Was macht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck anders als so mancher SPD-Politiker? Warum wird dem Grünen-Politiker eine größere Souveränität zugeschrieben? Warum ist er beliebter als Kanzler Olaf Scholz oder Bundesfinanzminister Christian Lindner, obwohl er momentan für dieselbe Politik steht?
Aufgrund des Ukraine-Krieges und dessen Auswirkungen sind vor allem Habeck und seine Parteikollegin und Außenministerin Annalena Baerbock gerade sehr präsent – und die Mehrheit der Deutschen ist zufrieden mit deren Auftreten und Politik. Das zeigen Daten aus dem aktuellen ARD-Deutschland-Trend. Scholz und Lindner verlieren dagegen an Zustimmung.
Habeck ist also beliebt in Deutschland – und das, obwohl er entgegen seiner grünen Überzeugungen für Waffenlieferungen in ein Krisengebiet (Ukraine) ist. Obwohl er, wie man es von jemandem aus der Öko-Partei nicht erwarten würde, gerade daran arbeitet, flüssiges Erdgas aus einem Land zu bestellen, das wegen etlicher Menschenrechtsverletzungen in der Kritik steht (Katar). Was aber macht Robert Habeck momentan richtig?
Ganz einfach: Er redet.
Und Habeck redet nicht nur so da hin. Er kommuniziert auf anderen Wegen als manche seiner Politikkollegen wie etwa Kanzler Scholz. Habeck drückt sich aus – und das ist nicht nur wörtlich gemeint: Habeck zeigt Deutschland, womit er selbst gerade kämpft, er erklärt komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge in bildlicher Sprache, macht den Menschen verständlich, was gerade Phase ist. Er korrigiert sich und seine Prognosen, wenn sich die Umstände verändern: Und das macht er alles öffentlich. Transparent.
Er kommuniziert zudem auf Kanälen, auf denen er das deutsche Volk erreicht. Und zwar nicht nur die Bildungselite. Der Nachrichtensender "ntv" bezeichnet ihn als den "YouTube-Star im Wirtschaftsministerium", der "Spiegel" beschreibt ihn als "Influencer auf Reisen".
An diesem Mittwoch hat sich Habeck wieder einmal an die Öffentlichkeit gewandt. Mit einem Video, das er über seinen offiziellen Twitter-Kanal und auf YouTube veröffentlichte, erklärte er, wie weit Deutschland beim Weg in die Unabhängigkeit von russischen Energie-Stoffen ist.
Ab diesem Sommer ist Deutschland laut Habeck praktisch unabhängig von russischer Steinkohle. Der Anteil von russischem Erdgas von 55 Prozent im vorigen Jahr sei nun auf 35 Prozent gesunken. "Beim Gas sind wir dabei, mit Hochdruck eine neue Energieinfrastruktur aufzubauen, die LNG-Terminals, die dann Flüssiggas nach Deutschland bringen, sodass wir auch russisches Pipeline-Gas nicht mehr brauchen", teilte er in dem Video mit. "Es dauert ein bisschen länger, eine neue Infrastruktur aufzubauen. Aber auch da kommen wir sehr, sehr gut voran."
Und Habeck wird auf Twitter für seine Kommunikation gefeiert. Sein Statement erhielt viel Beachtung, wurde bis Mittwochabend bereits rund 755.000 Mal aufgerufen. Mehr als 24.000 User gefiel, was sie sahen.
Auch die Journalistin und Fernsehmoderatorin Natalie Amiri teilte das Video und schrieb dazu: "So geht Kommunikation auf Augenhöhe zum Bürger..."
Sein Talent für die Kommunikation auf Augenhöhe zeigt Robert Habeck auch am Mittwoch wieder bei der Bundespresskonferenz in Berlin. Er berichtet an diesem frühen Nachmittag davon, dass das Wirtschaftsministerium die Konjunkturprognose senkt. "Ich rede immer von DER Wirtschaft", sagte er. "Da stellt man sich abstrakte Unternehmensbilanzen vor."
Doch dabei gehe es eben um konkrete Unternehmen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigten. Diese hätten Familien – und wenn die Konjunktur abgeschwächt werde, dann würden das die Menschen direkt zu spüren bekommen. "Die Wirtschaft", wie Habeck sagt, "ist das, was unser Land braucht, um unser Land zu sein."
Neben all den positiven Aspekten von Habecks Kommunikation, sind auch er und seine Partei, er und seine Politik, er und die Bundesregierung, der er angehört, nicht vor Kritik gefeit. Es ist gerade einmal zwei Tage her, da wurde der Bundeswirtschaftsminister auf Wahlkampfveranstaltungen in Bielefeld und Dortmund kritisiert – eben für die Ukraine-Politik der Regierung. Demonstranten aus dem sogenannten "Querdenker"-Milieu haben die Auftritte mit Pfiffen und Rufen massiv gestört.
Und das ist noch nicht alles.
Eine Sache könnte Habeck in große politische Bedrängnis bringen. Denn eine Klausel in russischen Gas-Verträgen mit dem deutschen Chemie-Unternehmen BASF bleibt auch von dem sonst so transparenten Habeck zunächst ungesagt: Deutschland hat sich mit Knebelverträgen langfristig an russisches Gas gebunden. Habeck spricht also von einem Ausstieg aus russischem Gas – so schnell es geht – doch das könnte tatsächlich unrealistisch sein. Das zeigt eine Recherche des ZDF-Magazins "Frontal".
"Die Klausel bedeutet: Du musst jedes Jahr eine Mindestmenge abnehmen. Ansonsten musst du für das Gas bezahlen, das du nicht abgenommen hast", erklärt der Experte Jack Sharples vom Oxford-Institut für Energiestudien in der "Frontal"-Reportage. Gazprom bekäme somit "Geld für nichts".
Fehler, die vor Jahrzehnten einerseits von BASF, aber auch von der damaligen SPD-Regierung unter Gerhard Schröder gemacht wurden. Fehler, die auch CDU-Frau Angela Merkel nicht beheben wollte. Diese Fehler könnten Habeck nun auf die Füße fallen, wenn er seine Strategie der offenen Kommunikation genau in diesem Punkt ad acta legt.
Habeck setzt eigentlich seit Monaten auf Ehrlichkeit und Authentizität den Wählerinnen und Wählern gegenüber – und auf eine direkte Ansprache. Der Soziologe und Leiter eines Forschungsprojekts zu neuen Formen der politischen Sprache, Julian Müller, sagte dem "Bayerischen Rundfunk", dass allein die Form der Ansprache "wahnsinnig interessant" sei: das Video. Dabei spricht der Experte von dem Video, das der Minister aus Katar gesendet hatte. Darin spricht er über die Verhandlungen mit dem Land über Lieferkorridore für Flüssiggas.
Experte Müller sagt:
Diese offene Kommunikation fehlt bislang aus dem Wirtschafts- und Klimaministerium bei dem Thema BASF-Verträge. Bisher hat sich Habeck dazu nicht geäußert.
Expertinnen und Experten sehen laut dem ZDF-Magazin "Frontal" den Ausweg, dass Deutschland einen Gas-Boykott beschließt. Dann würden, so heißt es in der Reportage, die Verträge hinfällig, wegen höherer Gewalt.
Das lehnt Habeck allerdings momentan noch ab.