Bei der Präsidentschaftswahl lief bisher alles auf den für US-amerikanische Verhältnisse typischen Zweikampf hinaus, in diesem Fall Amtsinhaber Donald Trump gegen Herausforderer Joe Biden
Doch Kanye Wests angekündigte Kandidatur zum US-Präsidenten könnte den Wahlkampf gehörig aufmischen. Zumindest, wenn der Rapper, Musiker und Unternehmer wirklich Ernst macht.
Der 43-jährige Rap-Mogul, der die aktuelle Popmusik wie kaum ein Zweiter beeinflusst hat, hatte am Unabhängigkeitstag, dem 4. Juli, zur allgemeinen Überraschung angekündigt, bei der Präsidentschaftswahl im November antreten zu wollen. Seitdem wird in den USA gerätselt, wie ernst es der Ehemann von Reality-TV-Star Kim Kardashian wirklich meint.
Niemand glaubt zwar ernsthaft, dass West im Fall der Fälle wirklich Präsident wird. Doch sollte er tatsächlich kandidieren, wird das auf jeden Fall Folgen haben, auch für Biden und Trump.
Wenn Kanye West antritt, wird das am ehesten Trump nutzen, sagt der US-Politik-Experte Thomas Jäger zu watson. "Aus meiner Sicht ist Kanye West eine viel größere Gefahr für Biden als für Trump."
Das habe damit zu tun, dass Biden viel mehr als Trump auf die Stimmen der Schwarzen Amerikaner und der Latinos angewiesen sei. West jedoch könnte eine ganze Reihe von Stimmen aus diesen beiden Lagern auf sich ziehen, die Biden dann fehlen würden.
Selbst dann nicht, wenn er Stimmen aus der weißen Arbeiterschaft zurückgewinne. Auch das wird für den Demokraten Jäger zufolge nebenbei kein leichtes Unterfangen: "Um Staaten wie Wisconsin oder Michigan zu gewinnen, muss Biden sich von der linken Agenda distanzieren, auf die ihn die Demokratische Partei im Moment festlegen möchte." Im Moment gelinge ihm das noch ganz gut, aber es bleibe abzuwarten, ob das auch unter den polarisierenden Bedingungen eines Wahlkampfes gelte.
Trump dagegen brauche die Stimmen von Schwarzen und Latinos weit weniger dringend. "Nach Umfragen kriegt Trump von den afroamerikanischen Stimmen etwa 10 Prozent. Das gilt auch für die Latino-Stimmen." Der amtierende US-Präsident habe dafür andere Bastionen, auf die er sich verlassen könne: "Trumps Gefolgschaft ist nicht zurückgegangen. Er hat unter den Republikanern eine Zustimmung von 85 bis 90 Prozent, über seine gesamte Präsidentschaft." Momentan sei diese zwar am unteren Ende, also bei 85 Prozent. Durch die Polarisierung im Wahlkampf werde sie aber wieder nach oben gehen.
Somit könnte Kanye West also entscheidend in die US-Präsidentschaftswahl eingreifen – allerdings nicht zu seinen eigenen, sondern zu Trumps Gunsten. Immerhin: Ein Hintertürchen für einen Präsidenten Kanye West lässt Jäger doch offen: "Dass West gewinnt, ist unwahrscheinlich, aber na ja, wer weiß es schon? Das haben wir bei Trump auch gesagt, dass das nicht geht."
Kanye West selbst hat in einem Interview mit "Forbes" übrigens eher Joe Biden und die Demokraten kritisiert als Donald Trump. Dabei bezog er sich vor allem auf ein Interview aus dem Mai, in dem Biden gesagt hatte: "Wenn Sie ein Problem haben, sich zu entscheiden, ob Sie für mich oder Trump sind, dann sind Sie nicht schwarz." Später entschuldigte der demokratische Bewerber sich dafür.
West bezeichnete diese Aussage Bidens als rassistisch – genauso übrigens wie die Unterstellung, er trete nur an, um Biden zu schaden. "Das ist eine Form von Rassismus und weißer Vorherrschaft und weißer Kontrolle, wenn man sagt, dass alle Schwarzen Demokraten sein müssen, und wenn man davon ausgeht, wenn ich kandidiere, dann spalte ich die Stimmen."
Wie ernst es Kanye West letztlich meint, darüber kann auch Thomas Jäger nur spekulieren. Das werde man in den nächsten Wochen sehen. "Denn dann muss er sich in bestimmten Bundesstaaten zur Wahl anmelden." In einigen ist die Frist allerdings schon abgelaufen.