Gerade junge Menschen glauben oftmals nicht daran, im Alter abgesichert zu sein.Bild: pexels / ron lach
Analyse
Viele Menschen stellen sich die Frage, ob sie selbst im Alter abgesichert sein werden. Eine klare Mehrheit hält die Rente in Deutschland einer Umfrage zufolge langfristig nicht für sicher. Nach der Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Insa für die "Bild am Sonntag" sind 72 Prozent der Auffassung, dass die Rente auf lange Sicht eher unsicher ist.
Mit ihrem Rentenpaket II will die Ampel-Regierung das Vertrauen in die staatliche Altersabsicherung stärken. Das Rentenniveau wird demnach bis 2040 stabilisiert und soll nicht unter 48 Prozent fallen. Um Beitragssprünge in Zukunft zu vermeiden, will die Bundesregierung Milliarden am Kapitalmarkt anlegen und aus den Erträgen ab Mitte der 2030er-Jahre Zuschüsse an die Rentenversicherung zahlen. Das sogenannte "Generationenkapital".
Was ist das Rentenniveau?
Das Rentenniveau sagt aus, wie viel Prozent des aktuellen Durchschnittslohns jemand als Rente erhält, der exakt 45 Jahre lang immer zum Durchschnittslohn gearbeitet hat. Bei einem sinkenden Rentenniveau steigen die Renten schwächer als die Löhne. (dpa)
Klar ist zudem schon heute: Die Beiträge für die Rentenversicherung werden in den kommenden Jahren steigen. Für viele junge Menschen stellt sich daher die Frage: Werden sie veräppelt?
Generationenvertrag: Versprechen, das politisch eingefordert werden kann
Florian Blank, Sozialpolitikexperte bei der Hans-Böckler-Stiftung, geht im Gespräch mit watson davon aus, dass durch die Reform mehr Berechenbarkeit entstehen wird. Für Menschen, die bereits in Rente sind, sei das Paket eine gute Nachricht, denn die Stabilisierung bringt auch Verlässlichkeit mit sich. Aber auch ältere Arbeitnehmer:innen, die bald in Rente gehen, können sich so auf ein stabiles Niveau verlassen.
Und die Jungen? Aus Sicht von Blank besteht erstmal kein Grund zur Panik: Denn die Untergrenze für das Rentenniveau, mit der der Rentenwert errechnet wird, gibt auch jungen Menschen Sicherheit, meint er. Die Stabilisierung sorge bei der Gen Z perspektivisch für bessere Renten. Aber: Damit auch nach 2040 das Rentenniveau stabil bleibt, müsse man sich weiter politisch einsetzen.
"Es handelt sich in der Rentenpolitik um einen demokratischen Prozess. Das heißt, das System liegt immer wieder auf Wiedervorlage: Die Politik wird sich nie aus der Steuerung des Rentensystems verabschieden", stellt Blank klar. Die Bevölkerung müsse sich also auch immer wieder für Rentenreformen einsetzen. Die Alternative: Private Vorsorgen würden noch essenzieller werden, die Situation könnte sich sogar verschärfen.
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Damit meint Blank die Dreigliedrigkeit des Rentensystems. Die Absicherung im Alter setzt sich zusammen aus der gesetzlichen Rente, sowie betrieblicher und privater Altersvorsorge. Aus Sicht des Experten ist eine staatliche Lösung immer die bessere Option.
Denn: Gerade Menschen im Niedriglohnsektor würden sich selten um eine private Absicherung kümmern – schließlich bleibt so noch weniger vom monatlichen Lohn übrig. Für Menschen, die frisch ins Arbeitsleben starten, ist die Auseinandersetzung mit privaten Rentenversicherungen häufig eine Tortur. "Am Ende hängt man in einem Vertrag, den man vielleicht gar nicht sein ganzes Erwerbsleben lang bedienen kann oder bei dem sich herausstellt, dass es eine bessere Option gegeben hätte", merkt Blank an.
Hinzu kommt, dass Arbeitgeber:innen bei der privaten Lösung nicht zur Kasse gebeten werden; anders als bei der gesetzlichen Rente. Mit der aktuellen Rentenreform werde hingegen der Gegenwert für die Einzahlungen der Erwerbstätigen verbessert. Bei vergangenen Reformen sei stattdessen häufig auf den Beitragssatz geschaut worden. Deswegen wurde etwa das Renteneintrittsalter angehoben. Mit der Stabilisierung werde nun die Leistungsseite – also die Rente – angepackt.
