Die Mieten in deutschen (Groß-)Städten steigen weiter. Ein Ende dieses Mietwahnsinns ist aktuell nicht in Sicht. Lagen die durchschnittlichen Quadratmeterpreise in Berlin im Winter 2022 noch bei 12,05 Euro, stiegen sie im Winter 2023 bereits auf 14,30 Euro. In anderen Städten sieht das nicht besser aus.
Schon längst treffen die hohen Preise nicht nur Niedrigverdiener:innen empfindlich, sondern auch den sogenannten Mittelstand. Eine Wohnung in der Stadt neu zu mieten, wird für viele immer schwieriger – allein die Suche danach gleicht einer Tortur.
Ohne bezahlte Pro-Accounts auf einschlägigen Immobilienseiten ist es für die meisten unmöglich, überhaupt zu Besichtigungen eingeladen zu werden. Die (Wunsch-)Wohnung dann auch noch zu bekommen, ähnelt mittlerweile einem Sechser im Lotto. Die Wohnkrise spitzt sich laut einer Erhebung des Portals ImmoScout24 zu: "Der Run auf Mietwohnungen im Bestand nimmt weiter zu und spiegelt eindrücklich den großen Mangel an erschwinglichen Wohnungen wider – besonders in den Metropolen."
Diese Entwicklung hat Folgen. So hat eine Erhebung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC ergeben, dass etwa jede:r Dritte aufgrund der hohen Mietpreise über einen Jobwechsel nachdenkt.
Und auch die Präsidentin des deutschen Studierendenwerks, Beate Schücking, stellt im Interview mit "web.de" klar: "Das wirkt sich dann auch auf die Studienplatzwahl und den -ort aus. Die Entscheidung wird darauf reduziert, wo man sich ein Studium leisten kann." Heißt: Der Bafög-Satz reicht in den meisten Städten nicht aus, um ein WG-Zimmer zu bezahlen. Die Wahl der Universität habe deshalb mittlerweile weniger mit dem Angebot zu tun, als vielmehr mit der Finanzierbarkeit.
Schücking spricht in diesem Zusammenhang von sozialer Auslese. Und auch abseits des Studiums stellt sich die Frage: Was kann die Politik gegen das Problem tun?
"Ziel ist der Aufbau eines großen Marktsegements in öffentlicher Hand, um die Wohnraumversorgung auch für Menschen mit wenig Geld zu gewährleisten", erklärt Caren Lay auf Anfrage von watson. Lay ist Bundestagsabgeordnete und Mitglied der Gruppe der Linken. Als ihre Partei noch eine Fraktion stellte, war sie die wohn- und baupolitische Sprecherin.
Für Lay ist klar: Es fehlen Millionen bezahlbarer Wohnungen in Deutschland. Und dagegen muss etwas getan werden. Die Linke nimmt dafür die Regierung in die Pflicht. Mit einem Mietenstopp und einem bundesweiten Mietendeckel könnte Wohnraum wieder bezahlbar werden, meint Lay.
Wichtig sei aber auch, dass neuer Wohnraum geschaffen würde. Lay sagt: "Es braucht dringend ein öffentliches Wohnungsbauprogramm mit 20 Milliarden Euro jährlich nach Wiener Vorbild, damit im großen Stil und dauerhaft bezahlbare gemeinnützige Wohnungen gebaut werden können." Sie fordert die Regierung zudem auf, die versprochene "Neue Wohngemeinnützigkeit" umzusetzen.
In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Regierung festgelegt, eine Neue Wohngemeinnützigkeit steuerlich zu Fördern und so eine "neue Dynamik" in den Bau zu bringen. Das Ziel: "dauerhafte Sozialbindung bezahlbaren Wohnraums." Lay erklärt, wenn die Regierung nicht bald handele, würde gerade mit der aktuellen Konjunktur wertvolle Zeit verloren gehen. Aus Sicht der Linken könnte auch die Vergesellschaftung von Wohnungen dafür sorgen, langfristig bezahlbare Wohnungen zu sichern.
Diesen Punkt sieht Daniel Föst (FDP) anders. Auch er ist baupolitischer Sprecher seiner Fraktion und davon überzeugt, gegen Wuchermieten helfe Neubau. Konkret sagte Föst auf watson-Anfrage:
Nur mit Bestandswohnungen ließe sich dem Mangel nicht beikommen, der aktuell die Mieten nach oben treibt. Deshalb unterstütze Föst die Idee von Kanzler Olaf Scholz (SPD) in den 20 größten Städten 20 neue Stadtviertel zu entwickeln. Eine Chance böte aber auch die neue Art des Arbeitens. Durch die gewachsene Home-Office-Möglichkeit könnten Städte entlastet werden und gleichzeitig der ländliche Raum profitieren.
Föst nimmt dabei die Bundesregierung, in der auch seine FDP sitzt in die Pflicht: "Die notwendige Infrastruktur im ländlichen Raum bereitzustellen, ist Aufgabe des Staates." Freigewordene Bürogebäude könnten in diesem Zuge zu Wohnraum, etwa in Studierendenwohnheime, umgebaut werden.
"Umwidmungen müssen schneller und kostengünstiger möglich sein", fordert der Liberale. Nachhaltig helfen aus seiner Sicht aber vor allem neue Wohnungen.
Einen Punkt, den auch der Präsident des Deutschen Mieterbunds, Lukas Siebenkotten, unterstreicht. In einem Interview mit der Funke Mediengruppe bemängelte er: "Es werden zu wenige Wohnungen gebaut, und die, die entstehen, richten sich nicht an jene, die sie am dringendsten benötigen." Wie Lay fordert er mehr Förderung, um die Wohnungen bezahlbar zu machen.
Für Christina-Johanne Schröder, wohnpolitische Sprecherin der Grünen, ist klar: Es braucht einen Dreiklang aus gerechtem Mietrecht, modernem Baurecht und der Schaffung von dauerhaft bezahlbarem Wohnraum. Sie fordert von der Regierung, konkret von SPD und FDP, zum Koalitionsvertrag zurückzukehren und die Mietpreisbremse zu verlängern.
Zudem sei es erforderlich, möblierte Vermietung und Indexmietverträge zu regulieren, meint Schröder auf watson-Anfrage. Denn möblierte Wohnungen treiben die Preise nach oben, das zeigen Auswertungen von Wohnungsanzeigen-Portalen.
Die Grünen setzen sich laut Schröder für ein Clever-Wohnen-Gesetz ein. Sie spricht in diesem Zusammenhang von Steuererleichterungen und Förderungen, damit dauerhaft bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden kann. Eine neue Wohngemeinnützigkeit also.
Neue Wohnungen könnten zudem dadurch entstehen, dass Wohnraum in den Innenstädten umgebaut, umgenutzt und aufgestockt werde. Auch Nachverdichtung könnte aus Sicht von Schröder und wissenschaftlichen Studien helfen.
CDU-Politiker Jan-Marco Luczak, wohnpolitischer Sprecher der Union, zeigt sich ebenfalls besorgt. Die steigenden Mieten, die bis weit in die Mittelschicht ein Problem seien, schränkten die Mobilität auf dem Arbeitsmarkt stark ein, meint Luczak auf watson-Anfrage. Das schwäche letztlich das Wirtschaftswachstum, gibt er zu bedenken.
Wie FDP-Politiker Föst spricht sich Luczak statt Regulierungen, wie etwa Mietenstopps, dafür aus, dass alles getan werden müsse, um mehr, schneller und kostengünstiger zu bauen. Um diesen Rahmen sollte sich die Politik jetzt kümmern, statt sich in "planwirtschaftlichen Debatten wie Enteignungen zu verzetteln". Stattdessen meint Luczak:
Was es brauche, sei eine Zeitenwende, für den Bau. Vorschriften müssten entschlackt werden. Die Ampel, meint der Oppositionspolitiker, erfülle ihre Aufgaben beim Thema Bau nicht. Luczak prangert an, dass der Baugipfel, den Kanzler Olaf Scholz (SPD) initiiert hatte, nichts gebracht habe. Er sagt: "Er und seine Bauministerin sind grandios gescheitert."
Statt Ampelstreitereien brauche es nun gemeinsame Anstrengungen. Luczak stellt klar: "Nicht die Bauwirtschaft hat ein 'psychologisches Problem', wie der Kanzler meint, sondern der Ampel fehlt die Einsicht in die Realitäten beim Wohnungsbau." Die Baukosten müssten runter und die Förderungen hoch, so könne dem Problem beigekommen werden.
Dass etwas getan werden muss, darüber sind sich Opposition und Regierung offenbar einig. Was allen Beteiligten ebenfalls klar sein dürfte: Die Maßnahmen müssen bald ergriffen werden, sonst wird sich die Lage weiter verschlechtern.