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Ukraine: Waffen durch Ringtausch nach Streit mit SPD – Geht Melnyks Strategie auf?

Andrij Melnyk gibt ein Interview im Bundestag Andrij Melnyk Ukrainischer Botschafter in Deutschland w
Andrij Melnyk, der ukrainische Botschafter in Deutschland, polarisiert mit seinen Äußerungen. So sehr, dass sich die SPD-Sitze gezwungen sah, zu schlichten.Bild: imago images / imago images
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Treffen mit der SPD, Twitter-Streit, Ringtausch: Geht Melnyks Strategie auf?

Erst einmal gab es Irritationen. Dann ein Treffen. Danach Stillschweigen. Und am Ende dann doch wieder Ärger. Später die Nachricht: Deutschland liefert indirekt Waffen über einen Ringtausch mit Slowenien. Ein Überblick über komplizierte Diplomatie und Schlichtungsversuche.
22.04.2022, 09:1608.06.2022, 17:09
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Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk polarisiert zur Zeit in Deutschland. Mit seinen Twitter-Aussagen und öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen ist er quasi die gefährlichste Ein-Mann-Opposition, die sich die aktuelle Bundesregierung – allen voran die SPD – gerade vorstellen kann.

Auch deshalb war es nicht verwunderlich, dass die Spitze der Regierungspartei nun das Gespräch mit ihm suchte. Hatte Melnyk mit seinem Laut-Sein, seinem Frust-Rauslassen, seiner Kritik und und seinen Twitter-Streits Erfolg?

Ein Überblick:

Irritationen um das Treffen

Saskia Esken und Lars Klingbeil, die beiden Vorsitzenden der SPD hatten es zu Beginn der Woche so aussehen lassen, als würden sie sich am Dienstag mit dem ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk in Berlin treffen. Dabei wollte man sich offenbar endlich mal aussprechen, nachdem es in den vergangenen Tagen mehrere öffentlich ausgetragene Streits zwischen Melnyk und verschiedenen SPD-Mitgliedern gab.

Dienstag hatte das Treffen dann aber gar nicht stattgefunden, obwohl Esken es in einem Tweet so wirken ließ.

Erst nachdem Melnyk einen eigenen Tweet absetzte, zeigte sich: Es hatte das Treffen noch gar nicht gegeben, das Bild, das Esken postete, war von einem früheren Treffen Anfang April.

Stille nach dem Gespräch

Dann gab es offensichtlich dieses Treffen. Am Mittwoch. Zunächst einmal blieb es still darum. Niemand meckerte, niemand lobte. Es wurde Stillschweigen vereinbart.

Klingbeil war bei diesem Treffen doch nicht dabei, gab allerdings am Donnerstagmorgen ein Interview im ZDF darüber. Darin lobte er das Gespräch. "Das ist ein konstruktiver Austausch. Wir sind nicht immer einer Meinung, aber wir reden in der Sache gut."

Klingbeil äußerte auch Verständnis für Melnyk, der in der Vergangenheit immer wieder gegen die SPD wetterte und dabei auch öffentlich mit einigen Parteimitgliedern gestritten hatte.

Er sagte:

"Herr Melnyk ist der Botschafter eines Landes, das gerade brutal angegriffen wird. In der Ukraine sterben jeden Tag Menschen. Die Ukraine soll vernichtet werden von Wladimir Putin. Das hat er jetzt mehrere Male öffentlich erklärt. Und da verstehe ich doch, dass ein Botschafter sich auch emotional äußert, dass man Druck macht."

Von Melnyk hörte man erst einmal nichts.

Auf die Ruhe folgt Twitter

Doch die Ruhe blieb nicht lange erhalten. Am Donnerstagmittag teilte Melnyk auf Twitter eine Recherche des ARD-Investigativ-Teams Monitor, die offenlegt: Ein Öl- und Gas-Embargo ist offenbar einfacher möglich als meist behauptet. Wieder eine Spitze gegen die deutsche Bundesregierung.

Die Kritik an der deutschen Politik, der Ärger, die Emotionen: Melnyk war wieder da.

Die Intentionen

Was aber erhofften sich Esken und Klingbeil von diesem Treffen am Mittwoch? Suchte man wirklich den Austausch oder ging es darum, den Botschafter einmal kurz ruhigzustellen?

Esken betonte in einem Tweet vorab, gerade in Zeiten, in denen einem die Herzen schwer und die Debatten manchmal hitzig seien, sei es umso wertvoller, das offene und vertrauensvolle Gespräch zu pflegen. Allerdings wirkte das Gesprächsangebot eher wie der Versuch einer Schadenbegrenzung.

Zuvor hatte sich Melnyk einen öffentlichen Schlagabtausch mit dem ehemaligen SPD-Chef Sigmar Gabriel geliefert. Gabriel hatte sich darüber empört, dass Melnyk Bundespräsident Steinmeier Vorwürfe machte: Der Ex-Kanzleramtschef und Ex-Außenminister habe ein "Spinnennetz" an Kontakten zu Moskau geknüpft. Darin seien auch viele Leute verwickelt gewesen, die nun in der Ampelkoalition das Sagen hätten.

