Nach dem Gewaltverbrechen in Hanau, bei dem in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag elf Menschen starben, erhärtet sich der Verdacht, dass der Täter ein rassistisches Motiv hatte. Wie zuletzt bekannt wurde, ermittelt der Generalbundesanwalt wegen eines mutmaßlich rechtsextremistischen Anschlags.
Am Donnerstag sagte Bundesaußenminister Heiko Maas dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Wenn sich der Verdacht erhärtet, ist die grauenhafte Tat in Hanau der dritte rechtsextreme Mordanschlag in Deutschland in einem Jahr. Rechtsterrorismus ist wieder zu einer Gefahr für unser Land geworden. Da gibt es rein gar nichts zu relativieren."
Rechtsterrorismus in Hessen
Es wäre nicht das erste Mal, dass Hessen Schauplatz von rechtsmotivierten Gewalttaten wird:
Auch der NSU mordete in Hessen. In Kassel wurde am 6. April 2006 der Betreiber eines Internet-Cafés durch zwei Kopfschüsse getötet. Zum Tatzeitpunkt befand sich ein V-Mann des hessischen Landesamts für Verfassungsschutz vor Ort. Bis heute ist die Rolle des Verfassungsschutzes in diesem Zusammenhang nicht endgültig geklärt und gibt Anlass zu Spekulationen.
Am 2. Juni 2019 ermordeten Rechtsextremisten in der Nähe von Kassel den Regierungspräsidenten und CDU-Politiker Walter Lübcke.
Im vergangenen Juli wurde ein Mann aus Eritrea im hessischen Wächtersbach auf offener Straße angeschossen. Der Täter brachte sich anschließend selbst um. Er war Sammler von Nazi-Devotionalien und prahlte in örtlichen Kneipen mit seiner Tat. Seine rechte Gesinnung war allgemein bekannt.
So groß ist das Problem mit Rechtsextremismus in Hessen
Erst am Montag hat das Innenministerium in Hessen bekannt gegeben, dass rechtsextreme Straftaten in dem Bundesland im vergangenen Jahr stark zugenommen haben. Insgesamt gab es 2019 in Hessen allein 917 Delikte, die dem rechten politischen Milieu zuzuordnen sind. Das sind 52 Prozent mehr Delikte als 2018. Dabei handelt es sich zu großen Teilen um Propagandadelikte. Es wurden außerdem auch 56 Prozent mehr antisemitische Straftaten registriert. Nahezu alle diese Delikte kamen aus dem rechtsextremen Spektrum.
Im Mai 2019 wurden an der Goethe-Universität in Frankfurt Flugblätter einer militanten Neonazi-Gruppe verteilt. Darauf wird explizit zum Mord an Muslimen und Juden, Imamen und Rabbinern aufgerufen – sowie zum „totalen Bürgerkrieg“. Unterzeichner der Flugblätter ist eine Gruppierung namens "Atomwaffendivision", eine neonazistische Gruppe aus den USA, deren Anhänger dort mit mehreren Morden in Verbindung gebracht werden.
Auch die hessische Polizei hat ein Problem mit rechtsextremen Strukturen in den eigenen ReihenBild: imago images / Ralph Peters
Rechte Seilschaften bei der hessischen Polizei
Im Dezember 2018 wurden Morddrohungen gegen die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz bekannt. Sie kämpft unter anderem für die Opfer des NSU. "Du machst Deutschland nicht fertig", ließen die nach wie vor anonymen Absender eines Drohfaxes sie wissen. Im selben Schriftstück kündigten sie ihr an, ihre Tochter abzuschlachten. Unterzeichnet vom "NSU 2.0".
Solche Drohungen sind nichts Neues für Basay-Yildiz. Doch in diesem Fax stand der Name ihrer Tochter sowie ihre Privatadresse. Das sind Daten, die nicht öffentlich abrufbar sind. Die Ermittlungen führten ins 1. Polizeirevier, wo Basay-Yildiz Daten an einem Rechner abgefragt wurden – ohne konkreten Anlass. Letztlich führte die Spur zu einer Gruppe von Polizisten, die in einer internen Chatgruppe rassistische und gewaltverherrlichende Inhalte teilten.
Im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass es in der hessischen Polizei rechte Seilschaften gibt. Gegen 38 Beamte wurde deshalb ermittelt. Bei einer Befragung der hessischen Polizei stimmten 27,6 Prozent der Befragten der Aussage zu, beziehungsweise eher zu, dass eine Gefahr bestünde, dass Deutschland "ein islamisches Land" wird. 44,8 Prozent der Befragten gaben an, Probleme mit Vorurteilen in der hessischen Polizei zu sehen.
Rechtsextremismus-Experte und Journalist Christian FuchsBild: Stephan Pramme
Rechtsextremismus nicht allein Problem des Ostens
Extremismus-Experte und Journalist Christian Fuchs beobachtet Rechtsextremismus in Deutschland schon länger. Gegenüber watson sagt er: "Nicht erst seit dem Mord an Walter Lübcke und den rassistisch motivierten Schüssen von Wächtersbach im vergangenen Jahr, wird vielen bewusst, dass Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus nicht allein ein Problem des Ostens ist."
"Der Terroranschlag von Hanau hat uns nun wieder gezeigt, wie groß die Gefahr von rechter Gewalt für uns alle ist, egal in welchem Teil der Republik"
Christian Fuchs
Für Fuchs zeigen auch die jüngsten Razzien gegen Rechtsextremisten, dass das Problem nicht nur im Osten beheimatet ist: "Der Terroranschlag von Hanau hat uns nun wieder gezeigt, wie groß die Gefahr von rechter Gewalt für uns alle ist, egal in welchem Teil der Republik."
Merkel über Putin-Begegnung: "Mich regte vor allem seine Selbstgerechtigkeit auf"
Lange Zeit war es still um die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nach Ende ihrer Kanzlerschaft hatte sie nur sehr wenige öffentliche Auftritte. Aktuell steht sie aber wieder im Mittelpunkt medialer Aufmerksamkeit. Am 26. November sollen nämlich ihre Memoiren erscheinen.