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Mike Johnson und die Ukraine-Hilfen zeigen: Donald Trump ist nicht allmächtig

Speaker of the House Mike Johnson, R-La., speaks as Republican presidential candidate former President Donald Trump listens during a news conference, Friday, April 12, 2024, at Mar-a-Lago in Palm Beac ...
Der Entschluss von Mike Johnson (l.), die Ukraine-Hilfen zu verabschieden, lässt Donald Trump schwach aussehen. Sein Einfluss in der Partei ist nicht grenzenlos.bild: AP / Wilfredo Lee
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Mike Johnson und die Ukraine-Hilfen zeigen: Donald Trump ist nicht allmächtig

25.04.2024, 07:23
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Während in der Ukraine Soldat:innen an der Front ums Überleben kämpfen, spielten die Republikaner monatelang Politik im US-Repräsentantenhaus. Vor allem die ultrarechten Maga-Trump-Anhänger:innen blockierten die Ukraine-Hilfen. Maga steht für Trumps Wahlspruch "Make America Great Again".

Im Mittelpunkt der Debatte steht der Sprecher des Repräsentantenhauses Mike Johnson. Er übernahm im Herbst 2023 den Posten seines Vorgängers Kevin McCarthy. Der wurde damals von seinen eigenen Leuten– den Trump-Hardlinern – abgesägt. Grund: Er ließ sich nicht von ihnen auf der Nase herumtanzen.

Speaker of the House Mike Johnson, R-LA, speaks to press after the House Chamber voted on a $95 billion foreign aid package for Ukraine, Israel and Taiwan at the U.S. Capitol in Washington, DC on Satu ...
Mike Johnson spielte eine entscheidende Rolle, um die Ukraine-Hilfen zu ermöglichen.Bild: imago / ANNABELLE GORDON

Ein Schicksal, das nun auch Johnson drohen könnte.

Denn er ließ es zu, dass das US-Repräsentantenhaus nun doch mehr Hilfen für die Ukraine beschloss – der Widerstand des Trump-Lagers scheiterte.

Ukraine-Hilfen: Johnson hetzt radikale Trump-Anhänger gegen sich auf

Laut der loyalen Trump-Verbündeten und republikanischen Abgeordneten Marjorie Taylor Greene ist Johnson damit ein Verräter. Sein Verbrechen: Er gab grünes Licht für das milliardenschwere Hilfspaket für die Ukraine. Ein absolutes No-Go für die radikalen Anhänger:innen Trumps im Repräsentantenhaus. Dabei war es Johnson selbst, der sich zuvor lange Zeit gegen die Ukraine-Hilfen aussprach.

Ein Krimi mit überraschender Wende – woher kommt der plötzliche Sinneswandel von Mike Johnson?

Johnson habe eingesehen, dass die Ukraine-Unterstützung der nationalen Sicherheit dient, sagt USA-Experte Dominik Tolksdorf von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Auf watson-Anfrage führt er aus:

"Johnson hat sich überzeugen lassen, dass die Einschätzungen der US-Nachrichtendienste stimmen, dass der Krieg gegen die Ukraine eben nicht nur ein 'Regionalkonflikt' ist, wie oft von Trump-Anhängern dargestellt – sondern dass er Teil einer geopolitischen Auseinandersetzung mit den autokratischen Regierungen in Russland, China, Iran und Nordkorea ist, aus der sich die USA nicht heraushalten können."

Diese Sichtweise teilen laut Tolksdorf auch die republikanischen Vorsitzenden der wichtigen außenpolitischen Ausschüsse im Repräsentantenhaus. Sie hätten Johnson auf eine Abstimmung des Hilfspakets im Haus gedrängt. "Daneben haben viele an Johnsons Gewissen appelliert, dass die Ukraine ohne die US-Hilfe verlieren und es dort zu Gräueltaten kommen wird", sagt der USA-Experte.

Offensichtlich nicht ganz unwichtig seien dabei auch die Treffen zwischen Johnson und Vertreter:innen evangelikaler Christen. Sie hatten auf die Verfolgung der Gruppe in den von Russland besetzten Gebieten in der Ukraine hingewiesen. Johnson selbst ist ein überzeugter Christ, gehört laut Expert:innen zu der religiösen Rechten im Land, auch als "christliche Nationalisten" bekannt.

Doch am Ende musste Johnson eingestehen, dass die Unterstützung der Ukraine die einzig richtige Entscheidung war, wie er sich gegenüber den US-Medien rechtfertigt.

Zuletzt stimmte auch das Timing, meint Tolksdorf. Denn: "Donald Trump war vielleicht so sehr mit seinem Prozess in New York beschäftigt, dass er von den Geschehnissen in Washington abgelenkt war."

