Die Bekämpfung der Pandemie kostet Geld: Ende 2021 wird die Schuldenquote nach Erwartung des Finanzministeriums wieder bei rund 75 Prozent liegen. Am Montagmorgen um 9.41 Uhr steht die Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler auf 2.371.404.910.420 Euro – also mehr als zwei Billionen. Das sind laut dem Verein 28.529 Euro Schulden pro Kopf.
Insgesamt wird während der Pandemie auf der einen Seite mehr ausgegeben: Wirtschaftshilfen, Kurzarbeitergeld, Impfstoffe, Coronatests, um nur einige Beispiele zu nennen. Auf der anderen Seite wird weniger Geld eingenommen, weil beispielsweise weniger Steuern gezahlt werden. Allein 2020 sind die Ausgaben im Vergleich zum Vorjahr um 9,5 Prozent gestiegen, während die Einnahmen um 3,8 Prozent gesunken sind. Diese Werte veröffentlichte das Statistische Bundesamt im Januar 2021.
Wie der "mdr" mitteilte,war der Schuldenstand der Bundesrepublik zum Ende des Jahres 2020 höher als je zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen. So hätten sich die öffentlichen Schulden im nicht-öffentlichen Bereich auf über zwei Billionen Euro belaufen. Nicht-öffentlich bedeutet, dass Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbänden und Sozialversicherung – also öffentliche Stellen – Schulden bei privaten Banken oder Unternehmen im In- und Ausland haben.
Doch was bedeutet diese Staatsverschuldung für Deutschland und für die jungen Menschen?
Sebastian Dullien, der wissenschaftliche Direktor der Hans-Böckler-Stiftung, sieht aus volkswirtschaftlicher Sicht keine Probleme in den aktuellen Ausgaben. Zwar nehme der Staat aktuell weniger Steuern ein und gebe bei den Sonderprogrammen, wie dem Kurzarbeitergeld auch mehr Geld aus, das sei aber alles über Kredite finanziert. Für diese gibt es laut dem Koalitionsvertrag auch Tilgungspläne, die sich über insgesamt 30 Jahre – von 2028 bis 2058 – erstrecken sollen.
Dullien sagt gegenüber watson:
Obwohl die sogenannte Generation Babyboom zwischenzeitlich in Rente geht und sich die Abzahlung dieses Kredites dadurch auf die jüngeren Generationen verteilt, bedeute das nicht, dass diese extrem an den finanziellen Auswirkungen der Pandemie zu knabbern hätten. "Wenn wir die aktuellen Zinsen und die Inflation einrechnen, ist der Kredit, bis er abgezahlt werden muss, viel weniger wert als heute", sagt Dullien.
Gleichzeitig gebe es aber auch eine andere Möglichkeit: Der Kredit könnte von einem anderen Kredit abgelöst werden. "Das wurde in der Vergangenheit auch so gemacht, zum Beispiel nach dem Zweiten Weltkrieg", sagt Dullien. Faktisch seien die Kredite also nicht zurückgezahlt, sondern nur neu finanziert worden, während die Wirtschaft so stark gewachsen sei, dass das keine finanzielle Belastung mehr dargestellt habe.
Aber auch wenn eine solche Neufinanzierung nicht kommt, stellt Dullien klar:
Da in jedem Jahr ein wenig Inflation – also Wertverlust des Geldes – stattfände und die Wirtschaft weiter anwachse, würde die Bedeutung des Kredites im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung weiter abnehmen. "Wir gehen eigentlich davon aus – das war allerdings vor der Omikron-Welle – dass die Wirtschaft spätestens bis zur Jahresmitte 2022 ihr Vorkrisenniveau erreichen wird", sagt Dullien. In den USA sei das bereits der Fall, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass diese Stabilisierung in Deutschland ausbleibe.
Wie hoch sich ein Staat verschulden dürfe, hänge auch mit damit zusammen, wie groß das Vertrauen des Finanzmarktes in diesen Staat ist. Dullien führt aus:
Zu einem Problem für andere wichtige Investitionen könnte die Tilgung des Kredites ab 2028 trotzdem führen. Grund dafür ist die Schuldenbremse. "In normalen Zeiten begrenzt die Schuldenbremse, wie viel sich Deutschland leihen kann. Dadurch kann das Geld dann fehlen", sagt Dullien. Gerade was Zukunftsinvestitionen angeht, könnte der Gürtel dann enger geschnallt werden.