Dass zudem ein großer Betrag des Rentensystems aus dem Bundeshaushalt gezahlt wird, ist aus Sicht von Blank nicht verkehrt. Denn damit würden nicht nur Erwerbseinkommen belastet, sondern die Alterssicherung auch aus anderen Quellen gespeist, etwa der Mehrwertsteuer. Außerdem würden gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die die Rentenversicherung übernimmt, so zu einem großen Teil ausgeglichen, etwa Erziehungszeiten.
Junge profitieren von Humankapital der Zukunft
Auch Peter Bofinger, Ökonom an der Uni Würzburg, findet den staatlichen Zuschuss zu den Renten sinnvoll. Durch Witwen- oder Mütterrente, sowie den Rentenangleichungen in Ostdeutschland müssten aus der Versicherung Leistungen finanziert werden, für die kein Gegenwert eingezahlt wurde.
Wie Blank geht Bofinger nicht davon aus, dass junge Menschen durch die Reform unfair behandelt werden. Die Stabilisierung sei der richtige Schritt, denn so werde sichergestellt, dass Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, mehr bekommen als Menschen in Grundsicherung.
Auch künftige Generationen von Rentner:innen werden vom Humankapital unserer Gesellschaft profitieren.Bild: pexels / ksenia chernaya
In den vergangenen Jahren habe sich das Rentensystem zudem sehr viel besser entwickelt, als es die Prognosen haben vermuten lassen haben. Die Gründe: Viele Menschen arbeiten heute länger als vor 20 Jahren und Migration hat den demografischen Wandel zumindest in Teilen gebremst.
Bofinger warnt vor Panikmache. Womit auch junge Generationen rechnen könnten, sei das Humankapital, aus dem sie ihre Rente speisen werden. Meint: Auch wenn Millennials und Gen Z in Rente gehen, wird es Generationen geben, die arbeiten. Inwiefern KI und technischer Fortschritt die Wertschöpfung dann weiter beeinflussen werden, werde sich zeigen.
Prinzipiell sei das Rentensystem als Umlagesystem genial, sagt Bofinger. "Letztlich geht es bei der Rente doch nicht um einen Konflikt zwischen Jung und Alt, sondern um einen Generationenvertrag zwischen Kindern und Eltern, die die Grundlage für den heutigen Wohlstand gelegt haben."
Umso breiter das Humankapital gestreut würde, desto robuster würde das System werden. Daher wirbt der Wirtschaftsexperte dafür, dass auch Selbstständige Teil des gesetzlichen Rentensystems werden.
Rentenpaket II zielt nicht primär auf Altersarmut
Durch die Stabilisierung nehme das Problem der Altersarmut aus Sicht Bofingers außerdem nicht weiter zu, sondern bleibe unter Kontrolle. Sozialwissenschaftler Blank stellt in diesem Zusammenhang klar: "Wenn Renten entsprechend der Löhne wachsen, heißt das: Menschen haben eine höhere Chance, mit der von ihnen erarbeiteten Rente über der Grundsicherung zu liegen."
Was aber ihm zufolge vor allem gegen Altersarmut helfen würde: Faire Löhne, am besten tarifgebunden, bezahlte Praktika und eine Erwerbskarriere ohne größere Lücken.
Vom Generationenkapital, also dem geplanten Aktienstock, mit dessen Erträgen die Bundesregierung die Rente kofinanzieren will, hält Blank wenig. Der Zuschuss, der letztlich aus dem Kapitalstock fließen könnte, wäre gering. Denn das Geld, das die Bundesregierung nun anlegt, stammt aus Schulden und muss demnach verzinst zurückgezahlt werden.
Wenn darüber hinaus Gewinn erwirtschaftet wird, können die Beitragszahler:innen aus Sicht Blanks marginal entlastet werden. Was passiert, wenn die Gewinne gering ausfallen oder schwanken, ist aus Sicht von Blank bislang unklar.
Aus seiner Sicht ist es daher positiv, dass das Generationenkapital bislang entkoppelt von den Leistungen der Rentenversicherung ist. So bleibe das System weniger anfällig für den Aktienmarkt. Wirtschaftsexperte Bofinger nennt das Generationenkapital die "Spielzeugeisenbahn" von Christian Lindner. Meint: Eigentlich ist der Vorstoß nicht mehr als ein netter Sidekick.
Bofinger sagt: "Diese Anlage hätte die Regierung zu einer Zeit tätigen müssen, als die Zinsen bei null Prozent oder weniger lagen. 12 Milliarden Euro sind außerdem viel zu wenig." Statt das Geld in einer Art Hedgefonds anzulegen, sollte es die Regierung lieber in Bildung stecken. Denn in den Schulen werde das Humankapital der Zukunft bestimmt, erklärt der Experte.
(Mit Material der dpa)