Auf 65 eng bedruckten Seiten halten die Sozialdemokraten ihre Ideen für die Zukunft Deutschlands in ihrem Programm für die Bundestagswahl fest. Der Name: "Aus Respekt vor deiner Zukunft". Die Wörter Zukunft und Respekt ziehen sich durch alle Kapitel – ersteres kommt sogar 147 Mal darin vor.
Die SPD präsentiert sich als die Aufbruchspartei, die Deutschland jetzt brauche. An vielen Stellen des Programms wirkt es, als hätten die Sozialdemokraten die vergangenen vier Jahre in der Opposition verbracht. An anderen Stellen verweisen sie aber auf Erfolge der Regierung, die sie selbst der SPD zuschreiben. In den nächsten vier Jahren soll es nun um Weichenstellungen gehen, und um den solidarischen und nachhaltigen Wandel der Gesellschaft: Das zumindest ist das erklärte Ziel des SPD-Wahlprogramms.
Bis 2045 will die SPD dafür sorgen, dass Deutschland klimaneutral ist. Und damit schneller als die FDP (2050) aber langsamer als die Linken (2035). In ihrem Programm schreibt die Partei:
Konkret will sie dieses Ziel mit folgenden Maßnahmen erreichen:
Als klassische Arbeiterpartei will die SPD ihre Ur-Klientel nicht auf der Strecke lassen. Aus diesem Grund streben die Sozialdemokraten einen "sozial-ökologischen" Umbau der Wirtschaft an. Durch neue Technologien und Weiterbildung von Arbeitnehmern sollen Arbeitsplätze zukunftsfest gemacht werden.
Der Umstieg auf eine klimafreundliche Produktion soll staatlich gefördert werden. Das Geld soll nicht nur aus zusätzlichen Haushaltsmitteln stammen, sondern auch von bisher subventionierten umweltschädlichen Industrien umgeleitet werden. Die SPD formuliert außerdem das Ziel, "private Kapitalflüsse in den Auf- und Ausbau nachhaltiger Wirtschaftsstrukturen zu lenken". Dafür sollen in Zukunft unter anderem mehr nachhaltige Staatsanleihen aufgelegt werden.
Damit sozial Benachteiligte durch den CO2-Zertifikate-Handel nicht abgehängt werden, sucht die SPD laut ihrem Programm nach Ausgleichsmöglichkeiten. Eine Pro-Kopf-Auszahlung, wie sie die Grünen anstreben, will die Partei prüfen.
Außerdem möchten sich die Sozialdemokraten für eine neue Mobilität einsetzen:
Andererseits räumt die SPD ein, dass nicht jeder Mensch gleichermaßen auf das Auto als Fortbewegungsmittel verzichten kann. Aber auch die Regeln für den Individualverkehr möchte die Partei ändern:
Und wer soll das alles bezahlen? Wenn es nach der SPD geht, die Spitzenverdiener, Reichen und Superreichen der Republik. Vorgesehen ist laut dem Programm nämlich eine Finanz- und Haushaltspolitik, die die Mehrheit der Menschen in Deutschland steuerlich entlastet. Konkret fordert die Partei, dass Verheiratete mit einem Einkommen über 500.000 Euro jährlich und Alleinstehende ab 250.000 Euro einen Aufschlag von drei Prozentpunkten auf die Einkommenssteuer zahlen.
Auch der Soli, der für die meisten Menschen abgeschafft wurde, soll für diese Gehaltsklasse bestehen bleiben. Außerdem hat es sich die Partei zur Aufgabe gemacht, konsequent gegen Steuerbetrug und Steuervermeidung vorzugehen. So sollen insgesamt ein klimaneutrales Wachstum ermöglicht und der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden.
Respekt. Das ist das Wort, das die Partei immer wieder nennt, um ihre Vorstellung eines gemeinsamen Lebens in einer vielfältigen Gesellschaft zu benennen. Darum soll es laut SPD auch um das Abbauen von Ressentiments gehen. Dafür will die Partei die Voraussetzungen schaffen: mit besseren Integrationsmöglichkeiten, dem Abbau von "Duldungsschleifen" für Asylbewerber (also immer wieder verlängerte, relativ kurzfristige Aufenthaltstitel). Die SPD verspricht, die Gleichberechtigung aller Geschlechter zu fördern.
Die Sozialdemokraten wollen sich allumfassend gegen Diskriminierung einsetzen und aus diesem Grund nicht nur an der Asyl- und Integrations-, sondern auch an der Transsexuellengesetzgebung arbeiten. In ihrem Programm schreibt die Partei:
Abschaffen möchte die Partei im Transsexuellengesetz die Pflicht zum psychologischen Gutachten, das bisher Voraussetzung für eine Geschlechtsangleichung ist. Außerdem soll gegen die Diskriminierung von trans-, intersexuellen und nichtbinären Menschen vorgegangen werden: und zwar, indem ein Diskriminierungsverbot aufgrund der geschlechtlichen und sexuellen Identität in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes aufgenommen wird. Bisher steht dort:
Was die SPD nicht erwähnt: Um das Grundgesetz zu ändern, ist in Deutschland eine Zweidrittelmehrheit sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat nötig. Sie bräuchte dazu aller Voraussicht nach also Zustimmung von Parteien, die nicht in der Regierung sind.
