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Annalena Baerbock im ARD-Sommerinterview: Der Versuch, aus Fehlern Stärke zu machen

22.08.2021, Berlin: Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin und Bundesvorsitzende von B
Annalena Baerbock, Parteichefin und Kanzlerkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen, während des ARD-Sommerinterviews in Berlin. Bild: dpa / Kay Nietfeld
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Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock versucht im ARD-Sommerinterview, aus ihren Fehlern eine Stärke zu machen

23.08.2021, 09:1702.09.2021, 14:21
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Eine strahlende Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Ein Co-Parteichef Robert Habeck, der ihr zerknittert, aber entschlossen, öffentlich den Vortritt zur Kanzlerkandidatur – und Umfragewerte von über 25 Prozent. Kaum vier Monate ist das her, dieser Höhepunkt der grünen Popularität. Dazwischen liegen peinliche Fehler Baerbocks und ihres Teams, negative Schlagzeilen, ein Sinkflug in den Umfragewerten. Heute liegt die Partei zwischen 16 und 19 Prozent.

Das ist der unsichtbare Hintergrund, vor dem Annalena Baerbock am Sonntagnachmittag beim ARD-Sommerinterview sitzt. Entsprechend unangenehm für Grünen-Anhänger dürfte deshalb die Begrüßung von Interviewerin Tina Hassel klingen, der Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios. Sie stellt Baerbock so vor: "Zu hohe Erwartungen, zu viele Pannen und Fehler haben das Vertrauen in die Kandidatin schwinden lassen. Laut ARD-Deutschlandtrend ist sie derzeit die unbeliebteste der drei Kanzlerkandidaten."

Für Baerbock ist es ein Sommerinterview aus der Defensive – in dem die grüne Kanzlerkandidatin aber versucht, drei Botschaften an die Wählerinnen und Wähler zu bringen.

Baerbock präsentiert sich als geläutert

Hassel spricht Baerbock im ersten Teil des Interviews auf die Fehler in ihrem Wahlkampf an: auf die unsauberen Zitate in ihrem eigenen Buch, die nachgemeldeten Sondereinkünfte als Parteichefin, die Unklarheiten in ihrem Lebenslauf. Und das Debakel für die Grünen im Saarland – wo tatsächlich kein Mensch der Partei seine Zweitstimme geben kann, weil der Landesverband wegen eines internen Streits die Listenaufstellung vermasselt hat. "Es gab Rückschläge, auch in der Kandidatur", sagt Baerbock dazu und ergänzt: "Deswegen geht es für mich jetzt darum, Vertrauen wieder zu gewinnen."

Baerbock versucht nicht, die Fehler kleinzureden. Sie gibt sich als Kandidatin, die aus Fehlern lernen und daraus eine persönliche Stärke ziehen will. Auf eine Nachfrage Hassels, ob sie trotz ihres Krisenmanagements überhaupt geeignet sei, Kanzlerin zu sein, erwidert sie:

"Für mich ist wichtig, wenn man Fehler macht, daraus auch zu lernen und zu sagen: 'Was ist falsch gelaufen, was machen wir in Zukunft besser?' Aber nicht, den Kopf in den Sand zu stecken."

Besonders deutlich wird Baerbocks Strategie im Umgang mit den eigenen Fehlern dann ein paar Minuten später, in der Schnellfragerunde. Die ist inzwischen ein beliebtes Stilmittel von TV-Interviewern, um Politiker auf schnelle Antworten festzunageln. Auf Hassels Frage dazu, was sie in ihrem nächsten Buch schreiben werde, sagt Baerbock: "Die Überarbeitung des diesigen Buches, weil ich dabei Fehler gemacht habe."

Auf Hassels Frage, welche Fehler sie "definitiv kein zweites Mal" machen werde, entgegnet Baerbock:

"Zu viele Dinge gleichzeitig."
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Annalena Baerbock im Gespräch mit ARD-Journalistin Tina Hassel. Bild: dpa / Kay Nietfeld

Immerhin an einer Stelle im Gespräch versucht Baerbock mehr, als sich nur als reumütig und lernfähig zu zeigen. Nach der Frage zu ihren eigenen Fehlern, die Hassel mit der Bemerkung verbindet, dass der zweite Grünen-Chef Habeck deutlich beliebter ist als Baerbock, sagt sie, sie werde "persönlich um Vertrauen werben". Sie tue das "nicht nur als Kanzlerkandidatin, als Frau, als Mutter, die mitten im Leben steht". Und sie wolle "deutlich machen: 'Ich weiß, wo es drängt. Ich weiß, wo der Schuh drückt, gerade wenn man zum Beispiel keinen Kita-Platz bekommt."

Zumindest an dieser Stelle im Sommerinterview gibt Baerbock zu erkennen, dass sie selbst glaubt, die Beste für das Amt zu sein.