"Reagan-Republikaner" sprachen auf Johnson ein

Zum "Churchill" müsse man Johnson deswegen aber nicht küren, meint USA-Experte Thomas Greven vom Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin. "Dennoch kann man sein taktisches Geschick im Gesetzgebungsverfahren erwähnen", sagt er auf watson-Anfrage. Laut ihm ist die monatelange Anstrengung der verbliebenen "Reagan-Republikaner" der Grund für Johnsons Hun­dert­acht­zig-Grad-Wen­de.

Unter "Reagan-Republikaner" versteht Greven diejenigen, die eine traditionelle, international orientierte US-Außenpolitik vertreten. Sie konnten ihn überzeugen, "das Richtige zu tun" und die Abstimmung zuzulassen.

"Trump wollte dann nicht als Verlierer dastehen, aber die Entscheidung ist trotzdem eine klare Niederlage für ihn."
USA-Experte Dominik Tolksdorf

Tolksdorf nimmt an, dass Johnson zwischen Trump und den Ukraine-Unterstützenden im Kongress hin- und hergerissen war. "Am Ende musste er aber seine Funktion als Sprecher des Repräsentantenhauses wahrnehmen", sagt er.

Aber auch Trump ruderte zurück und zeigte sich den Hilfen für die Ukraine plötzlich offen.

Die Rolle von Trump im Entscheid um die Ukraine-Hilfen

Tolksdorf zufolge ist wohl auch Trump bewusst geworden, dass viele Republikaner im Kongress die Ukraine nicht wie eine heiße Kartoffel fallen lassen. Stattdessen hätten sie weiter auf eine Unterstützung gedrängt. "Trump wollte dann nicht als Verlierer dastehen, aber die Entscheidung ist trotzdem eine klare Niederlage für ihn und zeigt, dass Trump nicht die vollständige Kontrolle über die Ausrichtung der Partei hat – zumindest bisher noch nicht", führt Tolksdorf aus.

Trumps Rückendeckung für Johnson sei aber wichtig gewesen, meint Greven, "und es ist ihm nicht schwergefallen, den Preis dafür zu zahlen – sich nochmals vorbehaltlos zu Trumps Lüge von der gestohlenen Wahl 2020 zu bekennen". Trumps Kalkül sei angesichts seiner Putin-freundlichen Haltung schwerer zu entschlüsseln.

"Während seiner Präsidentschaft hat es ja nicht nur den telefonischen Erpressungsversuch Selenskyjs gegeben, sondern auch massive Unterstützung der Ukraine", meint Greven. Trump wird für seine sprunghafte Politik oft kritisiert. Johnsons Sprunghaftigkeit angesichts der Ukraine-Hilfen könnte ihn jetzt den Posten als Sprecher kosten.

Droht nach dem McCarthy-Chaos der nächste Tumult?

Die republikanische Abgeordnete und Verschwörungstheoretikerin Greene droht Johnson unermüdlich mit dem Sturz. Zum Hintergrund: Die Partei der Republikaner hält im Repräsentantenhaus eine knappe Mehrheit von neun Sitzen und kann damit den Vorsitzenden stellen oder eben stürzen.

Laut Greven ist in der Tat unklar, ob Johnson sein geschicktes Manöver am Ende mit dem Verlust des Speaker-Postens bezahlen muss. Der USA-Experte vermutet, dass die Demokraten ihn mit einer ausreichenden Zahl an Leihstimmen "retten" werden. Vor allem, weil sie eine erneute Speaker-lose Zeit vermeiden wollen. Denn wie der McCarthy-Fall bereits zeigte: Das Repräsentantenhaus ist dann völlig handlungsunfähig.

Fakt sei aber: Würden die Demokraten ihre schützende Hand über Johnson legen, würde ihn das für die Maga-Fraktion zum Verräter machen. "Sein Leben als Speaker würde sicherlich schwieriger werden", führt Greven aus.

Laut Tolksdorf gibt der Johnson-Fall aber Grund zur Hoffnung.

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Die Debatte um die Ukraine-Unterstützung, aber auch etwa zum Haushalt, zeige: Überparteiliche Politik ist trotz der politischen Spaltung weiterhin möglich. "Das ist auch deshalb erstaunlich, weil die USA mitten im Wahlkampf stecken", hebt Tolksdorf hervor. Die Demokraten seien hier die Sieger, weil die Republikaner im Moment sehr schwach aussehen, meint er.

"Die Ereignisse machen aber auch Hoffnung, dass die institutionelle Gewaltenteilung in den USA weiter stark sein wird – hoffentlich auch unter einer eventuellen Amtszeit Donald Trumps", führt Tolksdorf aus.

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