Integration von Menschen mit Migrationshintergrund möchte die SPD mit Integrations- und Sprachkursen für alle, unabhängig vom Aufenthaltsstatus, ermöglichen. Auch sollten alle Kinder ab dem ersten Tag die Möglichkeit bekommen, Schulen und Kitas zu besuchen. Die Sozialdemokraten sprechen sich außerdem dafür aus, Familien zusammenzubringen und gut integrierten Menschen eine Bleibemöglichkeit zu eröffnen, ebenfalls unabhängig vom generellen Aufenthaltsstatus.
Bisher dürfen nicht alle Menschen, die nach Deutschland kommen, arbeiten. Die Erlaubnis hängt zusammen mit dem Aufenthaltsstatus und muss bei der Ausländerbehörde beantragt werden. Das möchte die SPD abschaffen. Außerdem sollen Menschen nicht abgeschoben werden dürfen, wenn Gefahr für Leib und Leben droht.
Um gegen Rassismus und Antisemitismus vorzugehen, sollen Schwerpunktstaatsanwaltschaften eingerichtet werden. Aber nicht nur verfassungsfeindliche Organisationen und religiösen Fanatismus möchte die SPD konsequent bekämpfen, sondern auch rassistische Strukturen innerhalb der Sicherheitsorgane – zum Beispiel der Polizei. Im Programm schreiben die Sozialdemokraten:
Bis 2030 will die SPD eine Gleichstellung in allen Bereichen des Lebens erreicht haben. Teil der Strategie ist ein Paritätsgesetz, dass für eine gleichberechtigte Repräsentanz in den Parlamenten auf Bundes-; Landes- und Kommunalebene sorgen soll. Gleichzeitig streben die Sozialdemokraten diese Gleichverteilung auch in den Führungspositionen von Unternehmen und im öffentlichen Dienst an – eine Ausweitung der Frauenquote also.
Nicht nur die Repräsentanz von Frauen soll nach dem Willen der SPD verbessert werden, sondern auch das Gehalt. Durch eine Weiterentwicklung des 2017 eingeführten Entgelttransparenzgesetzes sollen Unternehmen selbst verpflichtet werden, Ungleichheiten beim Einkommen zu beseitigen. So soll das Prinzip "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" durchgesetzt werden. Auch sollen Frauen mit speziellen Förderprogrammen zu Gründungen von Unternehmen ermutigt werden.
Die Partei spricht sich außerdem für eine Streichung des Paragrafen 219 a Strafgesetzbuch aus: dem Abtreibungs-Paragrafen, der Schwangerschaftsabbrüche zumindet grundsätzlich unter Strafe stellt. Fördern will die Partei außerdem die Forschung zusätzlicher Verhütungsmittel für Männer – analog zu Pille oder Spirale für Frauen.
Die SPD plädiert außerdem für Geschlechtergleichberechtigung in der medizinischen Forschung. In ihrem Programm schreibt die Partei:
Gleich zu Beginn des Programms stellt die SPD klar, was Respekt vor der Würde aller Bürger für sie bedeutet, nämlich "gleiche Verwirklichungschancen und ein sicheres Leben". Konkret gesagt, alle Menschen haben laut SPD das Anrecht auf:
Gerade Digitalisierung und Zugang zum Internet sieht die Partei als wichtige Elemente für Chancengleichheit an. Deshalb will sie sich dafür einsetzen, dass der Zugang zum Internet bezahlbar ist – wer es sich nicht leisten kann, soll von einem Sozialtarif profitieren. Auch die Schulen in Deutschland sollen besser ausgestattet werden und jeder Schüler Zugang zu einem mobilen Endgerät mit Internetzugang erhalten. Nicht nur die Schulbildung soll aus Sicht der Sozialdemokraten weiter digitalisiert werden, sondern auch die Kinder- und Jugendhilfe.
Weil außerdem gesunde Mahlzeiten oft teurer sind als zucker- und fettreiche Lebensmittel, möchte die SPD auch gegen Ernährungsarmut vorgehen. Und zwar, indem sie eine kostenlose Kita- und Schulverpflegung einführen möchte.
Menschen mit Behinderung sollen besser in die Gesellschaft integriert werden, und zwar indem:
Die SPD wagt einen optimistischen Blick in die Zukunft und beschreibt in ihrem Wahlprogramm eine positive Entwicklung. Das Programm liest sich wie eine Mischung aus Wunscherzählung und Versprechen.
Dadurch wirkt es weniger konkret als beispielsweise das Programm der Union und bleibt in einigen Punkten vage. Gleichzeitig werden an anderer Stelle Probleme genauer benannt und entsprechende Lösungsansätze aufgelistet.
Mit der Forderung nach mehr Respekt gegenüber allen Menschen, aber auch der Natur, zeichnen die Sozialdemokraten ein grundsätzlich positives Bild der Gesellschaft. Die SPD, das soll die Botschaft sein, glaubt an eine solidarische und respektvolle Gemeinschaft.