Kampfpanzer der deutschen Bundeswehr des Typs Leopard 2 A7V stehen auf einem Truppenübungsplatz (Symbolbild).Bild: dpa / Philipp Schulze
watson antwortet
"Marder", "Leopard" und "Stinger" – die Ukraine fordert schwere Waffen zur Verteidigung. Doch was bedeuten diese Begriffe und warum können ukrainische Soldaten die deutschen Panzer angeblich nicht bedienen? Watson hat die wichtigsten Antworten auf diese Fragen.
21.04.2022, 20:1508.06.2022, 17:12
Waffenlieferungen an die Ukraine? Ja. Waffenlieferungen an die Ukraine direkt aus Deutschland? Eher nein. Dafür hat die Bundesregierung jetzt aber einen Ringtausch eingefädelt – und sich damit zumindest nicht direkt an Waffenlieferungen beteiligt.
Dabei geht es darum, dass Deutschland und Slowenien Kriegsgerät tauschen: Das soll dafür sorgen, dass die Ukraine mit schweren Waffen versorgt wird. Der Nato-Verbündete Slowenien soll den noch in der Sowjetunion entwickelten T-72-Kampfpanzer an Kiew liefern, wie die Nachrichtenagenturen AFP und dpa aus Regierungskreisen erfuhren. Im Gegenzug bekommt die slowenische Armee den Schützenpanzer Marder sowie den Radpanzer Fuchs aus Deutschland.
Seit Tagen erhöhte sich der Druck auf Scholz, Deutschland solle neben den bereits gelieferten Maschinengewehren, Panzerfäusten und Luftabwehrraketen auch schwere Waffen an die Ukraine liefern.
Noch am Dienstag hatte Scholz andere Töne verlauten lassen: Während einer Pressekonferenz, die sich an die Runde mit den Regierungschefs und Präsidenten der G7-Staaten anschloss, verkündete Scholz: "Ein Blick in die Welt hilft manchmal weiter." Andere Staaten, wie Frankreich oder die USA seien ebenfalls der Meinung, dass die Lieferung von Waffensystemen, die in der Ukraine gängig sind, sinnvoll wäre. Diese sind vor allem in osteuropäischen Staaten vorhanden, wie Tschechien oder Estland. Deutschland werde den Nato-Partnerländern die Waffen ersetzen, die sie an die Ukraine weitergeben würden, sagte Scholz.
Die Waffen sollen also nicht aus Deutschland kommen, dafür aber ihre Finanzierung.
Es wurde in den vergangenen Tagen immer wieder darauf hingewiesen, dass Lieferungen von deutschen schweren Waffen in die Ukraine nicht sinnvoll wären, da die ukrainischen Soldaten diese nicht bedienen könnten. Was an diesen Bedenken dran ist und was schwere Waffen eigentlich sind – watson hat die Antworten.
Was sind schwere Waffen?
Der Kern moderner Streitkräfte sind schwere Waffensysteme. Sie grenzen sich von Klein- und Leichtwaffen und atomaren, chemischen oder biologischen Massenvernichtungswaffen ab. Allerdings gibt es im Sprachgebrauch keine klare Abgrenzung zwischen leichten und schweren Waffen. Grundsätzlich können aber alle militärischen Rüstungsgegenstände, die unter eine dieser vier Kategorien fallen, als schwere Kriegswaffen bezeichnet werden:
- Kampfflugzeuge: Kampfhubschrauber, Jagdflugzeuge und Starrflügelflugzeuge
- Artillerie: selbstfahrende Geschütze, Mehrfachraketenwerfer und gezogene Geschütze, deren Munition einen Durchmesser von mehr als 100 Millimeter haben
- Gepanzerte Fahrzeuge: leichte Panzer, Kampfpanzer und Mannschaftstransportwagen
- Großkampfschiffe: Überwasserkampfschiffe, die größer als eine Korvette sind, und U-Boote
Soldaten der US Army schießen mit einer M777-Haubitze während der Großübung (Symbolbild).Bild: US Army / Gertrud Zach
Welche Waffen fordert die Ukraine?
Viele Beobachtende des russischen Angriffskriegs in der Ukraine warnen aktuell vor einer neuen Phase des Krieges. Tagelang war es verhältnismäßig ruhig. Diese Zeit hat der russische Präsident Wladimir Putin genutzt, um seine Streitkräfte im Osten der Ukraine zusammenzuziehen. Er hat die Eroberung des Donbasses als primäres Ziel ausgerufen. Der Krieg könnte nun zu einem mechanisierten werden, also vor allem unter dem Einsatz von Panzern und schweren Waffen, die Gefechte damit heftiger, das Blutvergießen größer.
Um sich dagegen zu verteidigen, benötigt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj schwere Waffen. Der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), wurde nach einem Gespräch mit einer Delegation von Wladimir Klitschko in Berlin Anfang April eine Liste mit konkreten Waffenforderungen aus der Ukraine übersandt. Diese Liste liegt watson ebenfalls vor.
Darin fordert die Ukraine neben leichten Waffen auch Panzer, Haubitzen sowie Anti-Schiffs-Raketen, die unter schwere Waffen fallen.
Ein Panzer Marder 1A3 steht während einer internationalen Militärübung auf einem Truppenübungsplatz (Symbolbild).Bild: dpa / Armin Weigel
Laut Strack-Zimmermann, werde nun geprüft, welche Waffen geliefert werden können. Gegenüber watson sagte sie zuletzt:
"Gemeinsam mit Politik, Militär und Industrie prüfen wir, was wir noch zusätzlich aus Beständen liefern können und was wir mit der Industrie zusammen direkt an die Ukraine senden können."
