Die politische Situation in Mali ist angespannt. Die Herausforderungen für die Bundeswehr werden immer größer: Anti-westliche Stimmungsmacher, Dschihadisten und Russlands Wagner-Söldner erschweren den Einsatz der deutschen Soldaten:innen – und jetzt auch noch die Bürokratie.
Steht der Abzug der Bundeswehr unmittelbar bevor? Darüber hat watson mit Ulf Laessing, Experte für die Sahel-Region von der CDU nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Mali, gesprochen.
"Die Bundeswehr steht vor immer größeren Problemen", sagt Laessing gegenüber watson. Deutschland beteiligt sich militärisch an der UN-Friedensmission "MINUSMA" (United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali). Mit rund 13.000 Blauhelmsoldat:innen trägt der Einsatz der Vereinten Nationen in Mali zur Stabilisierung des Landes bei. Daran beteiligt sich auch die deutsche Bundeswehr.
Doch die Lage wird immer schwieriger.
"Da die Zweifel an der Effizienz des Einsatzes wachsen, sollte man mittelfristig über einen Exit nachdenken", sagt Laessing. Denn der Arbeit der Bundeswehr in Mali liegen viele Steine im Weg.
Die Drohnenaufklärung ist eine der Kernaufgaben der Bundeswehr im Rahmen der UNO-Mission "MINUSMA". Ziel ist es, ein tägliches Lagebild für die Blauhelme zu erstellen und rasch auf Bedrohungen zu reagieren. Doch laut Laessing fliegen die Drohnen in letzter Zeit kaum noch. Es fehlt an Genehmigungen. Er sagt dazu:
Hier mache sich der Abzug der französischen Hubschrauber bemerkbar. Die französischen Soldaten:innen haben das westafrikanische Land im August 2022 verlassen. Dabei waren sie die Ersten, die vor knapp zehn Jahren in das vom Zusammenbruch bedrohte Mali entsandt wurden. Die deutschen Soldaten:innen sind geblieben – unter erschwerten Bedingungen.
"Die Not der 'MINUSMA' ist so groß, dass offenbar selbst für Rettungsflüge vorgesehene Hubschrauber der Bundeswehr für den Konvoitransport eingesetzt werden", meint Laessing. Die Probleme mit den Drohnen sorgen ihm zufolge für Frustrationen bei der Bundeswehr. Denn die Truppe bleibe unter ihrem eigentlichen Potenzial. "'MINUSMA' wäre ohne die Bundeswehr wegen ihrer logistischen Unterstützung kaum noch handlungsfähig", sagt Laessing.
Der Frust bei der Bundeswehr über die 'MINUSMA' steigt laut Laessing. Wie andere Blauhelmeinsätze verlaufe auch diese Mission sehr bürokratisch. Anträge für Fluggenehmigungen müssen etwa per E-Mail bei 'MINUSMA' eingereicht werden, bevor sie an die malischen Behörden weitergehen. Laessing sagt dazu:
Die 'MINUSMA' ist Laessing zufolge ein Riesenapparat mit etwa 13.000 Leuten. Dieser arbeite wie eine Behörde und habe zugleich große logistische Probleme. Die meisten Soldaten:innen kommen aus schlecht ausgebildeten und ausgerüsteten afrikanischen Armeen. Diese Schwächen der UNO-Mission wittert Russland und geht in die Offensive.
Pro-russische Kampagnen in den sozialen Medien laufen laut Laessing auf vollen Touren. Russische Fahnen seien häufig auf Demonstrationen in Bamako zu sehen. Die pro-russische Organisation "Yerewolo" hält dem Experten zufolge häufig Veranstaltungen im Kulturpalast im Stadtzentrum. Laessing sagt dazu:
Laut Laessing hofft die Bevölkerung in Nord-Mali auf einen Verbleib der Bundeswehr und der UNO-Mission. Denn ohne deren Präsenz seien große Städte wie Gao von den Dschihadisten bedroht.
Die Sicherheitslage im Norden hat sich seit dem Abzug deutlich verschlechtert, sagt Laessing. Dschihadisten haben dort neues Territorium erobert und erstmals seit 2012 wieder kurzzeitig eine Stadt unter ihre Kontrolle gebracht. "Städte wie Gao sind noch einigermaßen sicher, weil die Bundeswehr dort Präsenz zeigt", erklärt Laessing.
Die malische Armee und ihre russischen Verbündeten könnten den Menschen keine Sicherheit bieten, ist er sich sicher. In der Hauptstadt Bamako sieht das dagegen anders aus.
In Bamako kritisieren laut Laessing viele Menschen die UNO-Mission. Hier leiste die russische Propaganda große Arbeit und mache Stimmung gegen den Westen. Viele Malier:innen können sich nicht erklären, warum die Sicherheitslage trotz UNO-Mission und französischer Armee eskaliert sei. "Staatliche Medien und russische Trolle verschweigen gern, dass der malische Staat es versäumt hat, außerhalb der Hauptstadt eine Präsenz zu zeigen", erklärt Laessing.
Für die Bevölkerung sei der Staat nicht-existent oder mit Repressionen verbunden. Die Massaker, die den Söldnern der Wagner-Gruppe zugeschrieben werden, haben diese Wahrnehmung noch verstärkt. Um davon abzulenken, machen pro-russische Trolle Stimmung gegen Frankreich, den Westen und die 'MINUSMA'.
Deutschland muss sich Laessing zufolge auf alle Eventualitäten vorbereiten, um einen abrupten Abzug wie in Afghanistan zu vermeiden. Die Zweifel an der Effizient des Einsatzes wachsen – vor allem, wenn die Bundeswehr keine Drohnenaufklärung vornehmen kann.
"Wenn die Drohnen auch künftig kaum fliegen, kann die Bundeswehr eine ihrer wichtigsten Aufgaben nicht wahrnehmen", sagt Laessing. Das würde den Aktionsradius der 'MINUSMA' insgesamt weiter einschränken. Laessing ist der Meinung, dass die UNO-Mission selbstbewusster gegenüber Mali auftreten müsste, um mehr Fluggenehmigungen zu erhalten. "Doch man scheut die Auseinandersetzung mit dem Gastland", sagt der Experte, der selbst vor Ort lebt.
Laessing hofft, dass den Russen bald aufgrund des Krieges in der Ukraine die Puste ausgeht und sie ihre Söldner abziehen. Wenn die Russen gingen, würde Mali sicher wieder kooperativer. Aber das sei derzeit nicht absehbar.
Der Abzug der Bundeswehr würde den Russen in die Hände spielen. Es wäre ein geopolitischer Triumph für Putin, meint Laessing. Der Einsatz ergibt ihm zufolge trotzdem weiterhin Sinn, weil sich die Lage in Nord-Mali ohne die Bundeswehr weiter verschlechtern würde. Dschihadistische Gruppen könnten sich weiter in die Nachbarstaaten ausbreiten. "Wir haben ein Interesse an einem stabilen Sahelraum, und ich hoffe, dass die Bundeswehr erstmal bleibt", meint der Experte.