Der ehemalige US-Präsident Donald Trump.Bild: FR171758 AP / Yuki Iwamura
Analyse
Die Hausdurchsuchung im Anwesen von Donald Trump könnte zu einer Klage gegen den Ex-Präsidenten führen. Ein solches Verfahren wäre jedoch mit enormen Risiken verbunden.
10.08.2022, 12:0310.08.2022, 15:26
Peter Blunschi / watson.ch
Seit Donald Trump die politische Bühne in den USA betreten hat, geschehen Dinge, die zuvor undenkbar waren. Eine weitere Episode kam am Montag hinzu. Erstmals überhaupt wurde das Anwesen eines Ex-Präsidenten von der Bundespolizei FBI durchsucht. Bei der "Razzia" ging es um Trumps Umgang mit Dokumenten aus seiner Zeit im Weißen Haus.
Während der Durchsuchung der Residenz Mar-a-Lago in Florida war Donald Trump offenbar nicht anwesend. Er bezeichnete sie in gewohnter Manier als "politische Verfolgung" durch "radikale linke Demokraten". Für Politbeobachter in den USA ist jedoch klar: Das Vorgehen des FBI wäre ohne eine Anordnung aus dem Justizministerium nicht möglich gewesen.
Es ist gleichzeitig die oberste Anklagebehörde des Landes und hat zwei Untersuchungen gegen Donald Trump eingeleitet. Eine betrifft seinen teilweise liederlichen Umgang mit Dokumenten, darunter klassifiziertes Material, die von Gesetzes wegen archiviert werden müssten. Bei der zweiten Ermittlung geht es um die Vorgänge am 6. Januar 2021.
Garland unter Druck
Der Sonderausschuss des Repräsentantenhauses und die live übertragenen Hearings haben jede Menge belastendes Material gegen Trump zutage gefördert. Der Ex-Präsident hatte seine Anhänger an jenem Tag zum Sturm auf das Kapitol ermuntert, um die Zertifizierung von Joe Bidens Wahlsieg durch den Kongress zu verhindern.
Damit wächst der Druck auf Justizminister und Generalstaatsanwalt Merrick Garland, Trump wegen eines versuchten Staatsstreichs anzuklagen. Doch Garland zögert, zum Ärger des linken Flügels der Demokraten. Er müsse "eine Entscheidung treffen, die eigentlich zu groß ist für einen einzelnen Menschen", heißt es in einer Analyse des "Spiegel".
Trump wird von Anhängern als Märtyrer gefeiert
Falls er Trump vor Gericht bringt, würde die polarisierte Nation noch tiefer gespalten und womöglich an den Rand eines Bürgerkriegs getrieben. In den Augen von Trumps Anhängern wäre ihr Idol ein Märtyrer, verfolgt von einem korrupten System. Die Republikaner, die sich gerade vorsichtig von Trump zu distanzieren beginnen, würden sich hinter ihm einreihen.
Justizminister Merrick Garland steckt in einem Dilemma.Bild: AP / Manuel Balce Ceneta
Verzichtet Garland jedoch auf eine Anklage, um den Frieden im Land zu wahren, käme Trump einmal mehr ungeschoren davon. Er hat bereits zwei Amtsenthebungsverfahren im Senat überstanden, ebenso den Bericht von Sonderermittler Robert Mueller, "der wohl in normalen Zeiten einen Präsidenten zu Fall gebracht hätte", so der "Spiegel".
Hohe Hürden für Trumps Verurteilung
Bei Donald Trump ist jedoch nichts normal. Nicht nur aus diesem Grund sind die Hürden für eine Verurteilung hoch. Der Ex-Präsident würde ein Heer von hochkarätigen Anwälten engagieren, die nach möglichen Schwachstellen in der Anklageschrift suchen würden. Diese müsste absolut wasserdicht sein, ansonsten droht eine Blamage.
Und selbst wenn es zum Prozess käme, genügt ein Trump-Fan unter den zwölf Geschworenen, um ihn platzen zu lassen. Gar nicht auszudenken sind laut dem "Spiegel" die Folgen eines Freispruchs: "Wenn nicht einmal Trump bestraft wird, der so wenig Talent zur Verstellung besitzt – wie soll künftig ein Präsident zur Verantwortung gezogen werden, der geschickter vorgeht, die USA in eine Autokratie zu verwandeln?"
Hausdurchsuchung als Ausweg
Hinzu kommt, dass eine Anklage samt Prozess gegen Donald Trump die Nation und die Welt monatelang in Atem halten würden, obwohl es genug andere Probleme gibt. Das alles stellt Justizminister Merrick Garland vor ein kaum lösbares Dilemma. Einen möglichen Ausweg könnte ausgerechnet die Hausdurchsuchung in Florida eröffnen.
Donald Trump hat bei seinem unfreiwilligen Auszug aus dem Weißen Haus – er hat die Wahlniederlage bekanntlich nie akzeptiert – 15 Kisten mit Material mitgehen lassen. Einige Dokumente gab er zurück, dennoch leitete die Justiz eine Untersuchung ein, denn jegliche Korrespondenz eines Präsidenten muss für die Nachwelt archiviert werden.
Trump hat wiederholt Unterlagen vernichtet
Trump interpretierte diese Vorschrift wie viele andere nach eigenem Gutdünken. Es ist bekannt, dass er wiederholt Unterlagen vernichtet hat. Teilweise soll er sie die Toilette heruntergespült haben, wie die bestens informierte "New York Times"-Journalistin Maggie Haberman enthüllte. Die Website Axios veröffentlichte am Montag entsprechende Fotos.
Diese Vorgänge sind fragwürdig genug. Sollten sich unter dem am Montag sichergestellten Material auch klassifizierte Dokumente befinden, könnte der Weg frei sein für ein Strafverfahren. Im Vergleich mit dem mutmaßlichen Putschversuch am 6. Januar wäre dies ein Nebenschauplatz, vielleicht sogar eine Lappalie.
Wie einst Al Capone
Es wäre jedoch nicht das erste Mal, dass ein "Schwerverbrecher" wegen einer Nebensächlichkeit zur Rechenschaft gezogen würde. Der legendäre Chicagoer Mafiapate Al Capone kam nicht wegen Alkoholschmuggels, Glücksspiels oder seiner Massaker und Morde hinter Gitter, sondern wegen Steuerhinterziehung und Geldwäscherei.
Protest von Trump-Fans in Mar-a-Lago
Selbst in diesem Fall aber könnte eine Verurteilung von Donald Trump schwierig werden. Zu den möglichen Strafen gehört neben Gefängnis auch ein Ausschluss von Ämtern auf Bundesebene. Donald Trump könnte in diesem Fall 2024 nicht erneut kandidieren. Dem stehen jedoch verfassungsrechtliche Bedenken entgegen, schreibt die "New York Times".
Clintons Mails als Präzedenzfall
Als Präzedenzfall dient die Kontroverse um die verschwundenen E-Mails aus Hillary Clintons Amtszeit als Außenministerin, auf die Donald Trump in seinem Statement vom Montag verwies. Sie spielten im Wahlkampf 2016 eine wichtige Rolle. Auch in diesem Fall gab es Ermittlungen des FBI, doch letztlich kam es nie zu einem Verfahren gegen Clinton.
Eine Anklage gegen Donald Trump wäre aus mancherlei Gründen wünschenswert. Doch der Weg zu einer Verurteilung ist steinig, der Schuss könnte nach hinten losgehen. Auch deshalb ist Justizminister Merrick Garland nicht zu beneiden.
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