Auch Bundeskanzler Scholz hat am Dienstag noch mal betont: Was geliefert werden könne, werde bezahlt und ohne Verzögerung zur Verfügung stehen.
Das Geld dafür soll von den G7-Staaten kommen. Von den 50 Milliarden Euro, die zur Verfügung stehen, übernimmt die EU 1,5 Milliarden. Deutschland wiederum wolle den größten Anteil in der EU übernehmen, teilte Scholz mit.
Was hat Deutschland bereits geliefert?
Darüber, welche Waffen Deutschland der Ukraine bisher zur Verfügung gestellt hat, ist wenig bekannt. Die Bundesregierung schweigt und auch Parlamentarierinnen und Parlamentarier dürfen sich nur in der Geheimschutzstelle des Bundestages darüber informieren und müssen die Informationen anschließend für sich behalten.
Ein Basishelm IDZ der Bundeswehr (Symbolbild).Bild: www.imago-images.de / imago images
Allerdings ist aus den ersten Tagen nach Putins Angriff auf die Ukraine bekannt, dass Deutschland Luftabwehrraketen, Panzerfäuste, Maschinengewehre, Schutzwesten, Nachtsichtgeräte und gepanzerte Fahrzeuge an die Ukraine geliefert hat. Nicht zu vergessen sind die 5000 Helme, über die in den vergangenen Wochen viel diskutiert wurde.
Was haben andere Nato-Staaten geliefert?
Diese Liste ist unvollständig. Allerdings hat das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) zusammengetragen, was aus Medienberichten der einzelnen Länder bekannt ist.
Demnach sollen die USA bisher vor allem leichte Waffen, unter anderem Panzer- und Flugabwehrraketen, Drohnen und Helikopter, geliefert haben. Die baltischen Staaten vor allem Abwehrraketen, Belgien und die Niederlande bereits schwere Waffen.
Die USA haben zudem angekündigt, der Ukraine elf Hubschrauber russischer Bauart, 200 gepanzerte Mannschaftstransporter und 18 Feldhaubitzen mit 40.000 Artilleriegeschossen zu liefern, was alles in die Kategorie schwere Waffen eingeordnet werden kann.
Eine deutsche schwere Feldhaubitze (Symbolbild).Bild: akg-images / Sammlung Foedrowitz / akg-images / Sammlung Foedrowitz
Warum zögerte Deutschland bisher bei der Zusage von schweren Waffen?
In der Debatte kursiert das sicherheitspolitische
Gegenargument, Deutschland und die Nato könnten zur Kriegspartei werden, wenn sie schwere Waffen an die Ukraine liefern würden.
Das weist Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Osterwochenende zurück. Völkerrechtlich sei es nicht denkbar, mit Waffenlieferungen als Kriegspartei zu gelten.
Zwei Helikopter vom Typ Mil Mi-171 der Czech Airforce bei einer Übung in Tschechien (Symbolbild).Bild: dpa-Zentralbild / Thomas Scholz
Grundsätzlich hätte Deutschland auch eine ganze Reihe gebrauchter Waffensysteme auf Lager, die verkauft werden sollen. Allerdings seien die nicht einsatzbereit und müssten zuerst generalüberholt werden, heißt es.
Von deutscher Seite wird auch immer wieder darauf hingewiesen, die ukrainischen Soldaten könnten aufgrund fehlender Kenntnisse das deutsche Gerät nicht bedienen. Die Ukraine wiederum will zeitnah ein Training für ihre Soldaten gewährleisten, die ihre Kenntnisse aus der Panzertruppe auf das neue Gerät übertragen könnten.
Deutsche Leopard 2-Panzer der polnischen Armee nach einer gemeinsamen Übung mit der US-Armee (Symbolbild).Bild: NurPhoto / STR
Militärexperte Carlo Masala erklärte gegenüber dem ZDF, er sehe kein Problem in der Ausbildung der ukrainischen Soldaten, sondern vielmehr im Aufbau der Logistikkette: "Die meisten denken, man stellt den Ukrainern den Panzer in Kiew auf den Hof und dann ist es gut." So einfach sei dies allerdings nicht, sagt Masala.
Auf dem Gelände könnten immer wieder Probleme mit Ersatzteilen oder einer Wartung der Panzer entstehen. Der Militärexperte schlägt vor, eine Logistikkette nach Polen aufzubauen, von wo aus die Ukraine sich die benötigten Ersatzteile dann abholen könnte.
Wie geht es weiter?
"Die Situation in der Ukraine spitzt sich dramatisch zu", sagte etwa Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD.) "Wir dürfen nicht zulassen, dass Putin, dass Russland diesen Angriffskrieg gewinnt." Es müsse jetzt "sehr, sehr schnell gehen".
Ob und wann die deutsche Industrie schwere Waffen an die Ukraine liefern wird, bleibt allerdings weiter unklar. Auf einer Liste mit 210 Angeboten im Wert von 307 Millionen Euro von Ende März steht nur ein Angebot, das in diese Kategorie eingeordnet werden könnte: Zwölf Mörser, Kaliber 120 Millimeter. Die von der Ukraine geforderten Kampfpanzer, schwere Artillerie oder Luftabwehrsysteme sucht man darauf vergeblich.
Finanzminister Christian Lindner hat zudem am Karfreitag überraschend bekannt gegeben, die Bundesregierung wolle ihr Budget für Rüstungshilfe im Ausland von 225 Millionen auf zwei Milliarden Euro erhöhen. Davon sei ein Großteil für die Ukraine vorgesehen. Allerdings muss die Ampel-Regierung diesen Vorschlag noch im Detail ausformulieren. Mit dem Geld soll die Ukraine sich dann die Waffen bestellen können, die benötigt werden.
(mit Material von dpa)