EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen meint: " "Bei Ungarn ist das Problem Korruption"Bild: AA / Dursun Aydemir
International
Ungarn kassiert jährlich Milliarden aus dem EU-Haushalt. Aber geht das Land auch anständig mit dem Geld um? Die EU-Kommission meint Nein - und macht einen historischen Schritt.
05.04.2022, 16:5205.04.2022, 16:54
Ungarn muss sich wegen möglicher Verstöße gegen die
Rechtsstaatlichkeit als erstes Land einem Verfahren zur Kürzung von
EU-Mitteln stellen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
kündigte am Dienstag im Straßburger Europaparlament an, dass ihre
Behörde den ersten Schritt des sogenannten Rechtsstaatsmechanismus
unternehmen werde. Darüber habe die EU-Kommission die ungarischen
Behörden am Dienstag informiert.
"Bei Ungarn, wir haben uns sehr klar ausgedrückt, ist das Problem
Korruption", sagte von der Leyen. Man sei derzeit nicht in der Lage,
einen gemeinsamen Nenner zu finden. Im Parlament erntete von der
Leyen für ihre Ankündigung Applaus. Damit Ungarn tatsächlich
EU-Mittel gekürzt werden, bedarf es im letzten Schritt noch der
Zustimmung von mindestens 15 der EU-Staaten mit 65 Prozent der
EU-Bevölkerung. Vorher hat Budapest mehrfach die Möglichkeit, sich zu
den Vorwürfen zu äußern.
Polen und Ungarn im Fokus
Der sogenannte EU-Rechtsstaatsmechanismus ist seit Anfang 2021 in
Kraft. Er soll dafür sorgen, dass Verstöße gegen rechtsstaatliche
Prinzipien wie die Gewaltenteilung nicht mehr ungestraft bleiben,
wenn dadurch ein Missbrauch von EU-Geldern droht.
Polen und Ungarn sahen sich besonders im Fokus des Instruments und
klagten deshalb dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof. Dieser wies
die Klagen im Februar jedoch ab. Beide Staaten bekommen jährlich
Milliarden aus dem Gemeinschaftsbudget.
Orban nach Wahlsieg gestärkt
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban dürfte sich in seinem Kurs
allerdings bestärkt fühlen. Seine rechtsnationale Fidesz-Partei
gewann am Sonntag deutlich die Parlamentswahl. Sie kam auf 53 Prozent
der Stimmen und sicherte sich damit das vierte Mal in Folge eine
verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit im Parlament.
Das Europaparlament macht schon seit langem Druck auf die
EU-Kommission, den Rechtsstaatsmechanismus auszulösen. Die Behörde
betonte jedoch stets, auf das EuGH-Urteil warten zu wollen. Dadurch
sei kein Fall verloren gegangen, sagte von der Leyen auch am
Dienstag. Das Parlament verklagte die EU-Kommission wegen ihrer
Zögerlichkeit sogar vor dem EuGH - das Verfahren läuft noch.
Kritik an zögerlichem Vorgehen
Entsprechend begrüßten Europaabgeordnete von der Leyens Ankündigung
am Dienstag. "Es ist absolut richtig, dass Ursula von der Leyen
Sanktionen für die massiven Rechtsstaatsverstöße der Orban-Regierung
auf den Weg bringt", sagte der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund.
Zugleich bemängelte er jedoch: "Für Ungarns Demokratie könnte es aber
schon zu spät sein." Die EU-Kommission habe den richtigen Zeitpunkt
für ein konsequentes Vorgehen gegen Orban um Jahre verpasst.
Der FDP-Abgeordnete Moritz Körner sprach von einer "guten Nachricht
für die Demokratie in Europa". "Die späte Aktivierung hat jedoch auch
einen faden Beigeschmack." Mit der späten Entscheidung habe von der
Leyen Ministerpräsident Orban vier weitere Jahre im Amt geschenkt.
Dieser könne die "Demolierung der ungarischen Demokratie" nun
fortführen.
(fas / dpa)
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