Mit dem "Black Voters Matter"-Van im Rücken erinnert ein Mann daran, wie einflussreich die Wahlstimmen von Afroamerikaner:innen in den USA sind.Bild: imago images / Sue Dorfman
Analyse
Donald Trump will wieder das Weiße Haus erobern. Im November erhält er dazu seine Chance, wenn er als Kandidat der Republikaner in den Ring steigt. Bisher sieht alles danach aus, dass ihm zumindest aus der eigenen Partei keiner mehr in den Weg kommt.
Höchstwahrscheinlich sein Gegner: Der 81-jährige Amtsinhaber Joe Biden. Auch die Demokraten schicken einen älteren Mann in den Wettkampf. Das Alter der beiden Kontrahenten entfacht immer wieder Diskussionen darüber, ob sie fit für das Amt des Präsidenten sind. Allein der Wahlkampf zehrt an den Nerven und kostet Kraft.
Joe Biden und Donald Trump sind bisher die Spitzenkandidaten für die Präsidentschaftswahl.Bild: AP / Alex Brandon/Andrew Harnik
Bisher sieht es danach aus, dass sich Trump und Biden erneut ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern werden. Dabei sind vor allem die sogenannten Swing States entscheidend für den Wahlausgang. Auf Deutsch "Wackelstaat" oder "Schaukelstaat", denn man weiß bei diesen Staaten nie genau, ob es eine demokratische oder eine republikanische Mehrheit geben wird.
Laut USA-Experte Thomas Greven sind 2024 sechs oder sieben Staaten "im Spiel": Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, North Carolina, Pennsylvania und Wisconsin. "Dementsprechend sind unterschiedliche Kombinationen für einen Sieg Bidens oder Trumps möglich", sagt der Privatdozent für Politikwissenschaft am Kennedy-Institut der FU Berlin auf watson-Anfrage.
Bei den Vorwahlen in Michigan erhielt Biden einen Dämpfer durch die vielen "uncommitted"-Stimmen. Der Grund: Protest gegen seine Gaza-Politik. Landesweite Umfragen zeigen, dass Bidens Haltung zum Krieg in Nahost vor allem bei den jungen und arabisch-stämmigen Amerikaner:innen nicht besonders gut ankommt.
Wie Greven erwähnt, ist Michigan ein solcher "swing state". Die vielen "uncommitted"-Stimmen sagen laut dem USA-Experten aber nicht unbedingt etwas über das Wahlverhalten im November aus. Denn: Trump sei für die Muslime keine gute Alternative zu Biden. "Aber möglicherweise sitzen viele die Wahl einfach aus", fügt er an.
Neben den arabisch-stämmigen Amerikaner:innen ist aber auch eine weitere Gruppe in den Swing States entscheidend: die Afroamerikaner:innen.
Trump braucht die Gunst der Afroamerikaner in den Swing States
Bisher mussten sich die Demokraten offenbar keine Sorgen um diese Wähler:innenstimmen machen. "Afroamerikanische Bürger haben traditionell Kandidaten der Demokratischen Partei unterstützt und gewählt, insbesondere seit Mitte des 20. Jahrhunderts", sagt Politikwissenschaftler Carlos Figueroa auf watson-Anfrage. Er ist Professor an der privaten Hochschule Ithaca im US-Bundesstaat New York. Zu seinen Schwerpunkten gehört unter anderem afroamerikanische Politik.
Figueroa hebt jedoch hervor, dass viele ältere Afroamerikaner:innen eher konservativ sind. Sprich, verwurzelt in traditionellen christlichen und einigen muslimischen Überzeugungen. Diese können durchaus eine andere Haltung in Fragen der nationalen Sicherheit und Einwanderung einnehmen als andere Anhänger:innen der Demokraten.
Und genau auf diese konservativen Afroamerikaner:innen hat es Trump wohl abgesehen. Denn er braucht sie, etwa im Swing State Georgia – einer der US-Bundesstaaten mit dem höchsten Bevölkerungsanteil schwarzer US-Amerikaner:innen. "Die afroamerikanische Bevölkerungsgruppe wird im November 14 Prozent der Wahlberechtigten ausmachen, was in bestimmten Swing States wie etwa Georgia, Arizona oder Nevada den Sieg bedeuten könnte", meint Figueroa.
Bereits bei den Midterms im November 2022 konnten die Republikaner offenbar aus der eher traditionell demokratischen Wählergruppe fischen. Ein Bericht der "NZZ" zeigt: Wählten bei der letzten Präsidentschaftswahl 2020 gerade mal 8 Prozent der Afroamerikaner:innen republikanisch, waren es nun bereits 14 Prozent.