Dullien sagt:
Aus Sicht des Volkswirtschaftlers wäre es sinnvoll, die Schuldenbremse zu lockern. In die Zukunft zu investieren, beispielsweise in den Bereichen Klimaschutz, Infrastruktur oder Bildung, seien Ausgaben, von denen gerade die junge Generation profitieren könnte.
Die Ansicht, dass Schuldenbremse nicht unbedingt sinnstiftend ist, vertritt auch Peter Bofinger. Er ist Professor für Volkswirtschaftslehre und war bis 2019 für insgesamt 15 Jahre einer der fünf Wirtschaftsweisen. Die Schuldenbremse sorge dafür, dass der Staat ab dem Jahr 2023 – sobald sie also wieder in Kraft tritt – keine Schulden mehr machen darf. Die Begründung: Künftige Generationen sollen nicht dadurch belastet werden.
Aus Sicht des Ökonomen ist das der falsche Ansatz. "Diese Tilgung erfolgt entweder durch höhere Steuern oder durch weniger Investitionen – beides ist auch für die junge Generation nicht wirklich sinnvoll", sagt Bofinger. Auch die Schulden, die in der Corona-Krise gemacht worden seien, seien letztlich auch der jungen Generation zugute gekommen: Kurzarbeitergeld und Überbrückungshilfen für Unternehmen führten dazu, dass es keine massive Arbeitslosigkeit gegeben habe. "Es gibt in dieser Krise schon genug Probleme für junge Menschen, da müssen nicht auch noch die Eltern arbeitslos werden", sagt Bofinger.
Man könne also nicht sagen, das Geld, das heute ausgegeben wird, gehe nur an die Alten und bezahlen müssten es später die Jungen. Letztlich gehe es in vielen Punkten auch um Zukunftsinvestitionen.
Wichtig sei, so Bofinger, die Staatsverschuldung in Relation zu der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft zu sehen. Zu besseren Verdeutlichung zieht er den Vergleich zum Individuum:
Schulden müssten also immer auf die Leistungsfähigkeit bezogen werden – der absolute Schuldenbetrag wiederum sei quasi irrelevant. Bofinger führt aus: "In der Ökonomie ist es üblich, dass man die Staatsverschuldung relativ zur Wirtschaftsleistung misst – das ist die Staatsschuldenquote." Und die liege in Deutschland im Vergleich mit anderen großen Volkswirtschaften extrem niedrig. "Die Staatsverschuldung Deutschlands ist absolut im grünen Bereich, auch nach Corona. Diese Panik, die hier bezüglich der Staatsverschuldung gemacht wird, ist ein exklusiv deutsches Problem", sagt der Ökonom.
Natürlich geht es bei Staatsverschuldung aber nicht darum, dass der Staat Schulden aufnimmt, weil er das möchte. Stattdessen geht es um Investitionen: Bildung, Infrastruktur, Pandemie-Bekämpfung. "Wenn der Staat Schulden aufnimmt und das Land dadurch leistungsfähiger wird, ist das völlig ok", sagt Bofinger.
Finanziell also, gibt es für große Volkswirtschaften wie Deutschland also sozusagen kein Limit. Probleme mit Investitionen gibt es trotzdem. Bofinger führt aus:
Aus ökonomischer Sicht sei eine Legislaturperiode also zu kurz gedacht. "Eigentlich bräuchte man viel mehr einen Masterplan, bis zum Ende des Jahrzehnts", sagt Bofinger. Ein weiteres Problem, das der Ökonom mit dem aktuellen Koalitionsvertrag hat: Er ist zu unkonkret. "Bei den ganzen Zukunftsinvestitionen steht keine einzige Zahl drin", fasst er zusammen. In dieser Form setze der Vertrag voraus, dass die Kooperation gut klappe, die finanziellen Mittel auch wirklich zur Verfügung gestellt würden.