So richtig beliebt hat sich Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) mit seiner Klimageld-Forderung nicht gemacht – zumindest nicht bei all seinen Koalitionspartnern. Finanzminister Christian Lindner (FDP) zum Beispiel reagierte verhalten, vor allem was die Finanzierung des Klimageldes angeht. Von einer Aufweichung der Schuldenbremse oder höheren Steuern will Lindner nichts hören.
Die Schuldenbremse ist im Grundgesetz festgeschrieben. Bund und Länder müssen demnach ihren Haushalt ohne die Aufnahme von Krediten ausgleichen. Es gibt und gab aber Ausnahmen: Corona zum Beispiel oder nun den Krieg. 2020, 2021 und 2022 ist die Schuldenbremse ausgesetzt worden, um die wirtschaftlichen und sozialen Schläge der Pandemie auszugleichen. Auch das Sondervermögen für die Bundeswehr soll an der Schuldenbremse vorbeilaufen.
Am Freitag wird der Bundestag über die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr abstimmen. Mit großer Wahrscheinlichkeit dafür. Bisher hat nur die Fraktion der Linken angekündigt, dagegen zu stimmen und Demonstrationen gegen das Sondervermögen zu initiieren.
Die Schuldenbremse ist nicht unumstößlich. Volkswirtschaftler wie Sebastian Dullien von der Hans-Böckler-Stiftung und Professor Peter Bofinger von der Uni Würzburg sehen die strikte Schuldenbremse sogar als problematisch. In einem früheren Gespräch mit watson sprachen sich beide für eine Lockerung der Bremse aus – und zwar dann, wenn es sich bei den Ausgaben des Staates um Zukunftsinvestitionen handele.
Lindner stellt auf Twitter trotzdem noch einmal klar, dass es kein Aufweichen der Schuldenbremse geben wird. Das bedeutet: Ab 2023 darf der Staat keine Schulden mehr machen. Das gilt auch für das Klimageld, das ab dem 1. Januar ausgezahlt werden soll. Zumindest, wenn es nach Arbeitsminister Heil geht.
In Konkurrenz stehen das Sondervermögen und das Klimageld nicht, schließlich handelt es sich um unterschiedliche Jahre. Um ein Sondervermögen, das nicht zum Haushalt 2022 zählt und für das keine Schuldenbremse gilt. Um eine Entlastung, die in den Haushalt 2023 zählen wird und für die die Schuldenbremse gelten wird.
Es geht nicht um Entlastung oder Krieg.
Klar ist aber auch, dass das Geld nur einmal ausgegeben werden kann – fließen 100 Milliarden Euro in die Rüstung, können nicht die gleichen 100 Milliarden Euro in den sozialen Ausgleich fließen.
Wie also soll das Klimageld finanziert werden, wenn neue Schulden und höhere Steuern ausgeschlossen sind? In einem Interview mit der "Berliner Morgenpost" nennt Heil als Finanzierungsquelle die Einnahmen der CO2-Bepreisung. Unternehmen in Deutschland, die mit fossilen Brennstoffen handeln, müssen dafür seit diesem Jahr einen CO2-Preis bezahlen. Dieser soll sich bis 2025 schrittweise auf 55 Euro pro Tonne steigern.
Entlastung solle ab 2023 außerdem das Bürgergeld bringen – der steuerfinanzierte Nachfolger von Hartz IV. Dieses Sozialgeld ist ebenfalls im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Mit dem Bürgergeld sollen Beziehende laut Heil knapp zehn Prozent mehr im Monat bekommen. Wie das Portal "Merkur.de" berichtet, solle das im Monat circa 50 Euro ausmachen.
