Christian Lindner wollte ihn – und Robert Habeck versucht nun die Konsequenzen, die sich aus ihm ergeben haben, zu bekämpfen: Die Rede ist vom Tankrabatt und der Tatsache, dass mit ihm nicht, wie angedacht, Bürgerinnen und Bürger entlastet, sondern Mineralölkonzerne subventioniert werden.
Weil sich offenbar die Mineralölkonzerne an der Steuersenkung auf Kraftstoffe wie Diesel und Benzin bereichern, will Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) nun das Kartellrecht verschärfen.
Der Ärger über die kaum vorhandene Wirkung des Rabatts wurde zuvor deshalb zunehmend größer: sowohl in der Opposition, als auch in den Reihen der Ampel-Koalition und vor allem bei den Bürgerinnen und Bürgern. Für vergangenen Sonntag errechnete der Automobilclub ADAC einen durchschnittlichen Literpreis für Super E10 von 1,952 Euro. Diesel kostete demnach 2,033 Euro.
Und der Verband sagt: Der Spritpreis hat sich deutlich vom Rohölpreis entkoppelt. Heißt: Die Konzerne machen offenbar ihre Preise selbst. Gewinne steigen, genauso wie die Preise für die Verbrauchenden. Dabei sollte der Tankrabatt eigentlich anderes erreichen: Nämlich, dass die Spritpreise bei gleichbleibenden Konzerngewinnen sinken. Ergo: Mindestens ein Teil des Rabatts stecken sich die Mineralölkonzerne in die eigene Tasche.
So – und Habeck will jetzt richten, was Finanzminister Lindner in die Wege geleitet hatte.
Lindner selbst verteidigt allerdings noch immer seinen Tankrabatt. Die Spritpreise wären ohne ihn noch "wesentlich höher", sagte der FDP-Politiker bei ARD und ZDF.
Tatsächlich hatten schon vor Inkrafttreten dieser Maßnahme Expertinnen und Experten vor einer solchen Steuersenkung gewarnt. Wie etwa der Chef des Tankstellenverbands TIV, Peter Hengstermann. Mitte Mai sagte er der "Bild", er halte einen weiteren Anstieg der bereits explodierenden Tankkosten für "gut möglich. Er sagte außerdem: "Wir erwarten, dass die Mineralölkonzerne die Preise künstlich nach oben treiben, um den Tankrabatt wegzuschlucken, damit trotz Rabatt weiter Kasse gemacht werden kann." Auch der ADAC mahnte die Mineralölkonzerne, die Spielräume für Entlastungen "voll auszuschöpfen und an die Verbraucher weiterzugeben".
Selbst Habeck hatte sich von Anfang an dagegen ausgesprochen: "Ich glaube, da kann man es noch ein bisschen besser machen", sagte er kurz nach Veröffentlichung der Idee im März im ARD-Talk von Anne Will. "Es sind ja lauter Vorschläge auf dem Markt und alle erzählen jetzt im Moment ein bisschen, was ihnen gerade so sinnvoll erscheint."
Doch Lindner zog's durch. Er wollte ihn, er bekam ihn.
Als sich Mitte des Monats Juni nun herausstellte, dass genau das eingetroffen ist, was Expertinnen und Experten befürchteten, forderte Lindners Partei, dass das Wirtschaftsministerium einlenken müsse.
Jetzt will Habeck zumindest für eine längerfristige Lösung sorgen. Selbst wenn die Maßnahme, das Kartellrecht zu verschärfen, wohl in dieser Misere nicht mehr wirken werden. Ein Gesetz auf den Weg zu bringen, dauert in der Regel Monate. Bis dahin gilt der für drei Monate angedachte Tankrabatt gar nicht mehr.
Trotzdem: "Wir machen ein Kartellrecht mit Klauen und Zähnen", sagte der Grünen-Politiker am Montag im Deutschlandfunk.
Das Kartellrecht will der Grünen-Politiker also nun in zwei entscheidenden Punkten ändern:
Bisher ist es für das Kartellamt schwer, gegen Oligopole, also Märkte mit nur wenigen Anbietern und hohen Gewinnmargen, vorzugehen.
Der Wettbewerbsökonom Justus Haucap erklärt in der "Zeit", dass er das "im Grunde für einen guten Ansatz" hält. Denn so würde das System verändert. Er warnt allerdings im gleichen Atemzug vor staatlicher Willkür: Im Gesetz müssten Bedingungen, unter denen das Kartellamt eingreifen dürfe, "sehr genau festgelegt" werden.
Was aber hat dieses Hin und Her politisch zu bedeuten?
Habeck und Lindner – das sollten Beobachtende spätestens während der Koalitionsverhandlungen bemerkt haben – sind nicht gerade die besten Freunde. Zwei Alphatiere, zwei Philosophen, zwei Männer mit Ehrgeiz und Idealen, die unterschiedlicher kaum sein könnten: der Grüne und der Liberale.
Lindner wäre gern Vize-Kanzler geworden, Habeck wurde es. Habeck hätte wohl gern das Finanzministerium geleitet, das nun unter Lindner arbeitet.
Und jetzt springt der Grüne dem Liberalen, der wegen der weiter steigenden Spritpreise heftig in die Kritik geraten ist, in die Bresche. Ursprünglich wollte Habeck eine Übergewinnsteuer einführen – doch Habeck musste einräumen, dass diese in der Ampel-Koalition nicht mehrheitsfähig sei. Vermutlich wegen der FDP.
Dass Habeck Lindner trotzdem aus der Patsche hilft, wird den Grünen-Politiker zumindest ein wenig freuen. Ein wenig Schadenfreude und das Gefühl, der moralisch Größere der beiden zu sein. Der Klügere gibt bekanntlich nach.
Lindner wird genau das schmerzen. Auch, wenn er auf Habecks Hilfe zumindest politisch angewiesen ist.
Doch auch Habecks Vorstoß könnte ihn selbst möglicherweise zum Stolpern bringen: Gewinne von Konzernen einzusacken, greift tief in das Eigentumsrecht von Unternehmen ein.
Und die werden sich das sicherlich nicht einfach so gefallen lassen.