Der amtierende Präsident Frankreichs, Emmanuel Macron.Bild: www.imago-images.de / imago images
Nah dran
06.04.2022, 09:1606.04.2022, 12:01
Am Sonntag beginnt die Präsidentschaftswahl in Frankreich. Eine Wahl mitten in einem Krieg, in dem Frankreich und der amtierende Staatschef Emmanuel Macron eine wichtige Rolle in der Diplomatie eingenommen haben. Doch nicht nur der Krieg, auch soziale Fragen, die Kaufkraft und der Preisanstieg sind Themen, die die Franzosen interessieren. Genauso wie das Thema Migration.
Laut aktuellen Umfragen liegt Macron – der vor seiner ersten Wahl 2017 die liberale Partei La République en Marche gegründet hat – mit 27,6 Prozent vorne. Gefolgt mit 20,7 Prozent von der Rechtspopulistin Marine Le Pen, hinter der die Partei Rassemblement national (RN) steht – Nachfolgepartei des Front National. Jean-Luc Mélenchon, Spitzenkandidat der linksradikalen Partei La France Insoumise, liegt aktuell bei 15 Prozent. Yannick Jadot, Spitzenkandidat der Grünen (Les Verts), liegt bei knapp fünf Prozent.
Entschieden wird natürlich an der Urne. Aber Tage vor dem ersten Wahlgang sieht es so aus, als hätte Macron gute Chancen auf eine zweite Amtszeit.
Die Spitzenkandidatin der Ressemblement National, Marine Le Pen.Bild: AA / Sathiri Kelpa
Bereits im vergangenen Jahr, als bekannt wurde, dass Marine Le Pen erneut als Spitzenkandidatin antreten wird, hatte eine junge Französin bei watson neues politisches Personal gefordert. Raphaëlle Le-Gall sagte damals:
"Seit ich wählen darf, sehe ich immer die gleichen Gesichter: Mélenchon, Macron und Le Pen."
Parteien, die ihre politische Überzeugung verkörperten, würden es nicht einmal in die zweite Wahlrunde schaffen. Als junge Frau fühle sie sich deshalb nicht wahrgenommen. Und dieses Gefühl teile sie mit vielen Menschen in ihrem Umfeld.
Auch die 25-jährige Salomé aus St. Malo zeigt sich gegenüber watson enttäuscht von der politischen Elite ihres Landes. Sie sagt:
"Macron ist ein arroganter und furchtbar zynischer Präsident. Es ist mir bewusst, dass er in Deutschland ziemlich populär ist, weil er auf der internationalen Bühne ziemlich 'cool' aussieht. In den vergangenen fünf Jahren hat er mehrere Skandale ausgelöst:
Minister, die aus verschiedenen
Gründen angeklagt wurden;
Polizeigewalt, und so weiter. Übrigens fand ich, dass sein Management der COVID-19 Krise eine Schande war. Ich vertraue ihm nicht mehr."
Im Ukrainekrieg sei Macron zwar aktiv, aber aus Sicht von Salomé nicht sonderlich effizient. Trotzdem, räumt sie ein, handele Macron besser als Kandidaten, die vor dem Ausbruch des Krieges, auf Kuschelkurs mit Putin waren. Beispielsweise Le Pen und Mélenchon. "Macrons Position ist prinzipiell gut", sagt Salomé.
Aus Sicht der Französin hat der Krieg die Themen, die bei der Wahl wichtig sind, verändert. Das sei zum Beispiel am Thema Migration zu beobachten, das vor dem Krieg besonders wichtig war – jetzt aber eher zweitrangig.
Salomé aus St. Malo.Bild: privat / privat
Sogar Marine Le Pen von der rechtspopulistischen RN ist vom Thema Migration auf das Thema Inflation umgeschwenkt. "Wenn ich Präsidentin werde, schaffe ich die Mehrwertsteuer für hundert wichtige Hygiene- und Ernährungsprodukte ab", hat sie bei einer Wahlkampfveranstaltung versprochen.
Salomé findet, dass nach der Wahl auf jeden Fall die Klimakrise sowie soziale Ungerechtigkeit angegangen werden sollten. Sie sagt: "Es gibt in Frankreich immer mehr Leute, die gerade sehr arm werden, und wir müssen ihnen helfen!" Auch die Rente, das Bildungssystem und die soziale Absicherung müssten von einer künftigen Regierung angegangen werden.
Ähnlich sieht es die Pariserin Camille.
Sie geht davon aus, dass die Wahl keine große Überraschung bereithalten wird. Gegenüber watson meint sie: "Macron wird leicht wiedergewählt." Ihr wäre es wichtig, dass die Umwelt von einer künftigen Regierung besser geschützt und mehr berücksichtigt werde. Außer bei der Öko-Partei Les Verts habe dieses Thema allerdings nirgends Priorität. Laut aktuellen Umfragen liegen Les Verts bei fünf Prozent.
Bei seiner einzigen großen Wahlkampfveranstaltung hat Macron mehr soziale Gerechtigkeit und Kaufkrafthilfen in Aussicht gestellt. "Franzosen, die arbeiten, sollen nicht ihr ganzes Gehalt in Tankfüllungen und Einkäufe stecken, das ist ungerecht", sagte Macron bei der Veranstaltung. Ab dem Sommer sollten Beschäftigte eine steuerfreie Kaufkraftprämie von bis zu 6000 Euro erhalten können. Um außerdem mehr Sozialausgaben, sowie weitere Steuersenkungen zu finanzieren, brachte Macron eine Erhöhung des Renteneintrittsalters ins Spiel.
In der SPD tobt derzeit die K-Frage, die Diskussion über den nächsten Kanzlerkandidaten. Kanzler Olaf Scholz zeigt sich entschlossen, erneut anzutreten. Doch die Umfragen sprechen eine andere Sprache, zumindest zum aktuellen Zeitpunkt.