Weniger Personen, mehr Programm

Der Vorwurf, dass es in diesem Wahlkampf zu sehr um Personen gehe und zu wenig um Programme, wabert seit Wochen durch Zeitungen, Nachrichtenportale und Talkshows. Baerbock scheint darauf im ARD-Sommerinterview reagieren zu wollen. Auch, weil die Personaldebatten bei den Grünen in den letzten Monaten wenig angenehm für die Kandidatin waren – und es für sie lohnender scheint, über Themen zu reden.

Auf die Frage, wie sie mit der größeren Beliebtheit Habecks umgeht, meint Baerbock:

"Es geht nicht darum zu sagen: ,Wer ist jetzt die einzige alleinige Person?' So haben Robert Habeck und ich nie unsere Partei geführt. Und so wollen wir dieses Land auch nicht erneuern, sondern es geht darum, gemeinsam diese Veränderungen anzubringen, die wir brauchen."

Personalquerelen, das soll wohl die Botschaft sein, sind den Grünen nicht wichtig. Später im Interview versichert Baerbock, dass sie das auch dann nicht sein sollen, wenn die Grünen in der nächsten Bundesregierung sitzen.

"Es geht uns nicht um Ministerien", diese Antwort gibt Baerbock fast wortgleich auf drei Fragen Hassels: zwei dazu, ob Habeck oder sie den ersten Zugriff auf Ministerposten bekommen sollen – und eine dazu, ob Außenminister Heiko Maas und Verteidigungsminsterin Annegret Kramp-Karrenbauer Minister in der kommenden Regierung sein sollten – angesichts der viel zu spät organisierten Evakuierung deutscher Staatsbürger und afghanischer Hilfskräfte aus Afghanistan.

Baerbock sagt: "Die Frage, wer bekommt welche Ministerien, die stellt sich nach einer Wahl. Jetzt geht es darum, deutlich zu machen, wie wir die große Erneuerung wirklich gemeinsam angehen können."

Das ist eine Wortwahl, die sich ziemlich deutlich von der von FDP-Chef Christian Lindner unterscheidet. Lindner hatte im Sommerinterview vor vier Wochen deutlich gemacht, dass er persönlich Finanzminister werden wolle – damit der Posten nicht an Grünen-Chef Habeck gehe.

Noch ein deutlicher Unterschied zu Lindner: Der FDP-Chef sagt seit Wochen in jedes zweite Mikrofon, dass er lieber mit CDU und CSU in eine Koalition geht als mit der SPD. Baerbock liquidiert eine Frage nach möglichen Koalitionen mit der Aussage, nach der Wahl werde es für sie darum gehen, "mit wem kann man das Land am besten gemeinsam erneuern und in welcher Position und Verantwortung man dann steht."

Weniger verbindlich geht es kaum.

Anreden gegen das Image der Besserverdienerpartei

In einem Punkt haben sich die Grünen der FDP in den vergangenen Jahren angenähert: Sie haben, wie die Liberalen, in den Augen vieler Menschen das Image, eine Partei der Besserverdiener zu sein. Mit dieser Vorstellung – die inzwischen auch von Studien gestützt wird – wird Baerbock im Sommerinterview mehrfach konfrontiert.

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Annalena Baerbock ist seit 2018 eine der beiden Grünen-Chefs. Bild: dpa / Kay Nietfeld

Am spannendsten wird es, als eines von drei Videos mit Zuschauerfragen eingeblendet wird: Es spricht darin eine junge Hebamme aus Brandenburg an der Havel, das im gleichnamigen Bundesland und nur wenige Kilometer von Baerbocks Wahlkreis entfernt liegt. Die Frau spricht davon, dass sie für die Arbeit auf ihr Auto angewiesen sei und über die CO2-Steuer, die für sie den Sprit teurer macht. Zum von den Grünen geforderten Energiegeld von 75 Euro, das die Preiserhöhungen ausgleichen soll, meint sie: "75 Euro sind für mich ein Witz. Damit kann ich eine Tankfüllung füllen. Für mein Auto komme ich maximal eine Woche lang damit aus. Meinen Sie das mit sozialer Gerechtigkeit?"

Baerbock antwortet darauf mit der Forderung der Grünen nach einem höheren Mindestlohn, spricht davon, dass der CO2-Preis in den kommenden Jahren "in Centbeträgen" steigen werde – und das der Zuschuss zum Kauf von Elektroautos auf 9000 Euro steigen solle.

Hassel will später im Gespräch wissen, warum die Grünen im Wahlprogramm keine konkrete Summe mehr nennen, um die sie die Grundsicherung – also die staatliche Hilfe, mit denen sie die Hartz-IV-Leistungen ersetzen wollen – anheben wollen. Ob das mit der wohlhabenden Wählerschaft der Grünen zu tun habe?

Baerbock antwortet:

"Was unsere Politik von der Politik zum Beispiel der CDU unterscheidet ist, dass wir nicht danach schauen, was sind die Wählergruppen, die uns wählen, sondern mir geht es um Gerechtigkeit."

Noch so eine Aussage, an der sich Baerbock messen lassen muss – falls die Grünen der nächsten Bundesregierung angehören.

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