Der Weg in die Politik führt häufig über Parteien. Für viele junge Menschen ist das abschreckend – sie fühlen sich von Parteien außerdem nicht richtig repräsentiert. Das war das Ergebnis einer Umfrage im Vorfeld der Bundestagswahl. Um eine Alternative zu diesem traditionellen Weg in politische Entscheidungspositionen zu bieten, hat Caroline Weimann Joinpolitics gegründet.
Eine Art Start-up, das politische Talente und ihre Ideen fördert. Mit Geld, mit Expertise, mit Netzwerken. Weimann wollte sich politisch einbringen. Die Jahre 2015/2016 hätten die junge Frau politisiert: Geflüchtete, die AfD, später dann Donald Trump und der Brexit. "In dieser Zeit kam sehr viel zusammen, es gab viele politische Aktivierungen", sagt Weimann.
Zunächst habe sie Diskussionen und Dialogformate geleitet. Und dabei festgestellt, dass es eine Menge politische Kompetenz im Land gibt – zu wenige Talente am Ende aber ihr Potenzial tatsächlich nutzen. "Deshalb habe ich mich entschieden, ein Format zu schaffen, das zusätzlich zu den etablierten politischen Strukturen dazu beiträgt, dass die Talente ihren Weg finden", erklärt Weimann.
Und schnell hat sie gemerkt: Genau solche Räume braucht es. Joinpolitics fördert Talente, die eine Idee haben. Es geht dem Start-up also nicht darum, die charismatische Entscheider:innen-Riege von morgen zu fördern. Vielmehr brauchen die Bewerber:innen eine Vision. Eine Antwort, auf die Fragen unserer Zeit, wie Weimann es nennt. Meistens bewerben sich ganze Teams mit einem Gesicht an der Spitze, das die Kampagne nach außen trägt.
21 solcher Talente und Ideen hat Joinpolitics seit 2019 gefördert. Darunter zum Beispiel Verena Hubertz, die heute für die SPD im Bundestag sitzt oder auch Christiana Bukalo, die mit ihrer Initiative Statefree eine Gesetzesänderung zugunsten von Staatenlosen anstrebt. "Wichtig ist, dass wir bei den Talenten die Ich-will-hier-rein-Mentalität sehen", sagt Weimann.
Meint: Eine gute Idee allein reicht nicht. Joinpolitics muss auch den Gestaltungswillen sehen. Ob der am Ende auf bundes-, landes- oder kommunaler Ebene zum Tragen kommt, ist egal.
Weimann sagt:
Das sei der Grund, weshalb es Start-ups wie Joinpolitics oder Brand New Bundestag brauche: "Wenn Institutionen seit Jahrzehnten bestehen, braucht es manchmal Impulse von außen, die piksen und wachrütteln." So könnten Anreize gesetzt werden, das System zu modernisieren. "Zukunftsfähig bedeutet auch, dass junge Ideen gehört werden."
Weimann und ihr Start-up fördern auch junge, neue Parteien. Zum Beispiel die paneuropäische Partei Volt. Natürlich dauere es, bis eine neue Partei sich etabliert. Vor allem, wenn sie nicht populistisch agiert, wie beispielsweise die AfD, meint Weimann. Und natürlich könne es auch deprimierend sein, zu sehen, wie viel politisches Potenzial es gibt – das dann aber eben nicht durchkommt mit der eigenen Idee. Die Gründerin stellt aber auch die Frage: "Wie soll politische Neuerung geschaffen werden, wenn es die Parteien nicht auch tun?"
Trotz aller Rückschläge und Frustration ziehe Weimann vor allen Dingen Hoffnung aus Joinpolitics:
Und diese Ideen gelte es zu unterstützen. Auch, um die Demokratie zu retten. Wenn es nach der Gründerin ginge, würde ihr Start-up in der Zukunft noch viel mehr Talente fördern. Nicht nur die "politischen Unicorns", wie Weimann sie nennt. Also jene Menschen, die sowohl die Vision, als auch das Charisma und das Team haben. Zum Beispiel die Kanzler:innen oder Bürgermeister:innen von morgen.
Sondern eben auch Menschen, die bisher noch keine konkrete Idee haben, aber den Willen etwas zu verändern. Das ist aktuell aber noch nicht möglich. Gerade auch aus finanziellen Gesichtspunkten.
Gefördert werden die Talente mit Geld, Netzwerk und Knowhow. "Wir haben eine ganze Reihe von Experten, die die Talente mit ihrem Wissen unterstützen", sagt Weimann. Darunter seien Kommunikationsexperten, Netzwerker:innen und auch Politiker:innen verschiedenster Couleur. Das ist Weimann wichtig. Joinpolitics arbeitet mit allen politischen Strömungen innerhalb des demokratischen Spektrums zusammen.
Im Januar endet die Bewerbungsphase für den neuen Talent-Jahrgang. Gefördert werden sollen insbesondere auch mehr Frauen. Der Grund: "Frauen sind politisch immer noch stark unterrepräsentiert." Diese Talente brächten oftmals auch bewusst Frauenthemen ein – auf Bundes-, Länder- und vor allem Kommunalebene kämen sie allerdings immer noch viel zu wenig vor. Und damit auch viele Themen, die sie besonders betreffen.
Das Geld für die Förderungen kommt über Spenden. Auch über Großspenden. Auf diese Weise fördern Einzelpersonen explizit die Entscheider:innen der Zukunft mit. Ein Punkt, der schnell zu einem Problem werden könnte. Joinpolitics möchte das vermeiden. Aus diesem Grund dürfen die sogenannten Angels – also die Hauptförderer – weder etwas mit dem Auswahl- noch mit dem späteren Betreuungsprozess zu tun haben.
Für die Zukunft wünscht sich Weimann allerdings ergänzend zu den privaten Spenden und Stiftungsgeldern auch eine staatliche Förderung. "Letztlich ist es eine staatliche Aufgabe, die wir hier übernehmen", stellt sie klar. Denn insgesamt seien Demokratie und Politik Dinge, die das Gemeinwohl betreffen – und somit auch die Förderung des politischen Nachwuchses eine Aufgabe der Gesellschaft.