Der 23. Mai ist ein besonderer Tag für Deutschland. Das Grundgesetz, jenes in würdevoller Sprache verfasste Dokument, das jedem Menschen hierzulande seine Grundrechte garantiert, feiert Geburtstag. Heute wird es 71 Jahre alt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Tag zum Anlass genommen und sich in ihrem wöchentlichen Podcast zur Einschränkung gewisser Grundrechte während des Corona-Lockdown geäußert. Diese seien eine "Zumutung" für die Demokratie, so die Kanzlerin. Allerdings verteidigte sie die Maßnahmen auch.
Sie könne Sorgen von Bürgern angesichts der Einschränkungen in der Pandemie verstehen, so Merkel. Die Regierung mache es sich mit den Beschränkungen von Grundrechten nicht einfach. Sie sollten deshalb "so kurz wie möglich sein".
Schutz der Menschenwürde ist alternativlos
Dann sagt sie einen Satz, der zentral ist und sich auch an all jene richten dürfte, die derzeit in München, Berlin oder Köln auf die Straße gehen und gegen die Einschränkungen protestieren.
"Aber sie waren notwendig, und das haben wir auch immer wieder begründet, weil wir uns der Würde der Menschen verantwortlich fühlen, so wie es im Artikel 1 unseres Grundgesetzes gesagt ist."
"Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."
Dieser Satz ist, nach der Präambel, der erste Satz der im Grundgesetz zu lesen ist – und steht nicht ohne Grund an so prominenter Stelle. Für jede deutsche Regierung ist Artikel 1 zur obersten Leitlinie allen Handelns erhoben worden, und zwar bis zu dem Punkt, an dem das Grundgesetz aufhört, zu existieren (und durch eine andere Verfassung ersetzt wird). Denn er gehört zum absolut unveränderlichen Kern der Verfassung.
In Artikel 79, Absatz 3, der sogenannten "Ewigkeitsklausel" des Grundgesetzes heißt es:
"Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig."
In anderen Worten: Die Einschränkungen der Grundrechte waren alternativlos. Nicht nur aus Infektionsschutz-Gründen, sondern weil das Grundgesetz nichts anderes zulässt.
So erklärte Merkel auch, dass es zu eben jenem Schutz der Menschenwürde gehört habe, dass eine Überforderung des Gesundheitssystems verhindert werden sollte. Dies sei glücklicherweise gelungen. Ein Blick in aktuelle Infektionszahlen genügt, um zu erkennen, dass sie recht hat. Das Robert-Koch-Institut meldete für den 23. Mai 638 Neuansteckungen. Vor vier Wochen lag diese Zahl bei 2055, also mehr als dreimal so hoch.
Lockerungen bedürfen der Begründung
Diese unbestreitbaren Erfolge im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus ermöglichen, dass Biergärten in Bayern wieder Besucher empfangen können, dass an der Rheinpromenade in Köln wieder Spaziergänger flanieren dürfen und dass in Berliner Parks die Spielplätze wieder offen haben.
Dennoch kann es manchen aktuell (und aus nachvollziehbaren Gründen) gar nicht schnell genug gehen, mit den Lockerungen. Auch für diese Menschen hatte sich die Bundeskanzlerin ein paar Worte zurechtgelegt:
"Natürlich sind wir jetzt bei den Lockerungen der Beschränkungen immer wieder begründungspflichtig, warum wir etwas noch nicht aufheben und warum wir etwas schon lockern können. Und auf diesem Wege müssen wir natürlich auch immer wieder die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen gegeneinander abwägen."
Deshalb sei sie froh, dass die derzeitige Infektionslage es ermögliche, schon viele Dinge wieder zu erlauben und möglich zu machen, die einige Wochen eingeschränkt gewesen seien.
Merkel sagte weiter, die Corona-Pandemie stelle die Gesellschaft vor besondere Herausforderungen, vielleicht die größten seit 71 Jahren. Um so wichtiger sei es, die Prinzipien des Grundgesetzes zu achten.