Mehr als fünf Millionen Menschen sind seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Februar aus der Ukraine geflüchtet. Das teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) Ende April mit. Viele von ihnen zogen über die Grenze nach Polen, aber auch weiter nach Deutschland.
Hierzulande bemühen sich zahlreiche Helfende und Hilfsorganisationen, die Menschen aus der Ukraine zu unterstützen, Sachspenden und Wohnungen zu organisieren. Denn mitnehmen konnten die meisten von ihnen nur wenig.
Die Solidarität der Menschen in Deutschland und überall auf der Welt mit der Ukraine ist enorm. Privatpersonen nahmen ukrainische Familien auf, versorgten sie. Auch die Spendenbereitschaft ist seit Kriegsbeginn in Deutschland sehr hoch. Es könnte sogar ein lange zurückliegender Spendenrekord in der Katastrophenhilfe geknackt werden.
Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) schreibt in einer Pressemitteilung:
Watson hat mit Burkhard Wilke, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter des DZI, über die Spendenbereitschaft im Krieg in der Ukraine gesprochen.
In den vergangenen Wochen geisterten immer wieder Bilder durchs Netz: Angeblich verbrannte Sachspenden und Berge aus nicht verteilten Kleidungsstücken an den ukrainischen Grenzen. Es häuften sich auch Berichte über unseriöse Spendenorganisationen.
Das könnte bei vielen Menschen zu einer Unsicherheit darüber führen, wie am besten geholfen werden kann. Und ob die eigene Spende überhaupt dort ankommt, wo sie dringend benötigt wird.
Burkhard Wilke bestätigt auf Anfrage von watson:
Besser seien Geldspenden. Es gebe aber auch viele gut organisierte Sachspendenaktionen – nicht zuletzt aufgrund der geringen Entfernung zur Ukraine, sagt Wilke. "Die Schwierigkeit für die meisten Spenderinnen und Spender ist, die guten von den schlecht gemachten zu unterscheiden", sagt der DZI-Geschäftsführer. Das sei auf den ersten Blick nicht so einfach zu erkennen. Deshalb hat das DZI auf seiner Webseite die Spenden-Info "Nothilfe Ukraine" erstellt, wo sich Spendenwillige vorab über die Seriosität der ausgewählten Hilfsorganisation informieren können.
Ganz ausgeräumt werden können die Unsicherheiten vieler Menschen allerdings nicht. Der Anteil dieser zweifelnden Nicht-Spendenden sei laut Wilke aber aktuell kleiner als sonst. "Vermutlich weil die Not der Menschen in und aus der Ukraine einfach so groß und sichtbar ist."
Ohne besonderen Anlass, wie den Krieg in der Ukraine, spenden laut dem DIW-Wochenbericht 8/2020 rund 47 Prozent der erwachsenen Personen in Deutschland. Im Falle der anderen Hälfte, der Nicht-Spendenden, würde die Zurückhaltung tatsächlich häufig mit dem Zweifel begründet, ob das Geld auch wirklich ankomme, sagt Wilke.
Trotzdem wurde bereits einen Monat nach Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine eine Rekordsumme an Geldspenden mit 631 Millionen Euro registriert.
Zum Zeitpunkt der letzten Erhebung am 25. März 2022 wurde in Deutschland nur 2004 beim Tsunami in Südostasien mit 670 Millionen Euro mehr gespendet als jetzt.
Tatsächlich ist die Spendenbereitschaft in Deutschland in den vergangenen 10 Jahren stark angestiegen. Sowohl die Höhe der einzelnen Geldspenden, als auch die Anzahl der Spendenden sowie die Menge der Spenden. Im Jahr 2020 ist das Gesamtspendenvolumen in Deutschland auf 11,7 Milliarden Euro angestiegen.
Ende April bestätigte die Hilfsorganisation STELP watson, dass das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Lebensmittel aus den eigenen Reservespeichern an die Organisation übergeben habe. Diese werden vor Ort in den umkämpften Gebieten offenbar dringend benötigt.
Patrick Münz, Zweiter Vorsitzender des Stuttgarter Vereins STELP, sagte watson im April, dass der Organisation anfangs noch viel gespendet worden sei. Man habe mit Spendengeldern viel hinzugekauft. Die Spendenbereitschaft sei dann aber immer weiter abgeflacht.
DZI-Chef Wilke bestätigt gegenüber watson einen generellen Zusammenhang zwischen staatlichen Hilfen und der Entwicklung der privaten Spendenbereitschaft:
Allerdings sei dies im Fall der staatlichen Lebensmittellieferungen in die Ukraine nicht so. Den meisten Spenderinnen und Spendern in Deutschland sei klar, dass es notwendig ist, die Versorgung der Bevölkerung in der Ukraine auch durch die Mithilfe von Nichtregierungsorganisationen sicherzustellen, erklärt Wilke.
Die Spenden- und Unterstützungsbereitschaft in der Bevölkerung in Deutschland schätzt das DZI weiter sehr hoch ein. Niedriger geworden sei allerdings das täglich neu gespendete Volumen von Geld und Sachen. "Das ist nachvollziehbar, schließlich spendet man nicht täglich oder wöchentlich immer wieder", sagt Wilke.
Noch immer kommen täglich tausende Menschen aus der Ukraine in Deutschland an. Sowohl in der Ukraine als auch in Deutschland benötigen sie nach wie vor Unterstützung.
Wilke sagt:
Doch dabei dürfen die Notlagen in anderen Regionen der Welt nicht vergessen werden. Diese könnten sich nämlich durch den Krieg in der Ukraine teilweise noch verschlimmern – "wie etwa zunehmender Hunger aufgrund der weltweit steigenden Nahrungsmittelpreise", zählt Wilke in einer Pressemitteilung des DZI auf.
Das Institut weist deshalb immer wieder darauf hin, dass Spenden für Hilfsbedürftige in anderen Katastrophengebieten nicht vergessen werden sollten.