Direkt vor dem Kongressgelände der UN-Ozeankonferenz in Lissabon strömt eine blau gekleidete Menschenmenge zusammen: Rund 400 Menschen in blauen T-Shirts, blauen Jacken und Hosen sind zur Demonstration gekommen, wiegen sich im Takt von Technobeats hin und her. Tanzend schwingen einige glitzernde Tentakel oder Seegras.
"1.5 to stay alive!", dröhnt es aus Megafonen. Die Menge skandiert die Forderung wieder und wieder. Bunte Plakate werden in die Höhe gerissen, eine Gruppe junger Frauen läuft mit azurblauem Banner voraus, "Act or Die" prangt darauf gut lesbar in schwarzen Lettern. "No deep sea mining – stop ocean crime!" und "End Overfishing!", rufen andere. Sie alle haben ein gemeinsames Ziel: Endlich von den UN-Delegationen gehört zu werden, die nur wenige hundert Meter entfernt im abgesperrten Kongresszentrum tagen.
Denn hier wird über den Umgang mit den Ozeanen und damit auch über die Zukunft junger Menschen im Hinblick auf die Klimakrise verhandelt. "Ehrlich gesagt versuche ich optimistisch zu bleiben und erhoffe mir, dass stärkere Taten auf die Diskussionen dort drinnen folgen, als bisher", sagt die 19-jährige Ines Ferreira während der Demonstration gegenüber watson. "Vor allem muss es eine größere Änderung der Meeresschutz-Gesetze geben und nicht nur ein weiteres Papier mit Regelungen, die einfach zu umgehen sind und nichts bringen." Mit dieser Meinung ist sie auf der Demonstration nicht allein: "Politicians talk, Oceans die" steht auf einem neongelben Banner, der von vier Demonstrierenden getragen wird.
Während der Demonstrationszug Richtung Autokreuzung weiterzieht, laufen im Inneren des Kongresszentrums ungestört Präsentationen verschiedenster Ausschüsse zur Nutzung des Meeresgrunds für Öl- und Gasbohrungen, neue Regularien zum weltweiten Fischfang sowie Diskussionen zum Schutz von Hoheitsgewässern. Jeder der Anwesenden hat dabei eigene Ziele vor Augen, die sie durch aktive Diskussionen einbringen.
"Wir wollen, dass die nächste Generation in einer Welt lebt, die sie genießen kann", hatte Peter Thomson, UN-Sondergesandter für die Meere, noch am Vormittag in einem Gespräch mit watson betont.
Er ergänzt:
Auch UN-Generalsekretär António Guterres hatte zu Beginn der Konferenzwoche gefordert, "junge Führungskräfte als treibende Kraft für den Wandel ein[zu]binden". Noch in der vorherigen Woche hatte das UN Ocean Conference Youth and Innovation Forum stattgefunden, auf dem Vertreter für Jugendliche ihre wichtigsten Forderungen in einer Denkschrift zusammengetragen und dem UN-Kommitee übergeben hatten. Bei Paneldiskussionen und weiteren Verhandlungen in der gesamten Woche fehlen junge Delegierte bei den Entscheidungsprozessen aber weiterhin.
Genau dieses Ungleichgewicht macht die Vereinten Nationen auch weiterhin für einige junge Menschen unnahbar. "Ich sehe diese Konferenz als einen kleinen, wichtigen Schritt in die richtige Richtung, aber wir müssen uns wirklich beeilen, um die Ziellinie zu erreichen", sagt Sergio, 22 Jahre alt, gegenüber watson. Der gebürtige Portugiese verfolgt die Ozeankonferenz, wohlwissend, welche Schubkraft Entscheidungen der UN für den Klimaschutz haben können.
Gegenüber watson sagt er:
Die Auffassung, dass die internationale Politik junge Menschen und andere kaum repräsentierte Gruppen durch ihre inneren Barrieren benachteiligt, teilt auch Anke Oppermann, Referentin vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: "Obwohl wir uns Diversität auf die Fahnen schreiben, sind wir hier häufig in genau solchen Diskussionen noch viel zu selektiv im Sinne von Alter gleich Weisheit und Alter gleich Erfahrung oder auch indem wir in Statusfragen denken, unterwegs. Das ist eigentlich falsch", folgert sie. "Denn warum soll jemand, der gerade erst angefangen hat mit seinem Berufsleben, einer Beschäftigung oder Spezialisierung, weniger zu sagen haben?", sagt sie im Gespräch mit watson.
"Ich selber habe damit auch Erfahrungen gemacht, als ich in der Politik angefangen habe", sagt Anke Oppermann. Wenn Oppermann jetzt mitbekommt, wie junge Vertreter aufgeregt ihre "toughe Agenda" vorstellen und davon berichten, was für Probleme junge Menschen in beispielsweise Westafrika – von Women's Empowerment bis hinzu Drogensucht unter jungen Fischern – haben, gingen ihr "diese Aspekte viel klarer durch den Kopf". Sie sagt: "Ich finde, dass Seniorität und Alter nicht gleich heißt, dass man Dinge besser durchschaut oder dazu Stellung nehmen kann."
Francisco Mari, Experte für Welternährung, Agrarhandel und Meerespolitik vom Hilfswerk Brot für die Welt, betont gegenüber watson vor allem die Wichtigkeit der Verbindlichkeit: "Auf dieser Konferenz wurde immer wieder betont, dass alle Verantwortung tragen – das ist aber gleichzeitig ein Abschieben von Verantwortung von der Politik. Denn wir außerhalb der Abstimmungen können keinen zu irgendwas gesetzlich verpflichten und exekutiv nachverfolgen."
Die Durchsetzung von Menschenrechten, das Recht auf Nahrung, das Recht auf eine gesunde Umwelt, das was man im Seerechtsübereinkommen am Erhalt des Ozeans als ökologisches Erbe der gesamten Menschheit festgelegt hat – "das ist nicht die Verpflichtung der NGOs oder der Konzerne, sondern das ist eine Verpflichtung von Staaten", stellt er für watson klar.
Er ergänzt: