Auch wenn es in diesem Jahr wohl nichts mehr wird: SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert verteidigt die ambitionierten Wohnungsbauziele der Ampel-Regierung. "Wir haben dieses Ziel in dem Wissen gesetzt, dass das sportlich wird", stellt Kühnert, der Mitglied des Bauausschusses im Bundestag ist, auf watson-Anfrage klar.
Zuvor hatte das ifo-Institut bekannt gegeben, dass viele Bauaufträge wieder storniert würden und das Ziel der Regierung daher in diesem Jahr nicht zu erreichen sei. Die Bundesregierung hat es sich in ihrem Koalitionsvertrag zur Aufgabe gemacht, das Problem Wohnungsmarkt anzugehen. 400.000 neue Wohnungen pro Jahr, ein Viertel davon Sozialbauten.
Der ifo-Forscher Felix Leiss stellte in einer Presseerklärung klar:
Auch im Regierungslager selbst gibt es schon länger Zweifel, dass die Ziele erreicht werden könnten, wie die "Taz" berichtet.
Kühnert erklärt hingegen:
Die Wohnungsmärkte der deutschen Städte und Gemeinden sind angespannt. Auch und gerade im Bereich der Sozialwohnungen, denn es gibt immer weniger von ihnen. Der Grund: Wohnungen sind nur für eine gewisse Laufzeit Teil des sozialen Wohnungsmarktes. Nach dieser Zeit fallen sie aus der Bindung und dürfen vom Eigentümer:innen auch teurer vermietet werden.
Für Kevin Kühnert ist es ein Erfolg, dass der Bund nun seine Mittel für den Wohnungsbau erhöht. Im Bereich der sozialen Wohnraumförderung bräuchte es aber auch die Länder und Kommunen. Insgesamt, stellt Kühnert klar, gebe es nicht die eine Lösung, um Wohnraummangel zu begegnen. Neben der Schaffung von mehr bezahlbaren Wohnraum gibt es laut Kühnert nämlich einen weiteren entscheidenden Hebel: Eine soziale Bodenpolitik, die Spekulationen stoppt.
Er sagt:
Wohngemeinnützigkeit bedeutet, dass Wohnungsunternehmen, die sich dem bezahlbaren und preisgünstigem Wohnraum verpflichten, Investitionshilfen und Förderungen vom Staat bekommen. Außerdem können verschiedene Steuern entfallen.
Da in der Koalition ein Mietenstopp – auch wenn Kühnert und seine Partei ihn gern hätten – nicht vorgesehen ist, sei auch die sogenannte Kappungsgrenze ein wichtiges Instrument. Durch sie würden die Preisentwicklungen der Bestandsmieten abgebremst. Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass sich diese Grenze auf einen Mietanstieg von maximal elf Prozent innerhalb von drei Jahren verringert. "Das muss Justizminister Buschmann jetzt zügig umsetzen", fordert Kühnert. Auch die Mietpreisbremse bei Neuvermietungen sei ein wichtiges Instrument.
Kühnert räumt ein, dass es weitere Preistreiber gibt, die die Politik eindämmen müsse. Er sagt:
Im Bereich der Indexmietverträge tue die Inflation nun ihr Übriges – denn in diesem Fall ist die Miethöhe an die Veränderung der Lebenshaltungskosten gekoppelt. Sie steigt also, wenn das Leben teuer wird. "Die Lage ändert sich hier so dramatisch, dass wir jetzt intervenieren müssen", sagt Kühnert und fordert: "Die Kappungsgrenze muss auch für diese Vertragsform gelten, damit die Mieten nicht ins Unermessliche schießen."
Für die Vorsitzende des Wohn- und Bauausschusses im Bundestag, Sandra Weeser (FDP), ist klar: Die Wohnungsnot ist nur zu lösen, wenn gebaut wird. Auf watson-Anfrage erklärt Weeser:
Handlungsbedarf sehe die FDP-Politikerin bei den Genehmigungsverfahren und der "Kleinstaaterei der Bundesländer". Hier brauche es mehr Personal und die Digitalisierung. So könnten Prozesse verschlankt und entbürokratisiert werden.
"Wir müssen serielles Bauen vereinfachen – etwa über vereinfachte Typengenehmigungen", sagt Weeser. Es ergebe keinen Sinn, baugleiche Gebäude doppelt durchzuprüfen, wenn es bereits 200 Kilometer entfernt fertig gebaut stehe und funktioniere.
Aus dem Bauministerium heißt es auf watson-Anfrage, dass auch Ministerin Geywitz das serielle Bauen als Möglichkeit sieht.
Geywitz erklärt:
Wichtig sei außerdem, meint FDP-Politikerin Weeser:
Mit Blick auf steigende Energiekosten und Inflation sei sie offen für den Vorschlag des Bundeskanzlers, das Wohngeld auszuweiten und so Haushalten zu helfen. Die FDP-Politikerin denke dabei vor allem an Rentner:innen, Familien und Studierende. Das helfe auch jenen Menschen, die gerade noch auf Wohnungssuche seien.
Ähnlich blickt auch der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bauindustrie, Tim-Oliver Müller, auf die Vorhaben der Regierung. Er findet es gut, dass Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) an ihren ambitionierten Zielen festhält. Denn zu oft seien politische Ziele zu vage.
Müller sagt im Gespräch mit watson:
Er stellt aber auch klar: In den kommenden Jahren könnte es schwierig werden, das Ziel zu erreichen. Denn die Materialkosten, die aktuell die Preise in die Höhe trieben, dürften teuer bleiben. Zu den Stornierungen käme es, weil Wohnungsbaugesellschaften, Investor:innen und Privatmenschen die höheren Preise und die höheren Zinsen schlicht nicht einkalkuliert hätten – weil Bauvorhaben langfristige Projekte seien.
Die Baubranche selbst sei in der Lage, mehr zu bauen – auch 400.000 Wohnungen im Jahr. Genug Personal und Maschinen gebe es, aber eben auch die externen Widrigkeiten. Und abspringende Investor:innen. Gerade für den Bereich des sozialen Wohnungsbaus sei es wichtig, meint Müller, konkrete Förderungen zu bieten.
Denn:
Die Wohnungsnot ist nicht länger ein Problem der urbanen Zentren, stellt Ulrich Schneider klar. Der Hauptgeschäftsführer des paritätischen Gesamtverbandes erklärt auf watson-Anfrage: "Die Krise am Wohnungsmarkt ist eine der großen sozialen Krisen der Zeit." Nun kämen auch die Inflation und hohe Energiekosten on top.
2021 belief sich, laut Statistischem Bundesamt, der Anteil der Wohnkosten am verfügbaren Haushaltseinkommen bei Menschen, die armutsgefährdet sind, auf 43,3 Prozent. Also nur knapp weniger als die Hälfte des verfügbaren Geldes.
Ulrich stellt klar:
Der Verband fordere daher Entlastungen. Dazu zählte beispielsweise eine Erhöhung des Wohngeldes, das dauerhaft an die Mietentwicklung angepasst werden müsse. Gleiches gelte für die Energiekosten. Zudem müssten der soziale Wohnungsbau vorangetrieben und die Mietpreise begrenzt werden.