohstoffhandel – vor allem die sogenannte Schattenflotte. Diese Tanker fahren mit verschleierten Eigentümerstrukturen, wechselnden Flaggen und teils abgeschalteten Ortungssystemen. Laut KSE-Institut wickelten solche Schiffe im Mai 2025 rund 70 Prozent der russischen Rohölexporte ab – Einnahmen: 17 Milliarden Euro. Adrians geht nun laut "DW" von einer deutlichen Steigerung "der Begleitung russischer Schattentanker durch die russische Marine an Nord- und Ostsee" aus.
Dänemark hat reagiert: Seit Februar 2025 wurden vor Skagen über 60 Tanker kontrolliert, zwei wurden sogar festgesetzt. "Die Maßnahme wird als Reaktion auf den Verkehr älterer Schiffe ergriffen, die Öl durch die dänischen Meerengen transportieren, was ein erhöhtes Risiko und Anlass zur Sorge für die Sicherheit auf See, die Seeleute und die Umwelt darstellt", erklärt die dänische Seeschifffahrtsbehörde laut "DW".
Sabotage unter Wasser: Der Fall EAGLE-S
Zu den sichtbarsten Eskalationen in der Ostsee gehören Angriffe auf kritische Infrastruktur unter Wasser. Stromkabel, Pipelines und Datenleitungen sind in den vergangenen Jahren mehrfach beschädigt worden – oft unter Verdacht russischer Beteiligung, ohne dass dies zweifelsfrei bewiesen werden konnte.
Ein besonders aufsehenerregender Fall ereignete sich im Dezember 2024: Das Frachtschiff EAGLE-S verließ den russischen Hafen Ust-Luga und durchquerte bei seiner Fahrt die Ostsee. Über dem Unterseekabel Estlink 2 zwischen Finnland und Estland verlangsamte es plötzlich die Fahrt. Kurz darauf meldete der finnische Netzbetreiber Fingrid einen Stromausfall. Ermittlungen ergaben, dass drei weitere Kabel entlang der Route gestört waren.
Schließlich setzten die Behörden das Schiff fest. Im Anschluss fanden sie einen schwer beschädigten Anker – ein Hinweis auf eine bekannte Sabotagetaktik: das Schleifen des Ankers über den Meeresboden, um Kabel und Pipelines zu zerstören.
Boris Pistorius betonte laut "DW": "Niemand glaubt, dass diese Kabel aus Versehen durchtrennt worden sind." Estlands Innenminister Lauri Läänemets sprach offen von einem "Angriff", auch Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson betonte, feindselige Absichten könnten nicht ausgeschlossen werden.
Die EAGLE-S fuhr zwar unter der Flagge der Cook-Inseln, gehört offiziell einem Unternehmen in den Vereinigten Arabischen Emiraten – transportierte 2024 jedoch ausschließlich russische Fracht. Laut der EU zählt sie zur russischen Schattenflotte.
"Kritische Infrastruktur anzugreifen ist seit mindestens 15 Jahren Teil der russischen Militärdoktrin", erklärte Sicherheitsexpertin Katarzyna Zysk gegenüber "DW". Damit könne Moskau demonstrieren, wie groß seine Bedrohung ist – und dadurch gezielt Angst und Verunsicherung in westlichen Gesellschaften schüren.
Russische Bedrohung zu Luft: Provokations-Dynamik steht bevor
Die Spannungen spielen sich nicht nur unter Wasser ab. Immer häufiger würden Drohnen unklarer Herkunft gesichtet, bei denen der Verdacht auf Russland fällt, erklärt Christian Bueger von der Universität Kopenhagen der "DW". "Vorstellbar ist etwa, dass eine Windfarm beschädigt wird mit Drohnen – mit entsprechendem Eskalationspotenzial", warnt Bueger.
Europa müsse sich "auf eine Provokations-Dynamik mit Russland einstellen, die sich nicht nur auf dem Meer abspielt", prognostiziert Bueger also.
Wie der NDR berichtete, fing die deutsche Luftwaffe im Juni 2025 östlich von Rügen ein russisches Aufklärungsflugzeug ohne Transpondersignal ab. Ein Vorfall, der in der Vergangenheit bereits mehrfach geschah.
Taktik des Westens: Mehr Drohnen, Manöver und Aufrüstung
Polen reagierte laut dem "Merkur" auf die Bedrohung mit einer massiven Aufrüstung seiner Küstenüberwachung. Ministerpräsident Donald Tusk kündigte im Mai den schnellen Kauf von Marinedrohnen der US-Firma HavocAI an. Ziel sei, die Aktivitäten unter Wasser, auf der Wasseroberfläche und in der Luft effektiver zu überwachen.
Auch Deutschland selbst investiert massiv: Laut "Frankfurter Rundschau" sollen 20 neue Eurofighter die 68 alternden Tornados ergänzen, zusätzlich zu den bereits bestellten 35 F-35-Tarnkappenjets.
Doch mit jedem Manöver und jeder Kontrolle steigt die Gefahr, dass ein Zwischenfall eskaliert. "Letztendlich geht es jetzt auf beiden Seiten darum, auszutesten, wie der andere reagiert", erklärt Bueger gegenüber "DW". Ob das U-Boot vor Sassnitz zu dieser Abschreckungstaktik gehört, bleibt vorerst unklar.
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