Ein Mann schwimmt in einem Meer aus schwarz bekleideten Polizisten. Mit seinem weißen Umhang sticht er ins Auge. Die Beamten schieben ihn unsanft vor sich her. Ausgerüstet mit Schlagstöcken und Schutzuniform schleifen sie den Mann in ein gepanzertes Fahrzeug. Er ist unbewaffnet und wehrt sich nicht.
Das sind die Bilder der Festnahme des ehemaligen Regierungschefs Imran Khan. Der Politiker wurde aus einem Gericht in der Hauptstadt Islamabad abgeführt, wo er in Zusammenhang mit einem Kautionsantrag erscheinen musste. Grund der Verhaftung: Korruptionsvorwürfe.
Die Anhänger des populären Oppositionsführers und ehemaligen Kricket-Stars reagieren empört. Der pakistanische Kricketspieler Shoaib Akhtar teilt das Video der Festnahme mit seinen fast sechs Millionen Followern. Es sei ein herzzerreißender Anblick, zu sehen, wie "unser Nationalheld" behandelt werde. Dabei habe Khan laut Akhtar unzählige Dienste für Pakistan geleistet. "Wohin steuern wir?", fragt er.
Wie es aussieht, wählen die Khan Anhänger den Weg des Protests. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen haben bereits ein Todesopfer gefordert.
Kurz darauf kommt es zur gewaltsamen Auseinandersetzung – mit Todesopfern.
Es kam in mehreren Städten zu Auseinandersetzungen zwischen Khans Anhängerschaft und Polizeikräften, wie lokale Medien berichteten. In der Stadt Quetta im Westen Pakistans kam nach Angaben der ehemaligen Menschenrechtsministerin Shirin Mazari ein Mitarbeiter von Khans Partei bei Protesten ums Leben.
Dabei stürmten die Demonstrierenden das Hauptgebäude des pakistanischen Militärs in der Millionenstadt Rawalpindi. Allerdings teilten Vertreter von Sicherheitsbehörden der Deutschen Presse-Agentur mit, dass sie das Militärgebäude wieder unter ihre Kontrolle gebracht haben. Doch die massiven Proteste halten an und weiten sich aus. Nun sollen Soldaten zum Einsatz kommen.
Die pakistanische Regierung hat grünes Licht für den Einsatz von Soldaten in der Provinz Punjab gegeben. Einer Anweisung des Innenministeriums zufolge müssen der Zeitpunkt und die Dauer der Entsendung noch festgelegt werden, ebenso die Anzahl der Soldaten.
Dieses Vorgehen sieht die International Human Rights Foundation offenbar sehr kritisch. Auf Twitter mahnt sie: Die Anwendung militärischer Gewalt gegen das eigene Volk sei ein Akt des Verrats, eine Verletzung der Menschenrechte und eine Beleidigung der öffentlichen Institutionen des eigenen Landes.
Dem Land drohe eine politische Krise, warnen nun Expert:innen.
"Trotz der Verhaftung mehrerer Spitzenpolitiker der Partei von Imran Khan werden die Proteste in Pakistan gegen die Verhaftung von Imran Khan immer größer und gewalttätiger", schreibt Konfliktforscher Ashok Swain auf Twitter. Auch die Europäische Union schlägt Alarm und zeigt sich besorgt über die Zuspitzung der innenpolitischen Spannungen.
In so schwierigen und angespannten Zeiten seien Zurückhaltung und ein kühler Kopf gefragt, betont eine Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Die Herausforderungen des Landes könnten nur durch ernsthaften Dialog und im Einklang mit den bestehenden Gesetzen bewältigt werden.
Doch wie konnte es so weit kommen?
Khan wurde im April 2022 durch ein Misstrauensvotum nach fast vier Jahren als Premierminister gestürzt. Ihm wurde unter anderem Missmanagement in der Wirtschaft vorgeworfen. In den vergangenen Monaten hatte Khan als Oppositionspolitiker immer wieder zu Massenprotesten gegen die Regierung und Neuwahlen in dem Land aufgerufen.
Während einer Demonstration im November schoss ihm ein Attentäter ins Bein. Die Verhaftung Khans erfolgte einen Tag später, nachdem das Militär eine Erklärung abgegeben hatte. Darin wurden Khans "erfundene und böswillige Behauptungen" bedauert, dass hochrangige Militärs hinter den Attentatsversuchen gegen ihn steckten.
Seit Khans Absetzung hatte die pakistanische Justiz immer neue Vorwürfe gegen ihn vorgebracht. Er muss sich mittlerweile in rund 100 Fällen vor Gericht verantworten. Bei den Vorwürfen geht es um Korruption, Geldwäsche und Beleidigung einer Richterin. Ein Versuch, Khan im März in seiner Residenz in der Millionenstadt Lahore zu verhaften, scheiterte nach schweren Zusammenstößen mit seinen Anhängern.
Der 70-Jährige hatte sich etwa eine Woche lang in dem Haus verschanzt, um einer Festnahme zu entgehen. Sein Nicht-Erscheinen zu mehreren Gerichtsterminen in der Vergangenheit hatte er mit Drohungen gegen ihn begründet. Nun hat die Polizei ihn eingesperrt und damit gewaltsame Proteste losgetreten.
Beobachter:innen sehen das Vorgehen gegen Khan als politisch motiviert an. Auch unter Khan als Ministerpräsident wurde die Justiz benutzt, um Oppositionelle an ihrer politischen Tätigkeit zu hindern. "Gestern war es Imran Khan, der seine politischen Gegner ins Gefängnis schickte, und heute passiert ihm das Gleiche", sagte der pakistanische Politikanalyst Zafarullah Khan.
Allerdings könnte seine Verhaftung die politischen Unruhen in Pakistan noch weiter verstärken.
(Mit Material der dpa)