Am Donnerstag hat Bundesinnenminister Horst Seehofer die rechtsextreme Organisation "Combat 18" verboten. Die Polizei durchsuchte am Morgen in Hessen, Brandenburg, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mehrere Wohnungen mutmaßlicher Mitglieder der Gruppe.
"Combat 18" wurde mit dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im vergangenen Sommer in Verbindung gebracht. Einer der Hauptverdächtigen, Stephan E., soll Kontakte zur Gruppe gehabt haben.
Watson hat mit dem Rechtsextremismus-Experten Christian Fuchs darüber gesprochen, welche Bedeutung die Gruppe für die rechte Szene hatte und ob Polizei und Verfassungsschutz zu lange zugeschaut haben, anstatt gegen Rechtsextremismus vorzugehen.
Horst Seehofer hat "Combat 18" in Deutschland verboten. Was sind das für Menschen, die sich in dieser rechtsextremen Gruppierung organisiert haben?
Christian Fuchs: Das sind klassische Neonazis, die das Dritte Reich gut finden und antisemitisch und rassistisch eingestellt sind. In Großbritannien erlangten sie Ende der 1990er Jahre große Bekanntheit durch Angriffe auf Wohnviertel, die von Migranten bewohnt waren oder auf einen Pub, in den Homosexuelle gerne gegangen sind. Ihre krude Idee war, sie könnten diese Menschen aus Großbritannien vertreiben, indem sie Angst und Schrecken verbreiten. Diese Idee hat dann auch der NSU in Deutschland übernommen, der nachweisbar Kontakt zur "Blood and Honour" hatte.
Wann ist "Combat 18" in Deutschland aufgetaucht?
Es gab 2001 das erste Fan-Magazin von "Blood and Honour". Das war wohl der Ursprung der Gruppe in Deutschland. Es gab zuvor schon Besuch von Aktivisten aus dem Ausland und einzelne lokale Gruppen. Aber erst später wurden sie dann auch vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Gruppe war ja bereits europaweit bekannt, das heißt, man wusste, wer das ist. Nachdem der NSU 2011 aufgeflogen ist, war das dann auch für den Verfassungsschutz klar, was in der rechtsextremen Szene passierte.
Der NSU verübte Attentate und tötete zehn Menschen. Was ist über die Aktivitäten von "Combat 18" bekannt?
Sie hatten Anschläge geplant, beispielsweise in Dortmund, allerdings wurden diese rechtzeitig vereitelt. Es gab aber auch Angriffe auf Polizisten und politische Gegner, die einzelne "Combat 18"-Mitglieder begangen haben. Gott sei Dank kam es da nie zu einem größeren Anschlag, aber geplant war das durchaus.
Wenn man von diesen geplanten Anschlägen wusste, warum hat es dann so lange gedauert, diese Gruppe zu verbieten?
Wenn man die internen Dokumente anschaut, die wir vom Verfassungsschutz recherchiert haben, dann liest man zwischen den Zeilen, dass es schwierig war, sie als Organisation zu fassen. Es gab keine Mitgliedsausweise oder ein Register wie bei einem Verein. Man konnte also nur schwer nachweisen, dass die Straftaten als Organisation geplant waren und nicht nur die Taten einzelner Mitglieder. Sie können ja schließlich auch nicht die SPD verbieten, nur weil eines seiner Mitglieder sich strafbar gemacht hat. Das war beim sogenannten Islamischen Staat beispielsweise anders, da gibt es stets Bekennerschreiben der Organisation, wenn ein Anhänger einen Anschlag verübt hat.
Und diese Bekennerschreiben gab es von "Combat 18" nicht?
"Combat 18" hat sich nie zu Straftaten bekannt. Das machte es strafrechtlich sehr schwierig. Im Gegenteil. Die Gruppe distanzierte sich auch von rechtsextremen Straftaten wie dem Attentat auf Walter Lübcke. Es gab zwischen "Combat 18"-Mitgliedern und dem Hauptverdächtigen im Mordfall Lübcke, Stephan E., Kontakte in Kassel und in Dortmund. "Combat 18" hat sich davon losgesagt, weil die mutmaßlichen Attentäter von Walter Lübcke wohl auch tatsächlich seit 2009 keinen Kontakt mehr mit der Szene hatten.
War der Mord an Walter Lübcke ein Grund dafür, dass jetzt vermehrt gegen die rechte Szene vorgegangen wird?
Absolut. Das sieht man auch an den Äußerungen von Horst Seehofer. Es sind viele Konservative innerhalb der CDU/CSU aufgewacht und haben gemerkt, dass Rechtsextremismus nicht nur ein Problem für Linke ist, sondern auch Parteifreunde treffen kann. Sie haben verstanden, dass das ein Angriff auf die Demokratie und die Mitte der Gesellschaft ist. Auch das Verbotsverfahren ist eine Reaktion auf den Mord an Walter Lübcke.
Ist es nicht tragisch, dass der NSU vorher über zehn Jahre lang morden konnte, aber die Politik erst aufwacht, wenn einer von ihnen auf der Abschussliste steht?
Das finde ich unfair gegenüber den Sicherheitsbehörden und der Politik. Die Aufdeckung des NSU führte zu einem großen Aufwachen in den Sicherheitsorganen. Die Abstimmung zwischen Geheimdiensten und der Polizei wurde anschließend verstärkt und es wurde das gemeinsame Terrorabwehrzentrum gegen Rechts in Berlin aufgebaut. Man muss hier auch mal die Erfolge der Polizei sehen, zum Beispiel, dass die Gruppe Revolution Chemnitz, die Bamberger Gruppe oder die Gruppe Freital enttarnt wurden. Das sind alles Terrorzellen in den letzten Jahren gewesen, die nicht zur Tat schreiten konnten, weil sie frühzeitig entdeckt wurden. Das ist auch ein Erfolg dieser neuen Antiterror-Strategie seit 2012. Da wurde schon etwas getan, nur eben nicht gegen "Combat 18".
Aber auf der Ebene von Innenminister Horst Seehofer und auch Hans-Georg Maaßen, der bis 2018 Chef des Verfassungsschutzes war, schien man sich teils schwer zu tun, die Gefahr des Rechtsextremismus richtig einzuschätzen.
Das stimmt. Das war sicher auch ein großes Versagen und eine falsche Gewichtung. Aber man muss auch sehen, dass der islamistische Terror mit seinen medienwirksamen Anschlägen nach dem 11. September 2001 eine große Angst in der Bevölkerung verursachte. Das war nicht nur bei den Behörden so, dass der islamistische Terror als die größere Gefahr wahrgenommen wurde, das kam auch bei den Leuten so an. Da hat man die Gefahr durch Rechtsextremismus eben etwas aus den Augen verloren.
Wie würden Sie die Maßnahmen bewerten, die Horst Seehofer seit dem Anschlag in Halle im vergangenen Herbst angekündigt hat?
Es ist noch zu früh, das zu bewerten. Ich finde merkwürdig, dass man über ein halbes Jahr gebraucht hat, um das Verbotsverfahren gegen "Combat 18" durchzuziehen. Da waren alle Mitglieder gewarnt und konnten ihre Waffen und Unterlagen leicht verschwinden lassen. Wenn man sieht, was in der Bundeswehr und der Polizei an rechten Netzwerken durch Journalisten aufgedeckt wurde, dann fragt man sich teilweise auch, warum das nicht den Sicherheitsorganen aufgefallen ist.
Wie hart ist denn dieses Verbot von "Combat 18" für die rechte Szene?
Das ist eher symbolisch. Die Gruppe ist nur noch eine ganz kleine Gruppe um ungefähr 20 Personen. Die hat keinen so großen Einfluss mehr und war eher eine überholte Gruppierung. Heute organisieren sich Rechtsextreme auch in ganz anderen Strukturen. Man weiß auch, dass Mitglieder von "Combat 18" bereits andere Gruppen gefunden haben, in denen sie sich heute organisieren.