Die Bilder haben sich ins kollektive Gedächtnis der Vereinigten Staaten eingebrannt: Am 6. Januar 2021 stürmte ein vom damaligen Präsidenten Donald Trump angestachelter Mob das Kapitol in Washington, um die Bestätigung von Joe Bidens Wahlsieg zu verhindern. Fünf Menschen kamen ums Leben. Mehrere Abgeordnete und Senatoren entkamen nur knapp.
Nun soll Trumps Verhalten strafrechtliche Konsequenzen haben. Das entschied der vom Repräsentantenhaus eingesetzte Sonderausschuss in seiner letzten öffentlichen Sitzung am Montag. Er forderte Justizminister Merrick Garland auf, den Ex-Präsidenten in vier Punkten anzuklagen, darunter Anstiftung zum Aufstand und Verschwörung gegen die Regierung.
In den nächsten Tagen wird der Ausschuss seinen Abschlussbericht vorlegen. Danach wird er sich zwangsläufig auflösen, denn ab Januar haben Trumps Republikaner eine wenn auch knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus. Der Ball liegt somit beim Justizminister, der in Personalunion gleichzeitig Generalstaatsanwalt und damit oberster Ankläger der USA ist.
Die Beweislast, die der Ausschuss zusammengetragen hat, ist erdrückend. Gewichtige Zeugen sagten gegen Trump aus, darunter sein einstiger Justizminister William Barr. Ein eigentlicher Coup war der öffentliche Auftritt von Cassidy Hutchinson, die als Assistentin von Stabschef Mark Meadows den "Tag der Schande" im Zentrum der Macht miterlebt hatte.
Was aber ist zu erwarten? Muss Donald Trump tatsächlich ins Gefängnis?
Merrick Garland ist nicht zu beneiden. Die Demokraten üben enormen Druck auf den Minister auf, mit der Anklage gegen Trump vorwärtszumachen. Mit der Einsetzung des Sonderermittlers Jack Smith hat er sich vorläufig aus der Affäre gezogen. Der ehemalige Staatsanwalt gilt als harter Brocken. Er soll bereits erste Einvernahmen durchgeführt haben.
Selbst wenn es zu einer Anklage kommt, ist der Weg zu einer Verurteilung weit. Das liegt daran, dass es für Trumps Verhalten keinen Präzedenzfall gibt. Der Ex-Präsident wird hochkarätige Anwälte mobilisieren. Diese dürften argumentieren, dass Trump hetzerische Reden geschwungen habe, dabei aber durch das Recht auf Meinungsfreiheit geschützt gewesen sei.
Rechtsexperten gehen gemäß CNN davon aus, dass es der Anklage schwerfallen dürfte, den Beweis zu erbringen, dass Trump tatsächlich einen Staatsstreich orchestriert habe. Ein Strafverfahren dürfte sich zudem über Jahre hinziehen, und Trump ist bereits 76. Es ist alles andere als sicher, dass er jemals verurteilt wird, geschweige denn ins Gefängnis muss.
Erschwerend kommt hinzu, dass Garland und Smith nicht unendlich viel Zeit haben. In weniger als zwei Jahren sind Präsidentschaftswahlen. Falls ein Republikaner gewinnt, ob Trump oder sonst jemand, könnte das Verfahren im Sand verlaufen. Auch aus diesem Grund will Jack Smith seine Ermittlungen offensichtlich in hohem Tempo vorantreiben.
Eine andere Frage ist, wie sich das angedrohte Verfahren auf Donald Trumps politische Zukunft auswirken wird. Die Zwischenwahlen im November verliefen für die Republikaner enttäuschend. Als "Hauptschuldiger" gilt Trump. Mehrere von ihm unterstützte Kandidaten scheiterten, weshalb die Demokraten die Kontrolle über den Senat verteidigen konnten.
Trump ergriff darauf die Flucht nach vorn, indem er seine Kandidatur für die Wahl 2024 ankündigte. Das Echo allerdings war überschaubar. Selbst unter seinen devoten Anhängern, die bis zu 40 Prozent der republikanischen Basis ausmachen, scheint der Rückhalt zu bröckeln. In neusten Umfragen liegt er hinter Ron DeSantis, dem Gouverneur von Florida.
Es wäre falsch und gefährlich, Donald Trump voreilig abzuschreiben. Doch immer mehr republikanische Politiker glauben, dass seine Strahlkraft unwiderruflich am Schwinden ist. "Er ist ganz klar auf dem Weg in die Irrelevanz und sinkt mit jedem Tag tiefer", sagte der frühere Kongressabgeordnete Carlos Curbelo aus Florida der "New York Times".
Dazu beitragen könnten weitere Verfahren, die gegen ihn laufen. Das betrifft einen Zivilprozess in New York gegen sein Firmenimperium unter anderem wegen Steuerdelikten, eine Untersuchung im Staat Georgia wegen Anstiftung zum Wahlbetrug und ein mögliches Strafverfahren wegen der Geheimdokumente, die er aus dem Weißen Haus mitgehen ließ.
Bereits am Dienstag wird zudem der Ausschuss des Repräsentantenhauses, der die Finanz- und Steuerpolitik der Regierung beaufsichtigt, über die Veröffentlichung von Trumps Steuererklärung entscheiden. Er hatte sich jahrelang mit Händen und Füssen dagegen gewehrt. Kürzlich aber gab der Oberste Gerichtshof dafür grünes Licht.