Ein Pferd reißt einer Frau das Kleid vom Körper, während ein Spanner dabei aus dem Busch feixt. Ist das lustig? Nein, findet Stadträtin Jitka Sklenarova. Insbesondere, wenn sich diese Darstellung auf einem Jahrmarkt befindet, auf dem auch zahlreiche Familien unterwegs sind – in diesem Fall: Dem Stuttgarter Frühlingsfest auf dem Wasen, dass derzeit nach langer Corona-Pause wieder stattfindet.
"Die rassistischen und sexistischen Bilder wurden uns von Stuttgartern und Stuttgarterinnen zugeschickt", erklärt Jitka Sklenarova (Die Grünen) im Gespräch mit watson. Eigentlich sind solche Darstellungen seit 2020 gar nicht mehr zulässig, erklärt sie weiter. Denn damals habe der Rat einen Beschluss gegen "diskriminierende Abbildungen auf städtischen Festen" gefasst.
"Doch offenbar besteht bei der Umsetzung ein großer Nachholbedarf," so die Grünen-Politikerin ernüchtert, "wie die Vielzahl der diskriminierenden Bilder beim diesjährigen Frühlingsfest zeigt."
Die Grüne Fraktion habe daher einen Antrag gestellt, durch den festgezurrt werden soll, wie der einstimmige Beschluss von 2020 in Zukunft auf dem Frühlingsfest umzusetzen sei. Sexistische, rassistische und diskriminierende Darstellungen seien zwar typische Motive auf Fahrgeschäften und Buden der Kirmes, sie gehörten aber nicht mehr in die Zeit.
"Diskriminierungen verletzen die Würde von Menschen", so Jitka Sklenarova. "Es ist Aufgabe aller staatlichen Institutionen und damit auch der Landeshauptstadt, jeglicher Diskriminierung entschieden entgegenzutreten."
Der Schaustellerverband Südwest Stuttgart versteht die Kritik. Ihr Vorstand, Mark Roschmann, traf sich auch zu einem Gespräch mit der Stadträtin, bei dem sie über das Gelände des Volksfestes schlenderten und sich über Lösungen austauschten.
Es sei zwar aus finanziellen Gründen nicht möglich, komplette Fassaden von heute auf morgen umzugestalten, denn "das fängt im mittleren fünfstelligen Bereich an", erläuterte Roschmann. Doch mit einer Kompromisslösung sind beide Seiten vorerst einverstanden.
"Unser Anliegen ist auf offene Ohren gestoßen", erzählt Sklenarova. "Schließlich verfolgen wir ein gemeinsames Ziel – wir wollen, dass städtische Feste ein diskriminierungsfreier Raum sind mit einer positiven Atmosphäre und einem respektvollen Miteinander für alle Menschen."
Kritik kam eher aus den Reihen der Bürger. Besonders in sozialen Netzwerken vertreten einige Nutzer die Meinung, die Umgestaltung von traditionellen Rummel-Buden ginge einen Schritt zu weit. "Es gibt auch diejenigen, die uns 'cancel culture' vorwerfen", so Sklenarova. Ihrer Meinung nach zeugten diese Kommentare allerdings eher "vom kompletten Unverständnis für die Thematik."
Der Großteil der Rückmeldungen sei allerdings "positiv", berichtet sie weiter: "Viele Menschen freuen sich darüber, dass nun aus ihrer Sicht diese längst überfällige Diskussion geführt wird."
Dass nicht jeder Schausteller Lust, Geld und Möglichkeiten hat, seine gesamte Bude sofort per Airbrush umgestalten zu lassen, ist allen Parteien klar. Der Schaustellerverband und der lokale Gemeinderat einigten sich daher am Donnerstag auf einen Kompromiss, mit dem beide Seiten "zufrieden" seien.
Drei halbnackte Frauen, deren Busen oder Büstenhalter offen waren, würden nun "angezogen", verkündete Roschmann nach dem Treffen. Sie bekämen Unterwäsche und ihre BH's würden geschlossen. "Wenn da irgendeine Dame einen Büstenhalter braucht, mein Gott, dann kriegt sie ihn halt", sagte er gegenüber dem SWR zu dem Thema.
Schaustellerin Sabine Ernst war schon am Dienstag mit ihrem Korkenschieß-Stand vorgeprescht: Der Nippelblitzer ihrer "Tänzerin aus dem Orient" ist nun Jahrmarkt-Geschichte – sie trägt jetzt einen Vollschalen-BH...
(mit Material der dpa)