Aus Sicht des Paritätischen Bundesverbandes und des BUND ist ein gestaffeltes Klimageld eine gute Möglichkeit, Menschen zielgerichtet zu entlasten. In einer Pressemitteilung wird Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, so zitiert:
Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, nennt das Klimageld Heils auf watson-Nachfrage zwar gut. Allerdings sei es "das falsche Instrument zur Bekämpfung der Inflation." Die aktuelle Situation sei "höchst unsozial". Auch das aktuelle Entlastungspaket der Bundesregierung sei nicht ausreichend, da es nur einen kleinen Teil der Ausgaben deckte.
Fratzscher führt aus:
Statt eines jährlich einmaligen Klimageldes bräuchten Familien mit geringeren Einkommen 100 Euro bis 150 Euro zusätzlich pro Monat, um die höheren Preise abzufedern. "Der Staat kann dies aus den höheren Steuereinnahmen von Einkommen und Unternehmen finanzieren, die durch die höhere Inflation entstanden sind", rechnet Fratzscher vor. Was der Staat aber nicht solle: Zulasten seiner Bürgerinnen und Bürger Nutznießer der hohen Inflation sein. Stattdessen müssten die erzielten Einnahmen vor allem an die Menschen mit geringen Einkommen zielgenau zurückgegeben werden.
Die Idee Hubertus Heils, das Klimageld sozial-gestaffelt auszuzahlen, führt in der Koalition zu gemischten Gefühlen. Andreas Audretsch, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, nennt das Klimageld auf watson-Anfrage ein "wichtiges Instrument, um Klimaschutz sozial zu machen." Es sei gut, dass Finanzminister Lindner an der Umsetzung arbeite und bald konkrete Vorschläge unterbreiten werde.
Audretsch meint:
Daher sei es gut, wenn sowohl der Finanzminister, als auch der Arbeits- und Sozialminister konkrete Vorschläge zur Entlastung machten. "Dabei geht es um Anpassungen der Regelsätze in der Grundsicherung, direkte Zahlungen oder auch den Tarifverlauf in der Einkommensteuer", führt Audretsch aus.
Der arbeitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Rosemann, äußert sich ebenfalls positiv über den Vorstoß seines Genossen Heil. Er meint: "Ich freue mich, dass Hubertus Heil mit seinem Vorschlag einen Impuls liefert, die Debatte um die soziale Gestaltung der Energiewende voranzubringen." Da zur Finanzierung die Einnahmen aus dem CO2-Preis zur Verfügung stünden, bräuchte es keiner weiteren Finanzierung.
Damit widerspricht Rosemann der Kritik des Finanzministers. Lindner hatte nach Heils Vorschlag angemerkt, dass er auf die Finanzierungsidee gespannt sei. Rosemann verweist außerdem auf die soziale Ausrichtung seiner Partei: Es sei wichtig, das soziale Klimageld speziell für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen auszuzahlen.
Der Fraktionsvorsitzende der FDP, Christian Dürr, begrüßt den Vorstoß des Arbeitsministers ebenfalls. Auf watson-Nachfrage spricht sich Dürr dafür aus, dass der Bundestag über die konkrete Umsetzung ins Gespräch kommen solle. Aus Sicht der FDP-Fraktion gebe es nämlich sinnvollere Möglichkeiten, Menschen längerfristig zu entlasten.
Dürr meint:
Für Dürr und seine Fraktion stehe das Ziel, die Schuldenbremse ab 2023 wieder einzuhalten, nicht infrage. Die Bremse sorge dafür, dass der Staat generationengerecht und nachhaltig mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler umgehe. "Für den sozialen Ausgleich steht bereits heute das größte Budget im Bundeshaushalt zur Verfügung", führt Dürr aus. Er sieht die Schuldenbremse in den Jahren vor Corona als Grund an, dass die Regierung heute noch finanzielle Handlungsspielräume habe.
Ein sozialer Ausgleich dürfte im kommenden Jahr also kommen, genauso wie das Sondervermögen für die Bundeswehr. Die Frage bleibt nur, wie dieser Sozialausgleich gestaltet wird. Die Aufgabe von Regierung und Parlament ist nun also, sich über Möglichkeiten und Lösungsvorschläge auszutauschen.