Wählerstimmen der Afroamerikaner:innen können vor allem in den Swing States entscheidend sein. Bild: AP / Morry Gash
Um Trump für Afroamerikaner:innen "schmackhafter" zu machen, schreckt man laut Medienberichten nicht vor fragwürdigen Methoden zurück.
Trump soll "nicht rassistisch erscheinen"
Laut dem britischen Sender "BBC" sollen Trump-Anhänger:innen mithilfe von künstlicher Intelligenz gefälschte Fotos veröffentlicht haben. Darauf zu sehen sind Schwarze Menschen, die sich als Unterstützende Trumps präsentieren. Es gebe jedoch keine Beweise, die diese Bilder direkt mit der Kampagne von Trump in Verbindung bringen. Der Mitbegründer von "Black Voters Matter", einer Gruppe, die Afroamerikaner:innen zur Stimmabgabe ermutigt, übt allerdings Kritik.
Gegenüber "BBC" sagt er, dass die manipulierten Bilder ein "strategisches Narrativ" verbreiten, das darauf abziele, Trump als beliebt in der Schwarzen Gemeinschaft darzustellen. Aber nicht nur in dieser Gruppe, meint Ange-Marie Hancock von der Ohio State University. "Für die Gewinnung unabhängiger Wähler in den USA ist es sehr wichtig, dass Trump nicht rassistisch erscheint", sagt sie auf watson-Anfrage.
"Die meisten Afroamerikaner verachten Trump."
US-Experte Carlos Figueroa
Hancock arbeitet am "Kirwan Institute for the Study of Race and Ethnicity". Ihr zufolge geht es bei "Fototerminen" mit jungen Schwarzen Männern also nicht nur darum, ihre Stimmen zu gewinnen, sondern auch darum, es für unabhängige Wählende sozial akzeptabel zu machen, Trump ebenfalls zu unterstützen.
Doch am Ende ist Trump auf jede einzelne Stimme der Afroamerikaner:innen angewiesen. Denn sie waren für den Wahlsieg Bidens 2020 entscheidend.
Afroamerikaner wählen traditionell demokratisch
"Bei den Präsidentschaftswahlen 2020 unterstützten 92 Prozent der afroamerikanischen Wählenden Biden, während nur 8 Prozent für Trump stimmten", sagt Figueroa. Ihm zufolge wird es schwierig sein, diese Zahlen zu überwinden, ganz gleich, welche ungewöhnlichen und unaufrichtigen Wahlkampftaktiken das Trump-Team oder seine Anhänger:innen einsetzen.
Denn: "Die meisten Afroamerikaner verachten Trump und seine Maga-Republikanische Partei, obwohl Trump das Gegenteil behauptet", meint Figueroa.
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Laut dem Experten identifizieren sich Afroamerikaner:innen im Allgemeinen als demokratisch oder schließen sich ihnen in verschiedenen sozial- und wirtschaftspolitischen Fragen an. Als Beispiel nennt er hier Themen wie etwa:
- bezahlbarer Wohnraum,
- öffentliche Bildung,
- Strafverfolgung und Polizei,
- allgemeine Gesundheitsversorgung sowie
- Beschäftigung und Arbeitsplätze.
Daher geht Figueroa stark davon aus, dass auch 2024 Afroamerikaner:innen nach wie vor demokratisch wählen werden – "und zwar wegen dieser innenpolitischen, kulturell-sozialen Positionen, die eher von den demokratischen Kandidaten und weniger von den Republikanern vertreten werden", führt er aus.
Die Afroamerikaner:innen seien in ihrer Unterstützung für die Demokratische Partei geeint geblieben – trotz der wachsenden wirtschaftlichen und politischen Vielfalt unter ihnen und der Entstehung einer afroamerikanischen Mittel- sowie Eliteschicht in den vergangenen 50 Jahren.
Er sagt weiter:
"Die Loyalität der Afroamerikaner zu den Demokraten hängt damit zusammen, wie und wann die Demokratische Partei Wege zur Bekämpfung der Diskriminierung bei der Arbeit und im Wohnungswesen, zum Schutz politischer und sozialer Rechte und zur Förderung wirtschaftlicher Chancen erörtert."
Auch Hancock geht davon aus, dass die Afroamerikaner:innen in überwältigender Zahl für Präsident Biden stimmen werden. Aber auch sie weist darauf hin, dass es unter den jüngeren afroamerikanischen Männern durchaus eine kleine Gruppe von Menschen gibt, die sehr konservative Ansichten teilen. Unter anderem stimme etwa Trumps Auffassung über Frauen mit ihrer Weltsicht über Geschlechterbeziehungen überein, meint die US-Expertin.
Sie glaube zwar nicht, dass dies ein großer Teil der afroamerikanischen Gemeinschaft ist, "aber es kann ausreichen, um zu entscheiden, welcher Kandidat die Wählerstimmen in einem bestimmten Bundesstaat erhält".