Und dieser Schlagabtausch findet selbst nach der Nachricht über indirekte Waffenlieferungen kein Ende. In der Nacht zum Freitag ging Melnyk Gabriel erneut öffentlich via Twitter an und warf ihm vor, den russischen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine in Teilen persönlich ermöglicht zu haben.

Solche Streits, solche Äußerungen schaden der Regierungspartei – zumal sich die SPD momentan in zwei Wahlkämpfen (Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein) befindet.

Und Melnyk? Was war seine Intention hinter dem Treffen? Ging seine Strategie der öffentlichen Empörung auf?

Tatsächlich ist es – wie auch Klingbeil im ZDF-Interview sagte – nicht verwunderlich, dass der Botschafter einen Landes, das momentan von einer militärischen Supermacht angegriffen wird, fordert, dass man seinem Land helfen soll. Dass Emotionen hier häufig die Diplomatie überrollen, sei auch nicht verwunderlich.

Melnyks Methoden "unkonventionell"

Das sagt auch Politikwissenschaftler Johannes Varwick im Gespräch mit web.de. "Botschafter Melnyk treibt in erster Linie verständliche Verzweiflung um", sagt er. Dabei gehe es in erster Linie darum, seinem Volk zu helfen. "Seine Methoden sind unkonventionell, in Teilen ungebührlich – aber am Ende nachvollziehbar", erklärt der Experte dem Nachrichtenportal.

Vor dem Treffen mit Esken hatte der ukrainische Botschafter im ZDF angekündigt, er versuche die SPD und damit auch die Bundesregierung davon zu überzeugen, dass ein Gas- und Öl-Embargo machbar und unabdingbar seien und, dass die Ukraine schwere Waffen "gleich benötigt". Die Bundesregierung dagegen lehnt ein sofortiges Öl- und Gasembargo ab und beteuert, es gebe keine schweren Waffen, die aus Beständen der Bundeswehr geliefert werden könnten.

Das Gespräch mit Esken bezeichnete er im Nachhinein als "sehr gut". Mehr sagte er nicht. Doch seine Tweets von Donnerstag lassen zumindest vermuten, dass die Versuche der Schlichtung durch Esken wohl fehlgeschlagen sind.

Und das trotz des Entgegenkommens Deutschlands über den Ringtausch mit schwerem Kriegsgerät, bei dem es darum geht, dass der Nato-Verbündete Slowenien den noch in der Sowjetunion entwickelten T-72-Kampfpanzer an Kiew liefern soll. Im Gegenzug bekommt die slowenische Armee den Schützenpanzer Marder sowie den Radpanzer Fuchs aus Deutschland.

Hatte Melnyks Strategie Erfolg?

Für Melnyk sind sowohl die SPD, als auch ihr Kanzler die größten Bremser bei Waffenlieferungen. Nichtsdestotrotz hatte Melnyks emotionales Verhalten in Teilen doch Erfolg. Auch, wenn er das womöglich so nicht sehen würde.

Die SPD ist immerhin ein wenig von ihrem Kurs abgewichen, ist einen kleinen Schritt in Richtung Lieferung schwerer Waffen gegangen. Und das könnte Melnyk Hoffnung auf weitere Schritte machen. Der ukrainische Botschafter ist indes nicht der einzige, der solche Töne anschlägt.

Sogar Mitglieder der Koalitionspartner fordern mehr Hilfe der Bundesregierung für die Ukraine ein.

Etwa Anton Hofreiter von den Grünen: Der verlangte, wie eben auch Melnyk, eine schnelle Lieferung von Panzern an die Ukraine.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann meint in einem Interview mit der "Welt" Kanzler Scholz verpasse "eine historische Chance". Entgegen der Aussage von Olaf Scholz könne man einiges an Waffen entbehren. Am Donnerstag lud sie Bundeskanzler Scholz in den Verteidigungsausschuss ein, den Sie als FDP-Politikerin leitet.

Wie steht die SPD nun da?

Selbst nachdem Scholz eine (teilweise um schwere Waffen bereinigte) Liste von möglichen Waffenlieferungen an die Ukraine und den Ringtausch mit Slowenien bekanntgeben hat, reißt die Kritik am Kanzler und an der SPD nicht ab.

Auch Bürgerinnen und Bürger sind von der Führungsstärke des Bundeskanzlers nicht überzeugt, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens Civey im Auftrag des "Spiegels" zeigt.

Demnach gaben 65 Prozent der Deutschen an, dass sie Scholz nicht als führungsstark bezeichnen würden. Nur 25 Prozent würden den Kanzler so betiteln.

Neben kritischen Stimmen aus den Koalitionsreihen, meldet sich auch die Opposition zu Wort.

Die Unionsfraktion im Bundestag hat angedroht, nächste Woche im Bundestag einen Antrag auf Lieferung schwerer Waffen zu stellen, falls Scholz sich nicht bewegt.

Andrij Melnyk hingegen hat sich zum Ringtausch bisher noch nicht geäußert. Ein etwaiger Tweet wird aber sicher nicht lange auf sich warten lassen.

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