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Analyse

SPD: Andrea Nahles ist eine gute Politikerin – aber falsch für ihre Partei.

Crowd of people with a pitchfork shovel rake. Angry peasants protest demonstration. Riot workers vector silhouette
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Ob Andrea Nahles bleibt oder nicht – sie hat keine Zukunft in der SPD

31.05.2019, 15:1831.05.2019, 20:58
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Es gab sie schon, jene Momente der gemeinsamen Stärke von Andrea Nahles und ihrer SPD. Im Sommer 2018 etwa, als sich die Union gerade intern an die Gurgel ging. Da gab Nahles im Finale des Asylstreits zwischen CDU und CSU ein klares Zeichen: "So nicht!". Die Sozialdemokraten präsentierten einen eigenen 5-Punkte-Plan zum Thema, zogen ihren streitenden Partnern eine Grenze in der Asylfrage.

Und als sich Angela Merkel und Horst Seehofer spät in der Nacht schließlich einigten, da war es die Führung der SPD, die den Kompromiss über die Ziellinie gebracht hatte. Einen Kompromiss, der die Forderungen der CSU sogar auszuhebeln schien. Damals feierten sie in der SPD die kluge Politik ihrer Führung, sogar der sonst so GroKo-kritische Jusos-Chef Kevin Kühnert twitterte: "Dafür ein ehrliches Danke!"

Dieser Moment zeigte, worin Andrea Nahles wirklich gut ist. Sie ist eine starke Politikerin, wenn es um gemeinsames Regieren und eine Lösungsfindung mit eigenem Stempel geht. Nur kann die fallende SPD diese Fähigkeit gerade nicht gebrauchen. Und deswegen ist auch Andrea Nahles nicht mehr die Richtige für die nächsten Monate und den kommenden Wahlkampf in Ostdeutschland.

Zeitsprung zur SPD im Mai 2019:

Ein Jahr nach dem Asylkompromiss hat die SPD verloren, was sie verlieren konnte. Nach den Wahlen in Bremen und Europa, auch nach wochenlangen Putsch-Gerüchten gegen Nahles, steht die Chefin isoliert da und die Partei liegt am Boden. Nahles sah offenbar nur noch einen Weg, sich an der Spitze zu halten: Vorgezogene Wahlen zur Fraktionschefin, schon am Dienstag will sie sich bestätigen lassen. Dieser Move erinnert an das alte Motto Gerhard Schröders: Ganz und mit mir – oder eben gar nicht.

Aber die Wut über diese Taktik ist groß in den Landesverbänden. Medienberichte sprechen von regelrechten Nahles-Tribunalen bei den nach Berlin angereisten Vertretern aus NRW und Niedersachsen. Es gibt zu diesem Zeitpunkt zwar noch immer keinen Gegenkandidaten, die gehandelten Martin Schulz und Matthias Miersch haben bereits öffentlich abgesagt, aber Nahles, so viel wird klar, hat nur noch wenige Unterstützer in den unterschiedlichen Flügeln ihrer Partei. Am Mittwoch muss sie sich auf einer Sondersitzung der SPD in Berlin den ganzen Tag lang anhören, was alles schlecht läuft in ihrer Partei. Und warum dass vor allem ihre Schuld ist. Nahles Plan könnte also schiefgehen, es muss sich nur noch ein Gegner finden. Viele in der Partei hoffen offenbar auf den noch stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion Achim Post.

Andrea Nahles Methode hat keine Zukunft in der SPD-Spitze

Es gibt also zwei Wege, Andrea Nahles zu beurteilen. Einer beschreibt eine erfolgreiche Regierungspolitikerin in der Großen Koalition. Der andere eine Parteivorsitzende, die um ihr Überleben kämpft.

Im Parlament war Nahles immer eine Stütze für die Große Koalition, die für Ergebnisse sorgte. Sie konnte immer gut mit Angela Merkel, sie genoss auch immer schon Symphatien über die eigene Fraktion hinweg. Sie war eben eine, mit der man arbeiten kann.

Das war sie auch für die Sozialdemokraten, jedenfalls was politische Inhalte betrifft. Bei wichtigen Fragen half Nahles, Kompromisse im Sinne der SPD durchzusetzen. Sei es beim Asylstreit, sei es beim Mindestlohn, bei der Grundrente, beim „starke Familiengesetz“, "Ehe für Alle" oder auch beim umstrittenen Werbeverbot für Abtreibung §219a – bei all diesen Fällen vermittelte auch Nahles.

Aber wie es so oft ist in der Politik, konnte sich die SPD eben trotzdem nicht als Junior-Partner in der Regierung profilieren. Die Gewinne der SPD werden dann den Falschen zugeschrieben, oder gar nicht erst gesehen.

Auch der Kompromiss zum §219a hat die Marke SPD mehr beschädigt, als dass er ihr half. Obwohl man ihn durchaus als gute Ergebnis-Politik bezeichnen könnte. Genau das ist das, was Andrea Nahles stellvertretend für ihre Partei gerade zum Verhängnis wird.

Sie ist so fixiert auf die Regierung und die Stabilität des Bundes, dass sie für ihre eigene Partei nie rechtzeitig den Absprung geschafft hat. Funktionalität ging für Nahles immer über Streit.

Und je unbeliebter die Regierung unter Wählerinnen und Wählern wurde, je unbeliebter sie auch unter Sozialdemokraten selbst wurde, desto unbeliebter wurde auch Nahles. Die Anti-GroKo-Stimmung, die einst nur einige Parteigruppen an der Basis erfasst hatte, hat sich längst über die gesamte SPD gelegt.

Die Genossen wollen schlicht keine kompromissorientierte Regierungspolitik mehr, sondern eine SPD mit Profil und Schärfe, die ihre gefühlte Relevanz zurückerlangt. Das kann Andrea Nahles nicht liefern, denn: Egal wie gut sie inhaltlich ist, sie ist keine Gewinnerin.

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